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»Er wacht auf«, flüsterte Tornhill.

Ich gebot ihm mit einer hastigen Geste, zu schweigen, setzte mich auf die Bettkante und ergriff mit der Linken Rowlfs Hand, während ich die andere Hand auf seiner Stirn ruhen ließ. Immer wieder flüsterte ich seinen Namen, aber es dauerte sehr lange, bis er wieder eine Reaktion zeigte.

Seine gesprungenen Lippen öffneten sich, und ein tiefes, schmerzerfülltes Stöhnen drang aus seiner Brust. Dann flogen seine Lider mit einem Ruck auf.

»Es ist alles in Ordnung, Rowlf«, sagte ich rasch. Sein Blick war wild, und seine Hand preßte die meine plötzlich so fest, daß ich beinahe vor Schmerz aufgeschrien hätte.

»Keine Angst, Rowlf«, fuhr ich in ruhigem Ton fort. »Du bist in Sicherheit. Alles ist gut.«

»In ... Sicherheit?« wiederholte er. »Was ist ... wo ... mein Gott, wo bin ich? Wie ... Howard! Er hat -«

»Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, sagte Tornhill. »Sie sind im Hospital. Der Alptraum ist vorbei.«

Rowlf blinzelte verwirrt, starrte Tornhill eine Sekunde lang an und wandte sich dann wieder an mich. »Wer is dat?«

Diesmal konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken. Wenn Rowlfs fürchterlicher Slang wieder zum Vorschein kam, war alles in Ordnung. Er sprach nur dann reines Oxford-Englisch, wenn er sich allein glaubte oder vollkommen aus der Fassung gebracht war.

»Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte ich. »Er ist ... ein Freund. Erinnerst du dich, was passiert ist?«

»Erinnern?« Rowlfs breitflächiges Gesicht verdüsterte sich. »Und ob«, knurrte er. »Necron hat uns entführn lassn, von sein schwarzen Schlägern. Er hat Howard un das Mädchn.«

»Necron?«

Ich sah Tornhill nicht an, aber ich bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich seine Gestalt straffte. Seine Stimme klang angespannt. »Wovon reden Sie, Mann?«

»Vom Alten!« knurrte Rowlf. »Diesem Pfeifengesicht Necron. Von wem sonst?«

»Nee -« Tornhill brach mitten im Wort ab, sog überrascht die Luft ein und beugte sich erregt vor. »Sie meinen doch nicht ... Necron, den ... den Magier von Salem?« keuchte er. »Necron - den Herrscher der Drachenburg?«

»Sach ich doch«, antwortete Rowlf. »Aber was gehtn Sie das an?«

»Es ist schon in Ordnung, Rowlf«, sagte ich rasch. Dann wandte ich mich an Tornhill. »Sie kennen ihn? Diesen Necron?«

»Kennen?« Tornhill schüttelte heftig den Kopf. »Natürlich nicht. Aber ich habe von ihm gehört. Bisher war ich allerdings der Annahme, daß er nichts als eine Legende ist, mit der man allenfalls Kinder erschrecken kann.«

»Wenn ichn zwischen die Finger krich«, versprach Rowlf düster, »dann könnse hinterher nichmal mehr’n Hund mittem erschrecken.«

»Du mußt uns alles erzählen, Rowlf«, sagte ich. »Was ist passiert? Wieso hat er Howard entführt, und wie bist du in ...« Ich zögerte, rettete mich in ein verlegenes Lächeln und begann neu: »Wie ist dir die Flucht gelungen?«

»Flucht?« Rowlf verzog das Gesicht und starrte betreten die Bettdecke an. »Überhaupt nich«, gestand er kleinlaut. »Er hat mich gehn lassn. Ich weiß nich, wasser gemacht hat - zwei von sein’ Prügelknaben ham mich gepackt und durch so ne Art Tür geschmissen, un das nächste, woran ich mich erinnern kann, is dieser schwarze Sumpf.« Er verzog angeekelt die Lippen, sagte aber nichts mehr. Aber ich hatte seine Schreie gehört. Rowlf war durch ein Inferno gegangen, während er in der Welt der GROSSEN ALTEN gewesen war.

»Er hat dich gehen lassen?« fragte ich, als klar wurde, daß er nicht von selbst weiterreden würde.

Rowlf nickte. »Ich ... soll dir was sagn.«

»Und was?« Die Frage war im Grunde überflüssig. Ich wußte, was Necron von mir wollte.

Statt einer Antwort drehte Rowlf den Kopf in den Kissen und blickte Tornhill einen Herzschlag lang durchdringend an.

»Du kannst ihm vertrauen«, sagte ich.

»Vertraun?« Rowlfs Augen Augen wurden schmal. »Wieviel weiß’n der?«

»Alles«, sagte ich. Rowlf fuhr zusammen, und ich fügte hastig hinzu: »Jedenfalls genug. Du kannst sprechen.«

»Er will dich«, sagte Rowlf leise. »Dich und das Buch, Robert. Aber ich weiß nicht, was er mehr will.«

»Das Buch?« Tornhill sah mich alarmiert an. »Das NECRONOMICON?«

Rowlf starrte mich mit einer Mischung aus Staunen und Zorn an. »Verdammt, was weiß’n der Kerl noch alles?« schnappte er.

»Genug«, antwortete Tornhill an meiner Stelle. »Jedenfalls genug, um zu wissen, daß wir ihm dieses Buch nicht geben können. Wohin haben er und seine Leute Lovecraft und das Mädchen gebracht?«

»Wieso wir?« fragte ich betont. Den letzten Teil seiner Frage überhörte ich bewußt. »Bisher bin ich der einzige, der weiß, wo das NECRONOMICON ist -«

Nein, ich war nicht der einzige, der das Versteck des Buches kannte! Es gab noch jemanden. Jemanden, der alle meine Gedanken und Geheimnisse so genau kannte, als wären es seine eigenen.

»Versuchen Sie nicht, sich in Dinge zu mischen, die Sie nichts angehen«, sagte ich drohend.

Tornhill lachte leise. »Ich? Ich glaube, Sie verwechseln da etwas, Craven. Sie haben mich nicht gefragt, ob ich all diese Dinge wissen wollte. Ich wollte sie nicht wissen, und ich gäbe meinen rechten Arm darum, sie wieder vergessen zu können. Aber ich bin nun einmal mit drin, in diesem Fall -«

»Es ist keiner von Ihren Fällen, Tornhill«, unterbrach ich ihn scharf. »Sie können mir helfen, aber versuchen Sie nicht, mir in die Quere zu kommen. Es geht hier um mehr als ein Buch mit alten Zaubersprüchen. Das Leben meiner Freunde ist in Gefahr.«

»Sie wissen ganz genau, daß das NECRONOMICON kein Buch mit alten Zaubersprüchen ist«, antwortete Tornhill kalt. »Sie spielen doch nicht ernsthaft mit dem Gedanken, es Necron zu geben?«

»Er wird Howard un die Kleine töten, wenners nich kriegn tut«, sagte Rowlf.

»Das wird er nicht«, antwortete Tornhill gereizt. »Ich werde ihn daran hindern.«

»Sie?« Ich lachte, hart und bewußt herablassend. Tornhill erbleichte und starrte mich wütend an. »Sie wissen genau, daß Sie das nicht können, Tornhill«, sagte ich. »Wenn Sie versuchen, sich einzumischen, bringen Sie Howard und Priscylla in Gefahr. Ich werde das nicht zulassen.«

»Aha. Und wie? Ich weiß, wo das Buch ist, vergessen Sie das nicht.«

»Dann wissen Sie auch, was geschieht, wenn Sie es auch nur anrühren«, antwortete ich. »Ihr Wissen nutzt Ihnen nichts, Tornhill. Was mit dem Buch geschieht, entscheide allein ich.«

Bevor er noch etwas sagen konnte, wandte ich mich wieder an Rowlf. »Was hat er genau gesagt? Versuch dich zu erinnern, Rowlf. Ich muß jedes einzelne Wort wissen.«

»Nicht viel«, antwortete Rowlf. »Nur daß du ... bezahl’n sollst, glaub ich. Dasser dich ham will. Dich persönlich. Un du sollst das Nickernemikon mitbringn.«

»Und wohin?«

»Ins Haus«, sagte Rowlf nach kurzem Schweigen. »Mehr hatter nich gesagt. Er würd dich schon fin’n, meinte er. Du sollst zum Haus komm’, mittem Buch.«

»Das verbiete ich«, sagte Tornhill ruhig.

Rowlf lächelte. »Ein Wort, un ich hau ihm aufs Maul«, sagte er liebenswürdig. »Sin noch zwei Betten frei hier.«

Tornhill reagierte nicht auf die Drohung, aber seine Stimme klang versöhnlicher, als er weitersprach. »Er wird Sie umbringen, Craven«, sagte er. »Und Howard und Priscylla auch. Glauben Sie im Ernst, er läßt einen von Ihnen am Leben, wenn er das Buch hat?«

»Mich sicher nicht«, antwortete ich. »Aber vielleicht Priscylla. Verdammt, Tornhill, was würden Sie tun, wenn er Ihre Freundin und Ihren besten Freund dort gefangen hätte und als Geiseln benutzte?«