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Mein Blick tastete über die Gesichter der drei Dienstboten, die eng nebeneinander auf der winzigen Couch unter dem Fenster saßen; zwei Frauen, der junge Bursche, den ich als Kutscher und Mann fürs Grobe eingestellt hatte, und hinter ihnen Charles, mein neuer Majordomus. Von allen hatte sich Charles vielleicht noch am besten in der Gewalt, denn er war ein Mann, der es ein Leben lang gelernt hatte, seine Gefühle hinter einer Maske von Freundlichkeit zu verbergen. Aber auch in seinen Augen loderte die Angst.

Und es waren nicht nur ihre Gesichter, die ich sah. Für einen Moment bildete ich mir ein, das speckig glänzende Gesicht Tornhills zu erkennen; die täuschend echt imitierten Züge Grays, die ich im Antlitz seines Doppelgängers erblickt hatte, die in Ehren alt gewordenen Augen Henrys, des alten Butlers, der mich bei meiner Ankunft in diesem verfluchten Haus so freundlich begrüßt hatte - all diesen Menschen (und nicht nur ihnen) hatte ich den Tod gebracht, in der einen oder anderen Form.

Schließlich kam ich zu einem Entschluß. Ich stand auf, ging ohne ein einziges Wort zu meinem Schreibtisch und zog die Schublade heraus. Unter Howards fragenden Blicken öffnete ich mein Scheckbuch, schrieb vier gleichlautende Schecks über je eintausend Pfund Sterling aus und schob sie mit der Hand über den Tisch.

In Charles’ Augen glomm ein fragender Ausdruck auf, und auch die drei anderen Domestiken sahen nacheinander in meine Richtung, als spürten sie meine Blicke.

Ich stand auf, ging um den Tisch herum und machte ein auffordernde Geste auf die vier kleinen, rechteckigen Stückchen Papier hinter mir. »Nehmen Sie es«, sagte ich.

»Sir?« Charles blickte irritiert auf die Schecks. »Ich fürchte, ich verstehe nicht ...«

»Sie verstehen sehr gut, Charles«, antwortete ich. Ich hatte Mühe, meine Stimme wenigstens so weit unter Kontrolle zu halten, daß ich klar sprechen konnte. »Ich möchte, daß Sie gehen. Alle.«

Charles und das Zimmermädchen wollten auffahren, aber ich hob befehlend die Hand und sprach rasch und beinahe eine Spur zu laut weiter: »Es tut mir leid, aber ich muß mich von Ihnen trennen. Ich weiß, daß ich Sie erst vor wenigen Tagen eingestellt habe, aber ich kann es nicht länger verantworten, Fremde in meiner Umgebung zu haben.«

Howard runzelte die Stirn, griff nach seinem Glas und verzog enttäuscht die Lippen, schwieg aber beharrlich.

»Nehmen Sie das Geld und gehen Sie, bitte«, sagte ich noch einmal. »Sie haben alle erlebt, was gerade passiert ist. Vielleicht kommen Sie das nächste Mal nicht so glimpflich davon.«

Der Majordomus kam zögernd auf mich zu, sah mir einen Herzschlag verwirrt in die Augen und streckte die Hand nach einem der Schecks aus. Seine Augen weiteten sich, als er die Summe sah, die ich darauf eingetragen hatte. »Aber Sir!« keuchte er. »Das ist -«

»Eine angemessene Entschädigung«, unterbrach ich ihn. »Sie haben Ihre alten Stellungen aufgegeben und sind zum Teil aus Ihren Wohnungen ausgezogen. Es wird eine Weile dauern, bis Sie wieder Fuß gefaßt haben.«

»Aber Sir, das ist mehr, als ich in drei Jahren verdiene!« protestierte Charles. »Das kann ich nicht annehmen.«

»Sie können!« beharrte ich. »Und die anderen auch. Betrachten Sie das, was Ihrer Meinung nach zuviel ist, als Entschädigung für die ... Ungelegenheiten, die Sie erlitten haben.«

»Und als Schweigegeld«, fügte Howard hinzu. Seine Stimme klang ein wenig schleppend, und er sprach langsamer als gewohnt. Der Alkohol zeigte seine Wirkung. Aber sein Blick war klar, als ich ihn ansah. »Sie werden natürlich niemandem sagen, was hier passiert ist.«

Charles schwieg einen Moment. »Niemandem, Sir?« fragte er. »Und der ... Tote?«

»Darum kümmere ich mich«, sagte ich rasch. »Ich werde Rowlf gleich morgen zu Scotland Yard schicken. Keine Sorge, Charles. Was Howard - Mister Lovecraft - meint, sind die ...«

»Die Motten.« Charles nickte. »Das würde uns ohnehin niemand glauben, Sir.«

»Dann ist es ja gut.« Howards Stimme klang ärgerlich, obwohl ich mir den Grund dafür nicht erklären konnte. »Nehmen Sie das Geld und gehen Sie. Alle.«

Charles zögerte noch einen Moment, dann aber griff er nach dem Scheck, faltete ihn ordentlich in der Mitte zusammen und ließ ihn in der Innentasche seines Jacketts verschwinden. Auch der Kutscher und das Zimmermädchen folgten nach kurzem Zögern seinem Beispiel. Nur Mary blieb sitzen, und der Blick, mit dem sie auf mein ungeduldiges Stirnrunzeln antwortete, hielt mich davon ab, sie in Gegenwart der anderen Dienstboten noch einmal zum Gehen aufzufordern.

Howard gab Rowlf mit einem stummen Wink zu verstehen, daß er sich um Charles und die beiden anderen kümmern sollte, bis sie das Haus verlassen hatten, stand auf und ging mit leicht schwankenden Schritten zu dem kleinen Teewagen hinüber, um sich sein Glas erneut zu füllen. Ich verfolgte sein Tun mit mißbilligenden Blicken, hütete mich aber wohlweislich, auch nur eine Bemerkung zu machen. Es gab Wichtigeres zwischen uns zu besprechen.

Als Rowlf den Raum verlassen hatte, um Charles und die anderen nach unten zu begleiten, wandte ich mich an Mary. Sie hatte die ganze Zeit stumm auf der Chaiselongue gesessen und mich nur mit seltsamen Blicken gemustert, aber bisher keine Anstalten gemacht, in irgendeiner Form auf meine Kündigung zu reagieren.

»Und Sie, Mary?« fragte ich. »Was ist mit Ihnen?« Ich lächelte, drehte mich halb herum und deutete auf den letzten Scheck, der noch auf dem Tisch lag. »Mein Angebot gilt auch für Sie.«

»Ich weiß«, sagte sie. »Aber ich möchte bleiben.«

»Das habe ich befürchtet«, antwortete ich leise. »Und wenn ich ... darauf bestehe, daß Sie gehen?«

»Ich habe keine Angst«, antwortete sie.

»Das hatte Priscylla auch nicht«, erwiderte ich so ernst, wie ich konnte. »Und auch dieses Mädchen nicht, das sich auf eine Zeitungsannonce gemeldet hat, um hier zu arbeiten.«

Für einen Moment verdüsterten sich ihre Züge, und ein unbestimmter Ausdruck von Trauer trat in ihre Augen. Aber sie hatte sich schnell wieder in der Gewalt. »Ich ... weiß«, sagte sie. »Aber das ändert nichts an meinem Entschluß. Sie können nicht allein in diesem Riesenhaus bleiben.«

Ihre Stimme klang sehr bestimmt, und irgend etwas sagte mir, daß es vollkommen sinnlos war, sie umstimmen zu wollen. Trotzdem nahm ich den Scheck vom Tisch, ging zu ihr hinüber und legte ihn neben sie auf die Couch.

»Ich bestehe darauf«, sagte ich. »Es sind schon zu viele Unschuldige zu Schaden gekommen, Mary. Ich bringe Unglück. Es ist nicht gut, sich zu lange in meiner Nähe aufzuhalten. Nehmen Sie das Geld und suchen Sie sich irgendwo eine hübsche kleine Wohnung für sich und Ihre Tochter.«

Mary lächelte, nahm den Scheck zwischen Daumen und Zeigefinger beider Hände und riß ihn genüßlich in kleine Streifen.

»Ich bleibe«, erklärte sie bestimmt. »Und ich will einen solchen Unsinn wie ich bringe Unglück nicht mehr hören, mein Junge.«

»Es ist kein Unsinn«, widersprach ich. »Es -«

»Und selbst wenn es so wäre, würde ich bleiben«, fuhr sie unbeeindruckt fort. »Verwechseln Sie mich nicht mit Charles und den beiden anderen. Sie haben sie vor zwei oder drei Tagen eingestellt, und im Moment ist wahrscheinlich alles, was sie wollen, so schnell wie überhaupt möglich von hier zu verschwinden. Ich kenne Sie schon länger, Robert. Schon viel zu lange. Glauben Sie im Ernst, dieses Geld würde mich vergessen lassen, was ich erlebt habe, Robert? Ich würde nie wieder irgendwo Ruhe finden, solange ich weiß, daß diese Bestien existieren. Haben Sie vergessen, was sie meiner Tochter angetan haben?«

»Nein. Aber Sie scheinen zu glauben, in irgendeiner Schuld bei mir zu stehen, Mary, und -«