Выбрать главу

»Und genauso ist es«, unterbrach sie mich. »Ohne Sie wäre meine Tochter jetzt tot, oder vielleicht besessen von einem dieser Ungeheuer - ich weiß nicht, was schlimmer wäre.«

»Aber das ist -«

»Laß sie, Robert.« Howard hob sein Glas, prostete mir zu und leerte es mit einem Zug. »Sie hat recht«, fuhr er fort. »Du kannst ... kannst nicht allein in diesem Kasten wohnen.«

»Wer sagt, daß ich das will?« antwortete ich. Howard grinste, drehte sich um und griff erneut nach der Whiskyflasche. Mit einem raschen Schritt trat ich neben ihn, nahm ihm die Flasche aus der Hand und bugsierte ihn mit sanfter Gewalt zu seinem Sessel zurück. Howard wollte protestieren, aber ich brachte ihn mit einer befehlenden Geste zum Schweigen und wandte mich an Mary.

»Wenn Sie schon mit aller Macht bleiben wollen, dann seien Sie so lieb und machen uns einen starken Kaffee«, bat ich. »Ich glaube, Howard kann ihn gebrauchen. Und sehen Sie nach dem Kutscher.« Rowlf hatte Ron, der erneut das Bewußtsein verloren und zu phantasieren begonnen hatte, in eines der angrenzenden Zimmer gebracht und die Tür von außen verschlossen. Aber mir war wohler zumute, wenn jemand ab und zu nach ihm sah.

Mary lächelte und verließ die Bibliothek; nicht, ohne im Vorübergehen die Whiskyflasche mitzunehmen, was ihr einen wütenden Blick Howards eintrug.

Ich ging ihr nach, öffnete die Tür noch einmal einen Spaltbreit und blickte auf den Korridor hinaus. Erst, als ich mich davon überzeugt hatte, daß wir wirklich allein und ungestört waren, drückte ich die Tür wieder zu und drehte mich zu Howard herum.

Sein Blick war ganz klar. Der Alkohol, den er getrunken hatte, beeinträchtigte sein Denken nicht im geringsten. Er hatte den Betrunkenen gespielt, vielleicht, um nicht auf die Fragen antworten zu müssen, die ich ihm stellen würde.

»Also?« sagte ich.

»Was - also?« wiederholte Howard. Seine Lippen zuckten ein ganz kleines bißchen, und seine Finger hielten das dickwandige leere Glas fester, als nötig gewesen wäre.

»Bitte, Howard«, sagte ich leise. »Du weißt ganz genau, was ich wissen will. Was ist passiert? Wie hast du diese Ungeheuer getötet?«

»Ich?« Howard lachte, als hätte ich einen Witz zum Besten gegeben. »Wer von uns ist hier betrunken, Junge - du oder ich?« Er lachte bitter, beugte sich vor und machte eine Armbewegung, die das ganze Haus einschloß. »Es war dieses Haus, das sie getötet hat, Robert. Nicht ich. Diese Macht habe ich nicht.«

»Red keinen Unsinn!«

»Ich rede keinen Unsinn«, behauptete Howard. »Erinnerst du dich, was ich dir über das Haus deines Vaters erzählt habe? Es ist nicht irgendein Haus. Dieses Gebäude ist eine Festung. Es weiß sich sehr wohl zu wehren. Warum glaubst du, hat Necron seine Killer nicht auf uns gehetzt, um uns zu töten, ehe er es nicht konnte? Er hat ganz genau gespürt, welche Kräfte dieses Haus hat. Er hat gewußt, daß er dir nicht beikommen konnte. Nicht hier!«

Und plötzlich erinnerte ich mich auch wieder an den sonderbaren, hallenden Ton, den ich zu hören geglaubt hatte, als ich mich auf den Drachenkrieger stürzte. Der gleiche unheimliche Klang aus dem Nirgendwo, mit dem die schlummernden Mächte dieses Hauses versucht hatten, mich vor Howards und Grays Doppelgängern zu warnen. Und dann das zerfallende steinerne Geländer ...

»Aber das ist ... das ist verrückt«, widersprach ich verstört. »Das ergibt keinen Sinn.«

Howard zog eine Grimasse. »Der einzige, der hier schon eine geraume Weile seine fünf Sinne nicht beisammen zu haben scheint, bist du, mein Junge. Was ist in dich gefahren, die Diener wegzuschicken? In drei Tagen weiß die ganze Stadt, was hier passiert ist!«

»Niemand wird es ihnen glauben«, antwortete ich ruhig.

»O nein, sicher nicht.« Howards Stimme troff vor Sarkasmus. »Auch die beiden Toten werden niemanden interessieren. Glaubst du wirklich, sie werden nicht darüber sprechen, nur weil du ihnen Geld gegeben hast? Im Gegenteil, Robert! Sie werden nur noch mißtrauischer werden. In spätestens drei Tagen sind die Beamten von Scotland Yard wieder hier. Mit Handschellen und einem Haftbefehl.«

»Das wird nicht nötig sein«, antwortete ich. »Ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, daß ich Rowlf morgen zum Yard schicken werde.« Howard ächzte, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern sprach rasch weiter. »Es waren keine leeren Worte, Howard. Ich ... ich kann nicht mehr. Es ist nur ein paar Wochen her, daß ich nach London gekommen und in dieses Haus eingezogen bin, und alles, was ich erlebt habe, waren Tod und Schrecken. Necron hatte recht - ich verbreite Unheil, wohin ich auch komme. Die Menschen sterben, wenn sie zu lange in meiner Nähe sind. Mein Gott, Howard - ich habe eine Spur aus Toten hinterlassen, begreifst du das nicht?«

»Ich begreife nur, daß du Unsinn redest«, erwiderte Howard ruhig. »Es war nicht deine Schuld, daß Hasan Necron hierhergekommen ist. Und es war auch nicht deine Schuld, daß dieser Tornhill verrückt genug war, seine Drachenkrieger angreifen zu wollen.«

Zumindest in diesem Punkt irrte er. Juristisch traf mich vielleicht keine Schuld daran - aber ich gab mir die Verantwortung, zumindest zu einem Teil. Aber das gehörte nicht hierher. Ich hatte Howard nichts davon erzählt, und ich würde es auch nicht tun. Das war eine Sache, die nur mich anging.

»Und heute?« fragte ich. »Diese ... diese Motten, oder was immer sie waren?«

Howard schwieg. Auf seiner Stirn glänzte Schweiß, obwohl es kühl in der Bibliothek war. »Das hatte nichts mit dir zu tun«, sagte er leise. »Ich ... dachte es im ersten Moment auch, aber es stimmt nicht.«

»Was meinst du damit?« fragte ich. Eine unbestimmte Ahnung stieg in mir auf. Ich spürte, daß die Einzelteile des Puzzles alle da waren - aber noch ergaben sie keinen Sinn, weigerten sich, sich zu einem Bild zusammenzufügen.

»Es sollte so aussehen«, antwortete Howard, ohne mich anzusehen. »Du solltest glauben, daß dieser Anschlag dir galt. Dieser nachgemachte Drachenkrieger diente keinem anderen Zweck, als dich zu täuschen, Robert.«

»Sagtest du - nachgemacht?« fragte ich verwirrt.

Howard sah mich mit einem beinahe mitleidigen Blick an. »Dieser Mann war kein Drachenkrieger«, sagte er. »Wenn er das wirklich gewesen wäre, dann wärst du jetzt tot, mein Junge.«

Ich legte demonstrativ die Hand auf meine zerschundenen Rippen und zog eine übertrieben schmerzhafte Grimasse. »Viel hat ja auch nicht gefehlt.«

»Das ist der Unterschied«, sagte Howard ernst. »Bei einem wirklichen Drachenkrieger hätte dieses nicht viel eben nicht gefehlt. Du glaubst vielleicht, diese Männer zu kennen, Robert, aber du täuschst dich. Wäre er wirklich das gewesen, als was er sich ausgegeben hat, dann hätte er dich aufgeschlitzt, ehe du ihm auch nur nahe gekommen wärst.«

»Ich hatte Glück«, sagte ich, »das war alles. Hätte er keinen Fehltritt gemacht -«

»Blödsinn«, unterbrach mich Howard. »Du hattest kein Glück, Junge, er hatte Pech, so herum gibt die Sache einen Sinn. Er wollte dich nicht töten. Er wollte, daß du genau das denkst - daß du Glück gehabt hast. Er sollte dich verletzen; dich ein bißchen wütend machen. Daß er sich dabei das Genick bricht, war wohl nicht vorgesehen, aber das ist auch schon alles.«

»Und wer war er wirklich?« fragte ich, ganz leise und obwohl ich die Antwort im Grunde schon wußte.

Howard antwortete nicht, sondern blickte nur starr an mir vorbei ins Leere, aber sein Schweigen war schon Antwort genug. Langsam ordneten sich die wirr durcheinanderliegenden Teile des Puzzles zu einem Ganzen.

»Der Angriff galt dir«, sage ich. »Diejenigen, die diesen Mann geschickt haben, waren die gleichen, in deren Auftrag van der Groot und der Doppelgänger Grays gekommen sind.«

»Und wenn?« fragte Howard. Seine Stimme war jetzt ganz leise. Sie klang flach, tonlos wie die eines Menschen, der mit allerletzter Kraft um seine Beherrschung kämpft.