»Nun, ich habe Ihnen eine Chance gegeben, Craven!« antwortete er und wandte sich an die drei Schlägertypen. »Los, entwaffnet ihn!«
Wie durch ein Wunder gelang es mir, den ersten Schlägen der wuchtigen Keulen auszuweichen. Ich steppte zur Seite und nahm einen Schlag gegen die Schulter hin, um einem der Burschen meine Degenklinge in den Oberschenkel zu rammen. Der Kerl wankte einen Moment und schaute wie verwundert auf die klaffende Wunde. Dann hob er die Keule ungerührt zum nächsten Schlag. Er schien den Schmerz nicht einmal zu spüren!
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die Tür aufsprang und der Diener hereinstürmte, eine wertvolle chinesische Vase packte und nach mir schleuderte. Das antike Wurfgeschoß zerschellte neben meinem Gesicht an der Wand und überschüttete mich mit scharfkantigen Splittern. Aber ich war für einen Moment abgelenkt, und meine drei Gegner nutzten diesen kurzen Moment aus. Eine Hand krallte sich in mein Haar und riß daran. Gleichzeitig streifte ein Keulenschlag meine Rippen und trieb mir die Luft aus dem Leib.
»Gut gemacht, Croff. Ja! Paßt auf! Gleich habt ihr ihn!« schrie Rattengesicht, schlug sich vor Vergnügen auf die Oberschenkel und sprang herum, als hielte er sich für Rumpelstilzchen. Seine Handlanger bildeten einen Halbkreis um mich und droschen mit ihren Keulen nach meinem Stockdegen. Sie hätten mich jetzt längst treffen können, aber sie gehorchten Rattengesichts Befehl und versuchten nur, mich zu entwaffnen.
Ich unterlief einen Hieb und rammte dem Kerl, der zugeschlagen hatte, das Knie in den Unterleib; das war zwar nicht sehr fair, aber wirksam.
Jedenfalls war es das bisher immer gewesen ...
Es war ein Gefühl, als hätte ich gegen eisverkrustetes Holz geschlagen. Der Mann verzog die Lippen zu einem häßlichen Grinsen und holte zum nächsten Schlag aus.
»Du kannst nicht entkommen, Craven! Gib doch auf!« kicherte der Kleine.
Mein Blick irrte durch den Raum und blieb auf einem großen, straßenseitigen Fenster haften. Ich raffte alle Kraft, die ich noch hatte, zusammen, nahm einen weiteren, mörderischen Hieb gegen den Leib in Kauf, trat dem Besitzer der Keule dafür mit aller Macht auf den Fuß und drehte den Absatz, kurz und schnell und mit dem ganzen Gewicht meines Körpers belastend, um.
Der Kerl brüllte auf, ließ seine Keule fallen und sprang, ungeschickt mit den Armen rudernd und nur auf einem Bein hüpfend, zurück. Ich half der Entwicklung noch ein wenig nach, indem ich ihm einen Stoß vor die Brust versetzte, der ihn haltlos gegen seine beiden Spießgesellen taumeln ließ.
Im nächsten Moment schoß ich zwischen ihnen hindurch, fegte den Diener mit dem Ellbogen beiseite und hechtete durch das splitternde Glas.
Für einen Moment war ich benommen. Ein dumpfer Schmerz pochte in meinem Schädel, und vor meinen Augen tobten graue und rote Schleier. Mühsam stemmte ich mich hoch, blinzelte die Tränen fort und sah mich mit einer Mischung aus Staunen und banger Besorgnis um.
Ich war nicht auf der Straße gelandet, sondern in einem mit allerlei Gerümpel vollgestopften, niedrigen Raum. Bestialischer Gestank raubte mir den Atem, schrille Schreie peinigten meine Ohren. Ich sprang auf, duckte mich kampfbereit und hob die Waffe. Mein Degen beschrieb einen Halbkreis, doch er traf nur leere Luft.
Wo war die Straße? dachte ich verstört. Ich war das Fenster nach draußen gehechtet - aber um mich herum waren Wände ...
Langsam begannen sich meine Augen an das Dämmerlicht zu gewöhnen und aus amorphen Schatten wurden Umrisse.
Ich war nicht allein! Eine Anzahl lemurenähnlicher Geschöpfe drückte sich in den hintersten Winkel der Kate. Zweimal mußte ich hinsehen, bis ich in ihnen Kinder erkannte. Ihre weit aufgerissenen Augen wirkten wie leuchtende, gläserne Murmeln, in denen die Furcht wie verzehrendes Feuer loderte.
»Keine Angst! Ich tue euch nichts!« sagte ich, trat einen Schritt auf sie zu und senkte mit verlegenem Lächeln den Degen. Doch sie drängten sich noch ängstlicher aneinander und verschmolzen stumm mit den Schatten.
Dann hörte ich hinter mir ein Geräusch, schnellte herum und starrte auf ein kleines Loch in der Wand, das nur wenig mehr als die Breite meiner Schultern besaß und vor einer Sekunde noch nicht dagewesen war. Einer meiner Gegner riß gerade die Reste einer Papierbespannung beiseite und zwängte seinen Oberkörper durch den brüchigen Rahmen.
»Gleich habe ich dich, Craven!« jubelte er und holte mit der Keule aus.
Ein Zurückweichen war unmöglich. So stieß ich zu. Ich wollte ihm den Degen in die Schulter bohren, um ihn zu entwaffnen. In dem Augenblick jedoch verlor er den Halt, schlitterte auf mich zu und rammte sich selbst den Degen in die Kehle.
Der Stich hätte tödlich sein müssen. Doch der Mann schrie nur auf, riß sich die Klinge aus der Wunde und glitt aus dem berstenden Fensterrahmen. Er schlug auf dem Boden auf und erhob sich wieder mit der Leichtigkeit einer Katze.
Verzweifelt sah ich mich nach einem Fluchtweg um. Die Kinder hatten sich in eine Ecke des Raumes gedrängt und verfolgten den ungleichen Kampf aus großen, schreckgeweiteten Augen; hinter und neben ihnen stapelten sich Gerümpel und Abfall - und dann entdeckte ich eine Tür. Verzweifelt sprang ich hin, sah einen verrosteten Schlüssel stecken, riß ihn vor Erregung fast aus dem Schloß und versuchte verzweifelt, die Tür aufzubekommen.
Hinter mir begann der Boden unter den stampfenden Schritten meines Verfolgers zu zittern. Ein Schatten wuchs über meinem eigenen auf der Tür auf, und plötzlich spürte ich den eisigen Luftzug.
Ich versuchte nicht einmal, dem Hieb auszuweichen, sondern warf mich mit aller Macht nach hinten und stieß mit dem Ellbogen zu.
Die Keule traf wenige Zentimeter neben meinem Kopf gegen die Tür und ließ das Holz splittern; im gleichen Augenblick krachte mein Ellbogen gegen das Brustbein des Angreifers.
Sein wütendes Brüllen verwandelte sich in eine Folge unnatürlicher, keuchender Laute. Er wankte, ließ seine Keule fallen und krampfte die Hände über dem Leib zusammen.
Als ich mich zu ihm herumdrehte, sank er ganz langsam in die Knie und starrte mich aus hervorquellenden Augen an.
Ich stieß seine Keule mit dem Fuß vollends zur Seite, versetzte ihm einen Stoß, der ihn hilflos nach hinten und zur Seite fallen ließ - und stöhnte auf.
Die Kinder waren näher gekommen, während ich mit dem Schläger gekämpft hatte. Ihre Gesichter wirkten leer und starr wie zuvor, so leblos wie die von Puppen, aber der Ausdruck in ihren Augen hatte sich verändert.
Vorhin hatte ich Furcht in ihren Blicken gelesen.
Jetzt starrten sie mich voller Zorn und Wut an.
Und plötzlich blitzten Waffen in ihren Händen - schartige Messer, gezackte Glas- und Spiegelscherben, rostige Nägel; einer schwang ein Brett, durch das Nägel geschlagen waren, und eine kleine Gestalt richtete einen altertümlichen Vorderlader auf mich und fummelte ungeschickt an seinem Spannschloß.
Instinktiv hob ich den Degen. Die zuvorderst stehenden Kinder prallten zurück, aber ich las keine Angst in ihren Augen.
Trotzdem senkte ich meine Waffe wieder. Ganz egal, aus welchem Grund sie mich angriffen - es waren Kinder; ich konnte nicht gegen sie kämpfen. Nicht einmal, wenn es um mein Leben ging.
Ich wartete, bis sie wieder näher kamen, dann versetzte ich einem von ihnen einen überraschenden Stoß, der ihn zurücktaumeln und gegen die anderen prallen ließ, wirbelte herum und riß die Tür auf. Hinter mir zerriß ein ohrenbetäubender Knall die Stille, und dicht neben meiner Schulter schlug etwas in den Türrahmen. Die Luft stank plötzlich durchdringend nach Schießpulver.
Ich stürzte durch die Tür, warf sie hinter mir ins Schloß und suchte einen Moment vergebens nach einem Riegel oder irgendeiner anderen Möglichkeit, sie zu versperren. Mit einem wütenden Knurren fuhr ich herum, blickte einen Moment unentschlossen nach rechts und links und rannte schließlich los.