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Die Fahrradpumpe war vom Gepäckträger aus bequem zu erreichen. Schon schwang sie sie in der Hand, schon haute sie damit zu.

Der dumpfe Krach tat ihr in der Seele weh – doch Hotzenplotz radelte weiter, als ob überhaupt nichts geschehen sei.

„Tun Sie sich keinen Zwang an, Großmutter", sagte er. „Bloß – vergessen Sie nicht, dass ich einen Helm auf dem Kopf trage. Einen Polizeihelm."

Da sah Großmutter ein, dass es keinen Sinn hatte, irgendetwas zu unternehmen und sie beschloss die Fahrradpumpe in hohem Bogen wegzuwerfen; aber dann musste sie daran denken, dass die Pumpe ja eigentlich dem Herrn Oberwachtmeister Dimpfelmoser gehörte und da tat sie es lieber doch nicht.

Im Rückwärtsgang

Kasperl und Seppel hatten ihren Gefangenen wieder ausgewickelt. Der arme Herr Dimpfelmoser tat ihnen schrecklich Leid. Sie halfen ihm in die Uniform und beteuerten mehr als ein Dutzend Mal, wie sehr sie das Missverständnis bedauerten, dem er zum Opfer gefallen war.

„Eigentlich", meinte Kasperl nachdenklich, „ist an der ganzen Bescherung die Reinigungsanstalt schuld. Wer konnte denn ahnen, dass es so schnell gehen würde mit Ihrer Uniform?"

„Tja", brummte Oberwachtmeister Dimpfelmoser, „zum Großteil besteht das Leben eben aus Überraschungen. Dieser Hotzenplotz hat mehr Glück als Verstand! Ich muss sagen, ihr habt mich ganz schön zusammengepatscht ... Na, Schwamm drüber! Suchen wir uns ein halbwegs bequemes Plätzchen und legen wir uns aufs Ohr. Morgen früh wird schon jemand kommen und uns hier rauslassen."

„Morgen früh?", widersprach ihm Kasperl. „So lang können wir nicht warten!"

„Wieso denn nicht?"

„Wegen Großmutter", sagte Seppel. „Hotzenplotz hat etwas mit ihr vor, er hat es uns selbst verraten."

„Und drum", drängte Kasperl, „dürfen wir keine Zeit verlieren, wir müssen hier raus!"

Herr Dimpfelmoser sah das natürlich ein. Sie rüttelten mit vereinten Kräften am Tor, sie versuchten die Gitterstäbe des Fensters herauszubrechen, sie klopften die Wände nach dünnen Stellen ab – alles umsonst.

„Und wenn wir uns unter der Schwelle durchgraben?", meinte Seppel. „Ich habe da nämlich etwas entdeckt ..."

Er brachte aus einer Ecke des Spritzenhauses zwei Schaufeln und eine Spitzhacke angeschleppt.

„Damit müssten wir's eigentlich schaffen!"

Es zeigte sich, dass die Arbeit nicht einfach war. Hotzenplotz schien gewusst zu haben, weshalb er von diesem Weg in die Freiheit keinen Gebrauch gemacht hatte. Der Boden des Spritzenhauses war hart wie Stein und der Platz zwischen Tor und Feuerwehrauto so eng, dass immer nur einer graben konnte. Aber selbst der hatte Schwierigkeiten, weil er bei jeder Bewegung irgendwo anstieß.

„Wie wäre es", meinte Herr Dimpfelmoser nach einer Weile, „wenn wir das Auto ein Stück zurücksetzten? Wir haben da hinten mindestens einen Meter Platz!"

„Wenn das geht?", sagte Kasperl. „Ich fürchte, das Ding ist zu schwer für uns."

„Zu schwer?" Der Oberwachtmeister lachte. „Vergiss nicht, dass jedes Auto einen Motor hat. Und einen Rückwärtsgang."

„Und – der Zündschlüssel?", fragte Seppel.

„Wozu einen Zündschlüssel?", meinte Herr Dimpfelmoser. „Wir machen es mit der Handkurbel! Die liegt griffbereit unterm Fahrersitz, wo sie immer liegt. Bereit sein ist alles, versteht ihr – speziell bei der Feuerwehr!"

Er schnallte den Säbel ab, kletterte auf den Wagen und setzte sich hinter das Lenkrad. Dann reichte er ihnen die Kurbel hinunter.

„So, es kann losgehen!"

Kasperl und Seppel gaben sich große Mühe das Feuerwehrauto anzukurbeln. Sie kurbelten einmal, sie kurbelten zweimal. Beim vierten Mal stießen sie mit den Köpfen zusammen, beim sechsten Mal schnappte die Kurbel zurück und traf Seppel am linken Daumen.

„Nicht aufgeben!", feuerte sie Herr Dimpfelmoser an. „Ich glaube fast, ihr habt Zwetschgenmus in den Armen!"

Zwetschgenmus ?

Kasperl und Seppel bissen die Zähne zusammen und kurbelten weiter. Beim zwölften Mal klappte es dann. Mit lautem Gedröhn sprang der Wagen an. Herr Dimpfelmoser legte den Rückwärtsgang ein und gab Gas.

Das Feuerwehrauto rührte sich nicht von der Stelle.

„Die Handbremse!", riefen Kasperl und Seppel.

„Waaas?", rief Herr Dimpfelmoser zurück. „Ich kann nichts verstehen bei diesem Krach!"

„Die Haaand-breeem-seee!"

Endlich hatte Herr Dimpfelmoser begriffen. Er löste die Handbremse – und im nächsten Augenblick machte das Feuerwehrauto einen gewaltigen Satz: einen Satz nach hinten.

Rums – bums – pardauz! Das Spritzenhaus bebte und zitterte. Mit einem Mal hatten Kasperl und Seppel die Augen voll Staub und den Mund voll Sand. Blitzschnell warfen sie sich zu Boden. Kasperl fiel mit der Nase in eine Ölpfütze, Seppel verlor den Hut und stieß mit dem Kopf gegen einen Mauerstein.

Plötzlich war es im Spritzenhaus wieder still. Herr Dimpfelmoser hatte den Motor abgewürgt.

„Ei verflixt!", rief er ganz verdattert aus. „Ich bin, wie mir scheint, aus Versehen ein Stück zu weit gefahren – na, so was!"

Kasperl und Seppel erhoben sich.

Das Feuerwehrauto hatte die Rückwand des Spritzenhauses durchbrochen. Es stand mit den Hinterrädern im Freien, friedlich vom Mond beschienen.

Durch das Loch in der Mauer konnten sie ungehindert hinausspazieren.

„Toll!", sagte Kasperl und drückte Herrn Dimpfelmoser die Hand. „Das war Maßarbeit!"

Immerhin motorisiert

Herr Dimpfelmoser wollte vorausradeln und sich um Großmutter kümmern – doch leider musste er feststellen, dass sein Fahrrad verschwunden war.

„Unerhört!", rief er. „Dieser Bursche stiehlt nicht nur Uniformen, er klaut auch behördeneigene Fahrräder! Hat man so etwas schon gehört?"

„Kommen Sie!", drängte Kasperl. „Wir müssen nach Haus!"

„Und zwar schnell!", fügte Seppel hinzu.

„So schnell wie die Feuerwehr!", sagte Herr Dimpfelmoser; und wie sich zu Kasperls und Seppels freudiger Überraschung herausstellte, war das wörtlich gemeint. „Da nämlich erstens Eile geboten und zweitens mein Fahrrad verschwunden ist", fuhr er fort, „müssen wir auf das Feuerwehrauto zurückgreifen. Los, werft den Motor an!"

Herr Dimpfelmoser setzte den Wagen so weit zurück, dass er wenden konnte. Die Freunde kletterten auf den Mannschaftssitz und schon brausten sie los: Linkskurve, Rechtskurve, über den Marktplatz, am Rathaus vorbei und mit Vollgas die Bahnhofstraße hinunter.

Kasperl und Seppel kamen sich vor, als säßen sie in der Achterbahn. Alles, was sie am Achterbahnfahren besonders schätzten, wurde ihnen hier auch geboten: das Ohrensausen, das Kribbeln im Bauch – und das wunderbare Gefühl, in einer Sekunde um zwanzig Pfund leichter zu werden und in der nächsten um dreißig schwerer. Herr Dimpfelmoser machte das ganz hervorragend.

Leider dauerte das Vergnügen nur kurze Zeit, dann kreischten die Bremsen. Kasperl und Seppel rumpelten gegen die Rückwand des Fahrersitzes.

„Aussteigen, wir sind da!"

Aufatmend stellten sie fest, dass im Wohnzimmer Licht brannte. Umso größer der Schreck, als Großmutter nirgends im ganzen Häuschen zu finden war.

Herr Dimpfelmoser legte die Stirn in Falten.

„Weg ist sie", brummte er. „Weg wie das Fahrrad und meine Uniform."

Kasperl bekam einen Heidenschreck.

„Glauben Sie etwa, dass Hotzenplotz sie geraubt hat?"

„Geraubt?", meinte Oberwachtmeister Dimpfelmoser. „ Großmütter raubt man nicht, Großmütter werden entführt."