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Er hörte, wie das Geschöpf innehielt und nach einer kurzen Pause in einer fremdartigen, doch verständlichen Sprache fragte: »Wieso hast du dich verirrt? Wo kommst du her und wohin willst du?«

»Ich komme aus einem Land, in dem es Tageslicht gibt«, antwortete El-ahrairah, »und ich habe mich verirrt, weil ich nichts sehen kann und nicht an die Dunkelheit gewöhnt bin.«

»Aber du kannst doch riechen, wohin du läufst. Das kann doch jeder.«

El-ahrairah wollte gerade erwidern, daß es ihm an Geruchssinn ermangele, entsann sich aber der Warnung des Fürsten Regenbogen. Also sagte er nur: »Ja, ja, aber die Gerüche sind hier so anders, sie bringen mich ganz durcheinander.«

»Dann hast du also keine Ahnung, was für eine Art von Kreatur ich zum Beispiel bin?«

»Nicht die mindeste. Du scheinst jedenfalls nicht so ein Wilder zu sein. Das ist schon einmal ein Segen.«

El-ahrairah hörte, wie sich dieses Geschöpf hinsetzte. Nach einer Weile sagte er: »Ich bin ein Glanbrin. Gibt's da auch welche, wo du herkommst?«

»Nein, tut mir leid, ich habe noch nie von einem Glanbrin gehört. Ich bin ein Kaninchen.«

»Also ich habe noch nie von einem Kaninchen gehört. Ich will dich mal beschnüffeln.«

El-ahrairah saß mucksmäuschenstill, als das Geschöpf, das sich pelzig anfühlte und etwa so groß schien wie er, ihn sorgfältig von Kopf bis Fuß beschnüffelte. Schließlich sagte es: »Also mir kommt's vor, als wärst du so ziemlich von derselben Sorte wie ich. Du bist kein Raubtier, und du hast offenkundig ein sehr starkes Gehör. Was frißt du?«

»Gras.«

»Gibt's hier nicht. Im Dunkeln wächst kein Gras. Wir fressen Wurzeln. Aber ich glaube, du und ich sind uns sehr ähnlich. Willst du auch mal bei mir schnüffeln?«

El-ahrairah tat so, als beschnüffelte er den Glanbrin von oben bis unten. Dabei stellte er fest, daß der keine Augen hatte oder, anders gesagt, das, was seine Augen hätten sein können, das war hart, klein und eingesunken, fast in seinem Kopf verloren. Dennoch dachte El-ahrairah: Also, wenn das keine Abart von Kaninchen ist, dann heiße ich Dachs. Laut sagte er:    »Ich glaube nicht, daß es viele Unterschiede zwischen uns gibt, außer daß ich eben ...« Er wollte gerade sagen »daß ich eben nicht riechen kann«, doch er beherrschte sich und endete mit »daß ich eben in dieser Dunkelheit völlig verwirrt und verloren bin.«

»Aber wenn deine Heimat ein Land im Licht ist, warum bist du dann hergekommen?«

»Ich will mit den Ilips reden.«

Er hörte, wie der Glanbrin erschreckt auffuhr. »Hast du gesagt, >mit den Ilips<?«

»Ja.«

»Aber niemand wagt sich in die Nähe der Ilips. Die murksen dich ab.«

»Warum sollten sie?«

»Zum einen sind das Fleischfresser, und zum anderen sind sie grausam und böse. Und von allen gefürchteten Kreaturen in diesem Land sind sie die wildesten. Sie beherrschen die Schwarze Magie und kennen schlimme Zaubersprüche. Warum willst du mit ihnen reden? Da kannst du genausogut gleich in den Schwarzen Fluß springen.«

Nun schien es El-ahrairah unumgänglich, dem Glanbrin mitzuteilen, warum er zum Land der Finsternis gekommen war und was er für sein Volk erreichen wollte. Der Glanbrin hörte ihm schweigend zu und sagte schließlich: »Immerhin bist du mutig und warmherzig, das muß ich dir lassen. Aber was du vorhast, ist unmöglich. Am besten kehrst du gleich um.«

»Kannst du mich zu den Ilips führen?« fragte El-ahrairah. »Ich bin jedenfalls entschlossen, dort hinzugehen.«

Nach längerem Hin und Her gab der Glanbrin endlich nach und willigte ein, El-ahrairah so nahe an die Ilips heranzuführen, wie er es wagen durfte. Es sei eine Zweitagereise, sagte er, durch ein fremdes Land, das er nicht kannte.

»Woher willst du dann die Richtung wissen, in die wir gehen müssen?« fragte El-ahrairah.

»Wir gehen natürlich dem Geruch nach. Das ganze Land stinkt nach den Ilips. Willst du etwa sagen, du kannst das überhaupt nicht riechen?«

»Nein«, sage El-ahrairah, »ich kann's wirklich nicht.«

»Also, jetzt weiß ich tatsächlich, daß du keinen Geruchssinn hast. An deiner Stelle wäre ich froh, ich würde das nicht ändern. Dann brauchst du jedenfalls nicht die Ilips zu riechen.«

Zusammen machten sie sich auf den Weg. Unterwegs erzählte der Glanbrin von den Sitten und Gebräuchen seines Volks, die sich, wie es El-ahrairah schien, nicht sehr von denen seiner Kaninchen unterschied.

»Ihr lebt offenbar so ähnlich wie wir«, sagte er. »Immer gesellig zusammen, meine ich. Wie kommt es, daß du allein warst, als du mich getroffen hast?«

»Das ist eine traurige Geschichte«, erwiderte der Glanbrin. »Ich hatte mir eine Gefährtin erkoren, ein wunderbares Weib. Sie hieß Flairgold, und jeder hat sie bewundert. Wir gruben uns gerade einen Bau und wollten einen Wurf aufziehen. Da kam ein Fremder daher, ein ungeschlachter großer Glanbrin namens Shindyke. Er wollte mit mir kämpfen, sagte er, und mir Flairgold wegnehmen. Wir kämpften, und er gewann. Ich bin einfach weggegangen. Das Herz tat mir weh. Tut's mir immer noch. Mein Leben ist zerstört. Ich weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll. Als ich dich getroffen habe, da bin ich einfach ziellos herumgewandert. Deswegen kann ich dir jetzt den Weg zeigen. Ich habe ja nichts anderes vor.«

El-ahrairah drückte ihm sein Mitgefühl aus. »Die Geschichte ist nur allzu bekannt«, sagte er. »Da, wo ich herkomme, da passiert's auch. Und es passiert dauernd. Du bist nicht der einzige, falls dich das tröstet.«

Der Glanbrin hatte »zwei Tage« gesagt, aber in diesem schrecklichen Land konnte El-ahrairah keine Tage zählen. Fortwährend stolperte er und verletzte sich, weil er weder riechen noch sehen konnte. Prellungen und Blutergüsse bedeckten seinen Leib. Der Glanbrin war sehr mitfühlend und geduldig, aber El-ahrairah merkte, wie sehr er wünschte, schneller voranzukommen. Er war spürbar nervös und wollte diese Reise so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Sie waren schon eine ganze Weile gegangen, viele Tage lang, wie es El-ahrairah schien, als der Glanbrin irgendwo haltmachte, wo Haufen von Steinen herumlagen. Wenigstens diese konnte El-ahrairah fühlen.

»Näher heran wage ich nicht zu gehen«, sagte der Glanbrin. »Jetzt mußt du deinen Weg allein machen. Benutze den Wind als Wegweiser, er bläst im allgemeinen ziemlich gleichmäßig in eine Richtung.«

»Und was hast du jetzt vor?« fragte El-ahrairah.

»Ich warte hier zwei Tage lang auf dich, für den Fall, daß du zurückkommst - was ich allerdings nicht glaube.«

»Doch, ich komme zurück«, meinte El-ahrairah. »Diese Steine werde ich wiederfinden, ob's dunkel ist oder nicht. So sag ich dir einstweilen >Auf Wiedersehen<, Freund Glanbrin.«

So brach er allein im Dunkeln auf, stets bedacht, stracks gegen den Wind zu marschieren. Doch es war schwierig, die Richtung beizubehalten, deshalb ging er langsam. Es war tatsächlich so, daß ihm diese Finsternis allmählich unerträglich wurde. Sie zermürbte ihn, und im Gegensatz zu dem, was er dem Glanbrin gesagt hatte, fragte er sich, ob er sie lange genug aushalten könnte, um noch die Kraft für den Heimweg zu haben. Da er nichts sah, stolperte er dauernd und fiel hin, und beim kleinsten Geräusch schrak er zusammen. Das war ziemlich schlimm, aber die Stille war noch schlimmer. Dieses Dunkel, so kam es ihm vor, war lebendig, und es haßte ihn; es veränderte sich nie, es schlief nie, und es sprach nie. Es brauchte lediglich darauf zu warten, daß er wahnsinnig würde, daß er zusammenbräche, aufgäbe und kapitulierte. Dann hätte er verloren, und die unerbittliche Dunkelheit hätte gewonnen.

Aber die Angst und die Unsicherheit waren nicht alles; hinzu kamen Hunger und Durst. Seit er in dieses schauerliche Land gekommen war, hatte er kein Gras mehr gefressen. Zwar war er nicht verhungert, das ist wahr, denn der Glanbrin hatte ein paar »Brüri«, wie er sie nannte, erschnüffelt und ausgegraben, eine Art wilder Rüben, von denen sich sein Volk hauptsächlich ernährte, wie er erklärte. Sie waren sehr saftig, löschten den Durst und stillten den Hunger. Aber ohne Glanbrin würde er nie welche finden können. Er betete zu Frith, er möge ihm Mut verleihen, hatte allerdings seine Zweifel, ob nicht sogar Frith, der Herr, dem Dunkel unterlegen wäre.