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Auskunft, wo er den König von Gestern antreffen könnte.

»Ich kann dich zu ihm bringen«, sagte das Geschöpf. »Bist du vielleicht zufällig ein englisches Kaninchen? Ja? Ja, ja, ich wußte schon, das mußte mal so kommen.«

»Und du?« fragte El-ahrairah.

»Ich bin ein Potoroo. Wir gehen hier entlang, runter zum Fluß. Der König ist jetzt vermutlich im großen Hinterhof.«

Zusammen gingen sie übers Feld und durch eine Lücke in der Hecke zum Ufer eines sehr stillen Flusses, der, wie es El-ahrairah vorkam, kaum floß. Sein Begleiter sprach ruhig zu einer Art Reiher mit braunem Gefieder und einem schwarzen Kopf, der im seichten Wasser watete. Der Vogel stolzierte auf sie zu und starrte gebannt auf El-ahrairah, dem diese Prüfung unangenehm war.

»Ein englisches Kaninchen«, erklärte der Potoroo. »Gerade angekommen. Ich bringe es zum König.«

Der Reiher sagte nichts dazu, sondern watete lustlos weiter. El-ahrairah und sein Begleiter folgten dem Uferpfad, der in ein dunkles Dickicht führte, in dem Eiben und Lorbeerbäume wuchsen, und dahinter standen ein paar alte Schuppen, die auf drei Seiten eine Art von Hinterhof begrenzten. Der Boden war hier festgetrampelt, und da lagen mehrere Tiere, die El-ahrairah alle unbekannt waren. Zwischen ihnen, in ihrer Mitte, stand ein großes gehörntes Tier, irgendwie einer Riesenkuh vergleichbar, jedoch einer, die zerzaust und ungepflegt war. Als sie den Hinterhof betraten, hob das Tier den schweren, bärtigen Kopf und kam langsam auf sie zu. El-ahrairah erschrak und wollte schon davonstürmen.

»Keine Angst«, sagte sein Begleiter. »Das ist der König. Der tut dir nichts.«

El-ahrairah lag bebend flach auf dem Bauch, als ihn das große Tier mit warmer Schnauze so lange beschnüffelte, bis er ganz naß war. Nach einer Weile äußerte es mit einer tiefen Stimme, aber nicht unfreundlich: »Steh bitte auf und sag, wer du bist!«

»Ich bin ein englisches Kaninchen, Euer Majestät.«

»Wie denn, so schnell sind sie schon dahingegangen?«

»Verzeihung, Euer Majestät, ich verstehe nicht.«

»Ist dein Volk nicht ausgestorben?«

»Ganz sicher nicht, Euer Majestät. Ich freue mich, sagen zu dürfen, wir sind sehr zahlreich. Ich habe eine lange und gefährliche Reise gemacht, um vor euch zu treten und eine große Gefälligkeit für mein Volk zu erbitten.«

»Aber das ist das Königreich von Gestern. Hast du das nicht gewußt, als du dich aufgemacht hast, hierher zu kommen?«

»Ich habe den Namen gehört, Euer Majestät, aber ich weiß nicht, was er bedeutet.«

»Jedes Geschöpf in meinem Königreich ist ausgestorben. Wie bist du überhaupt hergekommen, wenn du nicht ausgestorben bist?«

»Ein Ilip brachte mich auf seinem Rücken durch einen Wald der Finsternis. Die hat mich fast verrückt gemacht.«

Der König nickte mit seinem riesigen Kopf. »Verstehe. Ja. Anders hättest du gar nicht herkommen können. Und die Ilips haben dich nicht getötet? Du verfügst also über magische Kräfte?«

»Ja, gewissermaßen, Euer Majestät. Ich habe den Segen und den Schutz von Frith, unserem Herrn, und wie Ihr seht, trage ich einen Astralkragen. Darf ich mich erkühnen, Euch zu fragen, wer Ihr seid?«

»Ich bin ein Oregon-Bison. Ich regiere dieses Land, in dieses Amt eingesetzt von Frith, unserem Herrn. Als du ankamst, wollte ich mich gerade unter meinem Volk umsehen. Du darfst mitkommen.«

Sie schlenderten aus dem Hinterhof in die dahinter liegenden Felder, in denen sich Hunderte von Tieren unterschiedlicher Art tummelten. Vögel flogen über sie hinweg. El-ahrairah fand den Ort ziemlich düster und niederdrückend, aber natürlich sagte er dem König nichts dergleichen. Er hielt inne, um einen Vogel mit schwarzgetüpfeltem Rumpf, leuchtend roten Flügeln und Wangen und rotem Schwanz zu bewundern - anscheinend eine Art Specht -, der einen Baumstumpf in ihrer Nähe bearbeitete. Er fragte nach seinem Namen.

»Ein Guadeloupe-Goldspecht«, sagte der König. »Wir haben viel zu viele Spechte hier, mir wäre lieber, wir hätten nicht so viele.«

Als sie weitergingen, tauchten immer mehr Tiere und Vögel auf; viele von ihnen sprachen den König an und erkundigten sich nach El-ahrairah. Er sah verschiedene Arten von Löwen und Tigern und ein jaguarähnliches Tier, das seinen Kopf an einem Bein des Königs rieb und sie eine Strecke begleitete.

»Habt Ihr Kaninchen hier?« fragte El-ahrairah.

»Kein einziges«, antwortete der König. »Noch nicht.«

Das erfreute El-ahrairah zutiefst, und er triumphierte innerlich sogar, denn er erinnerte sich an das Versprechen von Frith, dem Herrn, vor langer Zeit, daß er und sein Volk, wiewohl von tausend Feinden umgeben, dennoch nie ausgelöscht würden. Und er erzählte dem König alles darüber.

»Es ist ausschließlich auf Menschenwesen zurückzuführen, daß jeder einzelne meiner Untertanen vernichtet worden ist«, teilte ihm der König mit, als sie stehenblieben, um einen großartigen Grizzly zu bewundern, dessen hellbraunes Pelzkleid mit silbernen Glanzlichtern geschmückt war, und sie sprachen kurz mit ihm.

»Einige, wie meinen mexikanischen Freund hier, haben die Menschen ganz vorsätzlich geschossen, in Fallen gefangen und mit Gift aus dieser Welt befördert; aber viele andere verschwanden, weil die Menschen ihren natürlichen Lebensraum zerstört haben und sie sich nicht mehr an andere Bedingungen gewöhnen konnten.«

Sie kamen zu einem Wald mit hohen Bäumen, deren Kronen, durch Schlingpflanzen miteinander verfilzt, einen großen Teil des Himmels ausschlossen. El-ahrairah war unruhig, sein Bedarf an Wäldern war im Augenblick gedeckt. Der König schien allerdings darauf versessen zu sein, die Vögel im Außenrevier zu beobachten. Wunderhübsche Exemplare waren darunter:    Finken, Zuckervögel, dunkel gefiederte Molokais, Aras und viele andere, die friedlich zusammenlebten und dem König ihre Ergebenheit erwiesen.

»Dieser Wald«, sagte der König, »ist riesig, und er wächst täglich. Gingest du hinein, so würdest du dich alsbald verirren und nie mehr herausfinden. Er besteht aus all den Wäldern, die durch Menschenhand zerstört worden sind. In den letzten Jahren ist er so schnell gewachsen, daß Frith der Herr mir gesagt hat, er gedenke einen zweiten König zu ernennen, der darüber herrscht.« Er lächelte. »Ein König, der vielleicht selber ein Baum ist, El-ahrairah. Wie denkst du darüber?«

»Ich denke mir, daß Frith der Herr in allem, was er tut, dank seiner Weisheit gerechtfertigt ist, Euer Majestät.«

Der König lachte. »Eine sehr gute Antwort. Komm, wir schlendern jetzt zurück. Da ist eine Versammlung bei Sonnenuntergang, und da kannst du mich um die Gefälligkeit für dein Volk bitten. Ich verspreche, dir zu helfen, wenn ich kann.«

Sie gingen den Fluß entlang, und der König zeigte El-ahrairah verschiedene Fische darin - Neuseeland-Äschen, Dickschwanzaitel, Schwarzflossenmaränen und andere Fische, die alle ausgestorben waren. Im Hinterhof strömten die Tiere schon zusammen, und als die Sonne unterging, eröffnete der König die Versammlung.

Er fing damit an, daß er El-ahrairah vorstellte und verkündete, daß er an den Hof von Gestern gekommen sei, um hier einen Gefallen zum Nutzen der Kaninchen zu erbitten, deren Häuptling er sei.

Dann erteilte er El-ahrairah selbst das Wort, damit er inmitten aller Anwesenden    persönlich    sein    Anliegen vortragen konnte.

El-ahrairah erzählte ihnen von seinem Volk, von dessen Lebenskraft, Lauftempo und    Intelligenz, dem  nur eine Fähigkeit fehlte, um mit allen anderen Tieren konkurrieren zu können, nämlich die Fähigkeit zu riechen. Als er fertig gesprochen hatte, spürte er schon, daß alle Tiere auf seiner Seite waren, begierig, ihm zu helfen.

Darauf sprach der König. »Mein lieber Freund«, sagte er, »mein tapferes und hochgeschätztes Kaninchen, mit welcher Freude würde ich dir deine Bitte erfüllen. Jedoch - wir sind in diesem Königreich leider nicht mehr die Hüter des Geruchssinns. Wahr ist's, daß die Ilips ihn uns vor Jahren anvertraut haben, aber hier in unserem Land von Gestern konnten wir nie Gebrauch davon machen. Eines Tages kam dann eine Gazelle als Emissär des Königs von Morgen zu uns und bat uns in seinem Namen, ihnen den Geruchssinn zu leihen. Natürlich gäben sie ihn bald zurück, versprach die Gazelle. Also überließen wir ihr den Geruchssinn für ihren König. Aber du weißt ja, wie das mit ausgeliehenen Sachen ist; sie werden nicht zurückgegeben. Da wir hier aber nichts damit anfangen konnten, haben wir das einfach vergessen, und die andern vermutlich auch. Dieser Sinn muß also noch am Hof des Königs von Morgen sein, und ich kann dir nur empfehlen, mein Freund, ihn dort zu suchen. Es tut mir sehr leid, daß ich dich enttäuschen muß.«