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»Ist es weit?« fragte El-ahrairah und dachte, wenn ihn noch jemand irgendwo anders hin verwiese, dann würde er vor lauter Frust platzen. Doch er hatte keine andere Wahl.

»Es ist leider ziemlich weit«, antwortete der König. »Für ein Kaninchen ist das eine Reise von vielen Tagen. Und gefährlich ist sie auch.«

»Euer Majestät«, rief ein scheckiger grauer Wolf mit schwerer Schnauze. »Ich trage ihn auf meinem Rücken dorthin. Für mich ist das ja keine Entfernung.«

El-ahrairah nahm das Angebot freudig an, und in derselben Nacht brachen sie zusammen auf, denn der Kenai-Wolf teilte ihm mit, daß er lieber bei Nacht reiste und tagsüber schlief.

Die Reise dauerte drei Nächte; es war ein weiter Weg, aber wegen der alles einhüllenden Dunkelheit sah El-ahrairah so gut wie nichts von den Ländern, durch die sie kamen. Der Wolf erzählte ihm, daß sein Volk einst zu den größten aller Wölfe gehört hatte. Es hatte in einem fernen, bitter kalten Land namens Kenai-Halbinsel gelebt, wo seine Wölfe eine Art von Riesenhirsch jagten, den man »Elch« nannte. »Aber die Menschen haben alle von uns ausgerottet«, sagte er.

Als am Ende der dritten Nacht die Morgendämmerung anbrach, setzte der Wolf El-ahrairah sanft ab und sagte: »Ich kann dich nicht weiter tragen, mein Freund. Ich bin ausgestorben, verstehst du, da kann ich nicht gut in das Land von Morgen gehen. Du mußt dich von hier aus zum Hof des Königs durchfragen. Viel Glück! Ich hoffe, daß alles gutgeht und daß sie dir geben, was du so tapfer suchst.«

So betrat also El-ahrairah das Land von Morgen und fragte sofort herum, wie man zum Hof des Königs kommt. Er fragte Waschbären, Backenhörnchen, Erdferkel und viele andere. Sie waren alle freundlich und hilfreich, und infolgedessen war die Reise angenehm. Schließlich hörte er eines Morgens in der Ferne einen ohrenbetäubenden Krach, als hieben alle Tiere der Welt aufeinander ein.

»Was hat der Lärm zu bedeuten?« fragte er einen Koalabären, der im nächstgelegenen Baum saß.

»Das da, Kumpel? Ach, das ist nur so eine Versammlung am Königshof«, antwortete der Koala. »Lautstarke Bande, was? Wirst dich aber schnell dran gewöhnen. Ein paar von denen spinnen, aber die sind fast alle ziemlich harmlos.«

El-ahrairah ging weiter, bis er an zwei große, mit Ornamenten geschmückten Tore kam, die in einer Hecke von weißblühenden Pflaumenbäumen mit kupferfarbenen Blättern standen. Als er durch die Tore auf den dahinterliegenden Garten spähte, kam ein Pfau mit voll aufgestelltem Rad heran und fragte nach seinem Begehr. El-ahrairah erwiderte, er habe eine lange und gefahrvolle Reise hinter sich und wolle um eine Audienz beim König nachsuchen.

»Ich lasse dich gern ein«, sagte der Pfau, »aber es wird dir schwerfallen, in die Nähe des Königs zu kommen und mit ihm zu reden. Denn da sind Tausende, die dasselbe wollen. Der König hält täglich eine Versammlung ab, und die heutige wird gleich anfangen. Na, geh mal rein und versuche dein Glück.« Damit ließ er ein Tor aufschwingen.

Im Garten war El-ahrairah alsbald in der Menge eingezwängt: Tiere aller Art, Säugetiere, Vögel, Reptilien, schwatzten durcheinander, und alle waren von dem Wunsch beseelt, den König zu sprechen. Der Mut verließ ihn, denn er konnte sich nicht vorstellen, wie er im Wettstreit mit so vielen Mitbewerbern überhaupt zum König gelangen könnte. Aber er bahnte sich durch die Menge hindurch einen Weg auf die andere Seite, so gut es ging.

Dort befand er sich auf einer länglichen Wiese, die sich sanft zu einem flachen Rasen herabsenkte. Ein paar Tiere hatten sich schon am Hang gesammelt, und El-ahrairah fragte einen vorbeikommenden Luchs, was sich hier abspielen würde.

»Na, der König kommt doch gleich«, antwortete der Luchs, »um sich die Anliegen der Tiere anzuhören.«

»Werden viele Antragsteller da sein?« fragte El-ahrairah.

»Es sind immer viele da«, erwiderte der Luchs. »Mehr als der König an einem Tag anhören kann. Es gibt Tiere, die kommen schon seit Tagen her und sind immer noch nicht angehört worden.«

Die Menge am Hang vergrößerte sich schnell. Als El-ahrairah die vielen Tiere sah, verlor er den Mut. Bei so vielen Mitbewerbern, dachte er, käme er wohl nie dazu, den König zu sprechen. Es sei denn, es fiele ihm irgendeine List ein. Er zermarterte sein Gehirn. Eine List brauchte er, eine Kaninchenlist! O Frith, mein Herr, eine Kaninchenlist bitte!

Plötzlich fiel ihm oben am Hang, gar nicht weit weg, ein ovales Zierbecken ins Auge, das etwa zweimal so lang war wie er; es stand auf einem steinernen Sockel und ragte etwas über das Gras ringsum heraus. Er kletterte zu dem Becken. Es war voll, aber nicht voller Wasser, sondern mit einer glitzernden Silberflüssigkeit angefüllt, die er noch nie gesehen hatte und die auch nicht, wie Wasser, durchsichtig war. Die glatte Oberfläche spiegelte das Sonnenlicht und die vorüberkommenden Tiere wieder.

»Wozu dient das?« fragte er ein anderes Geschöpf in der Nähe, das anscheinend auch eine Art von Katze war.

»Zu gar nichts«, schnauzte das Tier abweisend. »Das Zeug heißt Quecksilber. Der König erhielt es vor einiger Zeit als Geschenk und hat es hier aufgestellt, damit jeder es bewundern kann.«

Dies hörend, bewegte sich El-ahrairah schnell wie ein Blitz. Er stellte die Vorderpfoten auf den Beckenrand, zog sich hinauf und sprang in das Silber, das sich übrigens auch nicht wie Wasser verhielt; es war dicker, und es trug ihn. Sosehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, unter die Oberfläche zu tauchen. Er wälzte sich strampelnd herum. Jetzt standen viele Tiere um das Becken. »Wer is 'n das?« -»Was denkt der Kerl sich eigentlich?« - »Holt ihn raus, der hat da drinnen nichts zu suchen.« - »Ach so, eines von diesen dämlichen Kaninchen.« - »Komm raus, du!«

El-ahrairah krabbelte mit einiger Schwierigkeit aus dem Becken. Das Zeug hatte ihn nicht durchnäßt, sondern sich tröpfchenweise überall in seinem Fell festgesetzt; wenn er sich bewegte, schüttelte er es ab. Einige Tiere wollten ihn zurückhalten, aber er riß sich los, drehte sich um und stürmte zum Fuß des Hangs, wo er sich vor der Menge niedersetzte, gerade als der König mit drei oder vier Begleitern von der Seite hinzutrat und seine Untertanen in Augenschein nahm.

Er war ein herrlicher Hirsch. Sein glattes Fell glänzte in der Sonne wie das eines gestriegelten Pferdes. Auch seine schwarzen Hufe glänzten, und er trug sein gewaltig verästeltes Geweih mit solcher Würde und Hoheit, daß die ganze plappernde Versammlung auf der Stelle verstummte. Er schritt zur Mitte des Rasens, drehte sich um und ließ seinen gütigen Blick langsam über die Menge seiner Untertanen schweifen.

Als er jedoch El-ahrairah in seiner Silberaura wahrnahm, kaum sechs Hirschlängen von ihm entfernt, starrte er ihn an, über die Maßen verblüfft.

»Was bist du denn für eine Art Tier?« fragte er mit einer tiefen, wohlklingenden Stimme; es war die Stimme eines, der es nie eilig hat und an sofortigen Gehorsam gewöhnt ist.