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»Ich bin ein englisches Kaninchen, Euer Majestät«, antwortete El-ahrairah, »und bin von weither gekommen, um an Eure königliche Gnade zu appellieren.«

»Tritt vor«, sagte der König.

El-ahrairah trat vor und setzte sich nach Kaninchenart Männchenmachend vor die glänzenden Vorderhufe des Königs.

»Was ist dein Begehr?« fragte der König.

»Ich bin hier, um für mein Volk zu bitten, Euer Majestät. Meine Leute haben keinen Geruchssinn, überhaupt keinen, und dieser Mangel behindert sie nicht nur ganz wesentlich bei der Futtersuche und der allgemeinen Orientierung, sondern gibt sie ihren Feinden preis, den Raubtieren, die sie ja nicht riechen können, wenn sie sich anpirschen. Ich bitte Euch, edelmütiger König, um Hilfe. Bitte helft uns.«

Alles schwieg. Der König wandte sich an einen seines Gefolges.

»Habe ich denn diese Macht?«

»Jawohl, Euer Majestät.«

»Habe ich je davon Gebrauch gemacht?«

»Noch nie, Euer Majestät.«

Der König schien nachzudenken. Er sprach leise zu sich selbst.

»Aber das hieße ja, sich die Macht von Frith, unserem Herrn, anzumaßen, wenn man einer ganzen Tierart eine ihre fehlende Fähigkeit verleiht.«

Plötzlich rief El-ahrairah laut dem König zu: »Euer Majestät, gebt uns diesen Sinn, bitte, und ich verspreche Euch und jeder hier versammelten Kreatur, daß mein Volk für die menschliche Rasse die größte Plage der Welt sein wird. Wo immer wir sind, werden wir die Menschen drangsalieren und ihnen Ärger machen. Wir werden ihr Gemüse vernichten, ihre Zäune untergraben, ihre Ernten zerstören und sie Tag und Nacht peinigen.«

Darauf brachen alle Geschöpfe der Versammlung in lauten Jubel aus. Jemand brüllte: »Gebt ihm, was er will, Euer Majestät. Laßt sein Volk zum schlimmsten Feind der Menschen werden, so wie die Menschen unsere schlimmsten Feinde sind.«

Das Getöse dauerte noch eine Weile, bis der König schließlich gebieterisch in die Rund blickte und alles verstummte. Dann beugte er seinen herrlichen Kopf hinab und drückte sein Maul in El-ahrairahs Fell. Das gewaltige Geweih schien den Fürsten der Kaninchen einzuhegen wie eine unüberwindbare Palisade.

»So sei es also«, sagte er. »Bring deinem Volk meinen Segen und den Sinn des Geruchs, auf daß er ihnen auf ewig diene.«

Und auf der Stelle konnte El-ahrairah selber riechen: das feuchte Gras, die Masse der Versammlung und des Königs warmen Atem. Er war so überwältigt vor Freude und Dankbarkeit, daß er kaum Worte fand, um dem König zu danken. Alle Tiere klatschten und jubelten und wünschten ihm Glück.

Ein goldener Adler trug ihn nach Hause. Als er ihn auf seiner eigenen Wiese absetzte, sah er als erste Rabscuttle und einige Mitglieder seiner treuen Owsla. »Es ist dir also gelungen, du hast es fertiggebracht!« riefen sie und umringten ihn. »Wir können alle riechen. Wir alle!«

»Jetzt komm, Meister«, sagte Rabscuttle. »Du hast bestimmt Hunger. Riechst du diese wunderbaren Kohlköpfe da drüben im Küchenbeet? Du mußt uns helfen, sie aus der Welt zu schaffen. Ich habe schon einen Tunnel unter den Zaun gegraben.«

Und ihr alle, die ihr meine Geschichte gehört habt, ihr wißt in Zukunft, wenn ihr Flayrah von den Menschen stehlt, dann stopft ihr euch nicht nur die Bäuche damit voll, sondern erfüllt ein feierliches Versprechen, das El-ahrairah dem König von Morgen gegeben hat, und das sollten alle braven Kaninchen tun.

2. Die Geschichte von den Drei Kühen

Kühe sind meine Leidenschaft.

Charles Dickens (Dombey & Son)

»Das ist Unsinn, was du da sagst, Fiver«, sagte Bigwig.

Sie saßen eines regnerischen, kühlen Nachmittags im Frühsommer in ihrem Wabenbau, zusammen mit Vilthuril und Hyzenthlay. »Natürlich altert El-ahrairah mit der Zeit wie wir alle. Wie jedes Kaninchen. Sonst existierte er nicht wirklich.«

»Nein, das stimmt nicht«, entgegnete Fiver. »Er altert nie.«

»Bist du ihm je begegnet? Hast du ihn je gesehen?«

»Nein, und das weißt du doch.«

»Wer waren seine Eltern?«

»Das wird uns nicht mitgeteilt. Aber die Legende sagt, wie du weißt, daß ganz am Anfang, als Frith der Herr die Tiere schuf, die Tiere sich alle untereinander vertrugen und daß damals schon El-ahrairah bei ihnen war. Es ist also ganz klar, daß er nicht älter wird - oder jedenfalls nicht so wie wir.«

»Und trotzdem glaube ich, daß er älter wird, älter werden muß.«

Die Auseinandersetzung wurde vorübergehend unterbrochen. Aber am selben Abend, als noch mehr Kaninchen im Wabenbau saßen, nahm Bigwig den Fall wieder auf.

»Wenn er nicht älter wird, wie kann er dann ein wirkliches Kaninchen sein?«

»Da gibt's eine Geschichte, wenn ich mich nicht täusche«, sagte Fiver. »Im Moment kann ich mich allerdings nicht mehr daran erinnern. Gibt's da nicht eine Geschichte, Dandelion?«

»Ach, die mit El-ahrairah und den Drei Kühen?«

»Mit den drei Kühen?« fragte Bigwig. »Was haben denn in Friths Namen drei Kühe damit zu tun? Da stimmt was nicht.«

»Also, ich kann euch die Geschichte erzählen«, sagte Dandelion, »so wie man sie mir erzählt hat. Oh, das ist schon lange her, lange bevor wir hierher kamen. Aber ich kann nichts hinzufügen, und ich kann sie auch nicht erklären. Ihr müßt sie euch einfach anhören, die ganze Geschichte, und euch selber ein Bild machen, und das ist alles, was ich tun kann.«

»In Ordnung«, sagte Bigwig. »Wir werden sie uns anhören. Drei Kühe - na, so was!«

Man erzählt sich - begann Dandelion -, daß El-ahrairah vor langer Zeit eine Weile auf unseren Downs wohnte. Er lebte wie wir, fröhlich und unbeschwert, fraß Gras und machte gelegentlich Ausflüge zum Anwesen des großen Hauses ganz hinten, um flayrah zu stehlen. Seine Glückseligkeit hätte die Zeit überdauert, wenn er sich nicht ganz allmählich einer inneren Veränderung bewußt geworden wäre. Er wußte sehr gut, was das bedeutete. Er wurde langsam alt und älter. Er merkte das hauptsächlich daran, daß sein vorzügliches Gehör schwächer wurde und eine gewisse Steifheit sich in seinen Vorderpfoten bemerkbar machte.

Eines Morgens, als er außerhalb des Baus im Tau frühstückte, sah er eine Goldammer in den nahen Dornbüschen und Wacholderbäumen herumspringen. Nach einiger Zeit begriff er, daß der kleine Vogel mit ihm sprechen wollte, aber aus reiner Schüchternheit nur hin und her zu schwirren wagte. Nach einer Ewigkeit, wie es ihm schien, sang der Vogel endlich deutlich und verständlich:

El-ahrairah würde dem Altem entrinnen, würde er Witz und Kühnheit gewinnen.

»Moment mal, kleiner Vogel«, sagte El-ahrairah. »Was meinst du damit, und was meinst du, daß ich tun soll?«

Aber der kleine Vogel sang nur abermals:

El-ahrairah würde dem Altem entrinnen, würde er Witz und Kühnheit gewinnen.

Er flog davon und ließ El-ahrairah nachdenklich zurück.

Kühn war er ja, wie es ihm schien, aber wonach sollte er Ausschau halten, und welche Aufgabe war ihm gestellt, die seinen Witz und seine Kühnheit erforderte? Schließlich machte er sich auf, um das herauszufinden.

Er befragte Vögel und Insekten, Frösche und sogar die gelbbraunen Raupen auf dem Kreuzkraut, aber niemand konnte ihm verraten, wie er es anstellen sollte, um dem Altern zu entrinnen. Nach tagelangen Wanderungen traf er einen alten knurrigen knorrigen Hasen, der in einem Streifen hohen Grases kauerte. Der alte Hase starrte ihn schweigend an, und El-ahrairah brauchte eine Weile, um all seinen Mut zusammenzunehmen und seine Frage zu stellen.