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Jenseits der Plantagengrenze hatte Georg eine sandige, trockene Stelle bemerkt, die im Schatten einiger Bäume lag; dort schaufelten sie das Grab.

»Sollen wir den Mantel abnehmen, gnädiger Herr?« fragten die Neger, als das Grab fertig war.

»Nein, nein; begrabt ihn darin. Es ist alles, was ich dir mitgeben kann, armer Tom, und das sollst du haben.«

Sie legten ihn hinein; und die Leute schichteten schweigend den Hügel auf. Sie klopften ihn fest und legten grünen Rasen darüber.

»Jetzt könnt ihr gehen, Burschen«, sagte Georg und drückte jedem ein Geldstück in die Hand. Sie aber zögerten noch.

»Wenn der junge Herr uns vielleicht kaufen würde«, sagte der eine.

»Wir würden ihm getreulich dienen!« setzte der andere hinzu.

»Hier sind harte Zeiten, Herr!« sagte der erste. »Ach, gnädiger Herr, bitte kauft uns doch!«

»Ich kann nicht! — Ich kann nicht!« erwiderte Georg gepreßt und winkte ihnen ab, »es ist unmöglich!« Niedergeschlagen blickten die armen Burschen zu Boden und gingen schweigend zurück.

»Du bist mein Zeuge, ewiger Gott«, betete Georg und kniete am Grabe seines armen Freundes nieder, »oh, sei mein Zeuge, daß ich von dieser Stunde an alles tun will, was ein Mann vermag, um mein Land vom Fluch der Sklaverei zu befreien!«

41. Kapitel

Eine wahre Gespenstergeschichte

Nicht ohne Grund liefen zu dieser Zeit unter Legrees Hauspersonal Gespenstergeschichten um.

Flüsternd teilte man sich mit, daß in der Totenstille der Nacht Schritte auf der Treppe zum Boden zu hören seien, die durch das Haus patrouillierten. Vergeblich hatte man die obere Flurtür zugeriegelt; entweder hatte das Gespenst einen zweiten Schlüssel in der Tasche oder machte von dem uralten Vorrecht der Geister Gebrauch und schlüpfte durch das Schlüsselloch, um nach wie vor mit einer Ungeniertheit überall umherzuwandeln, die in der Tat beunruhigend war.

Legree konnte dieses Gemunkel nicht überhören; je mehr man bemüht war, es ihm zu verbergen, desto mehr regte es ihn auf. Er trank mehr Schnaps als gewöhnlich, hielt seinen Kopf dreist in die Höhe und fluchte während des Tages lauter denn je; aber er hatte schlechte Träume und die nächtlichen Geräusche im Haus waren alles andere als angenehm. Am Abend des Tages, an dem Toms Leichnam fortgetragen worden war, ritt er zu einem Zechgelage in der nächsten Stadt und feierte dort unmäßig. Spät und müde heimgekommen, verschloß er seine Tür, zog den Schlüssel ab und stellte einen Stuhl davor; er setzte eine Nachtlampe an das Kopfende seines Bettes und legte seine Pistole dazu. Er prüfte die Riegel und Schlösser der Fenster, schwor sich selber >Der Teufel und alle Engel sollten ihn nicht kümmern< und schlief ein.

Nun, ja, er schlief, denn er war müde — er schlief fest. Aber schließlich fiel ein Schatten auf seinen Schlaf — ein Entsetzen — die Gewißheit, daß etwas Schreckliches über ihm lag. Er dachte, es sei das Leichentuch seiner Mutter, aber dann war es Cassy, die es hochhielt und ihm zeigte. Er hörte einen wirren Lärm von Ächzen, stöhnenden Stimmen, und fortgesetzt wußte er, daß er schlief, und mit sich kämpfte, um aufzustehen. Jetzt war er hell wach. Da wußte er, daß etwas in seine Stube kam. Er wußte, daß die Tür sich öffnete, aber er konnte weder Hand noch Fuß bewegen. Schließlich fuhr er erschrocken herum; die Tür war offen, und er sah, wie eine Hand die Lampe löschte.

In dem wolkigen, unsichern Mondlicht, da sah er es! — Etwas Weißes, das hereinglitt! Er hörte das leise Rascheln der Gespensterkleider. An seinem Bett hielt es inne: eine kalte Hand berührte ihn, und eine Stimme sagte dreimal in leisem, grausigem Flüsterton: »Komm! Komm! Komm!« Der Angstschweiß brach ihm aus, er wußte nicht, wann und wie es verschwunden war. Er sprang aus dem Bett und zog an der Tür. Sie war verschlossen und verriegelt, da schlug der Mann besinnungslos zu Boden.

Seitdem trank Legree stärker als vorher. Er trank nicht länger mit Maß und Sinn, jetzt trank er unmäßig und sinnlos.

Kurz darauf ging ein Gerücht im Lande um, daß er krank sei und im Sterben liege. Seine Ausschweifungen hatten zu jener furchtbaren Krankheit geführt, welche die finsteren Schatten einer kommenden Vergeltung schon auf dieses Leben wirft. Niemand konnte die Schrecken seiner Krankenstube ertragen, wenn er tobte und schrie und von Geschichten sprach, bei denen allen, die ihn hörten, das Blut in den Adern gefror; noch an seinem Sterbebett stand eine unbewegliche, weiße, unerklärliche Gestalt und sagte: »Komm! Komm! Komm!«

Durch einen merkwürdigen Zufall stand nach derselben Nacht, in der Legree diese Vision erschien, am Morgen die Haustür offen, und einige Neger hatten gesehen, wie zwei Gestalten die Allee zur Landstraße hinunterschwebten.

Es war fast Sonnenaufgang, als Cassy und Emmeline für einen Augenblick in einem kleinen Wäldchen nahe der Stadt rasteten.

Cassy war nach Art der spanischen Kreolinnen ganz in Schwarz gekleidet. Ein kleines, schwarzes Häubchen auf dem Kopf, von einem reich gestickten Schleier bedeckt, verhüllte ihr Gesicht. Sie waren übereingekommen, daß sie auf ihrer gemeinsamen Flucht die Rolle einer kreolischen Dame und Emmeline die einer Zofe spielen sollten.

Da sie von früher Jugend an in der höchsten Gesellschaftsklasse aufgewachsen war, stand Cassys Benehmen, ihre Sprache und ihre Haltung völlig mit dieser Vorstellung im Einklang; sie besaß noch immer genug von ihrer einst so glänzenden Garderobe und ihrem Schmuck, um in dieser Verkleidung eine vorzügliche Figur zu machen.

Am Rande der Stadt hielten sie an, wo in einem Laden Koffer zum Verkauf auslagen, von denen sie einen stattlichen erstanden. Begleitet von einem Burschen mit dem Gepäckstück und Emme–line, die ihr die gestickte Reisetasche und verschiedene Bündel trug, hielt sie ihren Einzug in dem kleinen Gasthof, ganz wie eine Dame von Stand.

Die erste Person, die ihr nach ihrer Ankunft auffiel, war Georg Shelby, der dort den nächsten Dampfer erwartete.

Durch das Astloch ihres Speichers hatte Cassy den jungen Mann bereits bemerkt und gesehen, wie er Toms Leichnam hinwegtragen ließ, und mit geheimer Genugtuung hatte sie seine Begegnung mit Legree verfolgt. Infolgedessen hatte sie aus den Gesprächen der Neger, die sie während ihrer nächtlichen Gespenstergänge belauschte, sich ein Bild machen können, wer er war und in welcher Beziehung er zu Tom stand. Sie fühlte sich daher vertrauensvoll zu ihm hingezogen, als sie entdeckte, daß er gleichfalls beabsichtigte, den nächsten Dampfer zu benutzen.

Cassys ganzes Auftreten, ihre offensichtlich sehr guten finanziellen Verhältnisse ließen über ihre Person keinerlei Verdacht in dem Hotel aufkommen. Man pflegte sich niemals so eingehend mit Personen zu beschäftigen, die gut zahlten — ein Umstand, den Cassy vorausgesehen hatte, als sie damals genügend Geld zu sich steckte.

Vor Anbruch der Nacht hörte man einen Dampfer anlegen, und Georg Shelby war Cassy beim Einsteigen mit jener Höflichkeit behilflich, die jedem Kentuckier selbstverständlich ist; er bemühte sich sogleich, ihr eine gute Kabine zu besorgen.

Solange sie auf dem Red River waren, beschränkte sich Cassy unter dem Vorwand der Kränklichkeit auf ihr Bett und ihre Kabine, ihre Zofe bediente sie mit allen Zeichen sichtbarer Hingabe.

Als sie dann den Mississippi erreichten und Georg erfuhr, daß die fremde Dame gleichfalls stromaufwärts reiste, erbot er sich, auf dem Dampfer, den auch er benutzte, ihr wiederum eine gute Kabine reservieren zu lassen, gutherzig ihre schwache Gesundheit bedauernd, und gern gewillt, ihr in allem behilflich zu sein.