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»Schert euch!« rief die Mutter und drängte die wolligen Köpfe zur Seite. »Ihr klebt ja alle zusammen, und ich kriege euch nicht mehr auseinander. Marsch, geht an den Brunnen und wascht euch!« Bei diesem Gebot verabfolgte sie jedem einen Klaps, der gefährlich klang, den Kindern aber nur ein neues Gelächter entlockte. Einer über dem anderen purzelten sie aus der Tür, wo sie vor Übermut hell aufkreischten.

»Hat man je so eine Bande gesehen«, seufzte Tante Chloe wohlgefällig und kramte ein altes Handtuch hervor, das zu diesen Zwecken diente, goß ein wenig Wasser aus dem alten wackeligen Teekessel und säuberte Babys Hände und Füße von den Sirupspuren. Blank geputzt und schwarz poliert setzte sie die Kleine auf Toms Knie und räumte den Tisch ab. Das Baby benutzte die Zeit, um Tom an der Nase zu ziehen, sein Gesicht zu kratzen und die Händchen in seinem wolligen Haar zu vergraben, was ihm offensichtlich großes Vergnügen bereitete.

»Ist sie nicht eine gelungene Person?« sagte Tom, hielt Polly in Armeslänge von sich und betrachtete sie. Dann stand er auf, setzte sie auf seine breite Schulter und sprang und tanzte mit ihr, während Georg ihr mit seinem Taschentuch zuwinkte und Mose und Peter, die zurückgekommen waren, ein wahres Löwengebrüll anstimmten, bis Tante Chloe erklärte, dieser Krach brächte sie noch um den Verstand. Da er aber nach ihrer eigenen Erklärung zum täglichen Programm gehörte, machte ihre Drohung der Heiterkeit kein Ende, sie verebbte erst, als jeder nach Herzenslust geschrien, getanzt und getobt hatte.

»Na, nun habt ihr euch hoffentlich beruhigt«, sagte Tante Chloe, geschäftig ein ungefügtes Rollbett hervorziehend. »Hier, Mose und Peter, ihr verschwindet, denn wir haben jetzt die Abendandacht.«

»Ach, Mutter, wir haben keine Lust, wir wollen dabei sein, bei der Andacht. Da ist es immer so komisch, wir haben das so gern.«

»Ach, Tante Chloe, laß sie aufbleiben, schieb das Bett weg«, sagte Georg, dem Ding einen Tritt versetzend.

Tante Chloe hatte nur das Ansehen wahren wollen, nun war sie allzu bereit, das Bett wieder zusammenzuschieben, wobei sie bemerkte: »Die Andacht wird ihnen heilsam sein.«

Die ganze Familie beriet sich nun, welche Vorkehrungen zur Andacht zu treffen seien.

»Wie es ohne Stühle gehen soll, ist mir schleierhaft«, erklärte Tante Chloe. Da die Andacht aber schon seit undenklichen Zeiten bei Onkel Tom stattfand, konnte man hoffen, auch diesmal dieser Schwierigkeit Herr zu werden.

»Der alte Onkel Peter hat das letztemal den besten Stuhl beim Singen um seine zwei Beine gebracht«, erinnerte Mose.

»Du halt den Mund, ich wette, du hast sie rausgezogen, das sähe dir ähnlich«, entrüstete sich Tante Chloe.

»Ach, er steht ja, wenn man ihn fest gegen die Wand lehnt«, sagte Mose.

»Dann darf Onkel Peter nicht darauf sitzen, er rutscht immer beim Singen, neulich ist er durch die ganze Küche gerutscht, als er sang«, sagte Peter.

»Au fein, dann muß er gerade darauf sitzen«, rief Mose, »wenn er dann anfängt - >Kommt Heilige und Sünder, kommt herbei< -, pardautz, liegt er unten.« Bei diesen Worten ahmte Mose die nasalen Laute des alten Mannes getreulich nach und ließ sich zu Boden fallen, um die geschilderte Katastrophe deutlich zu machen.

»Jetzt hör aber auf«, rief Tante Chloe, »schämst du dich denn gar nicht?«

Georg aber stimmte herzlich in das Lachen des Sünders ein und erklärte, er sei ein Tausendsassa. Damit verfehlte die mütterliche Entrüstung ihre Wirkung.

»Na, Alter«, sagte Tante Chloe, »dann roll nur deine Fässer herein.«

»Mutters Fässer sind wie die Fässer der Witwe, von denen der junge Herr neulich vorlas, sie sind immer sicher«, flüsterte Mose seinem Bruder zu.

»Ich weiß noch, eins brach das letztemal zusammen, und alle sind beim Singen hingestürzt, nennst du das sicher?« Während dieser Seitenbemerkung hatte man zwei leere Fässer hereingerollt, mit Steinen auf jeder Seite am Weiterrollen gehindert und Bretter darüber gelegt, dann stürzte man etliche Wannen und Eimer um, richtete die wackeligen Stühle her und hatte damit alle Vorbereitungen beendet.

»Der junge Herr kann so schön vorlesen, vielleicht bleibt er noch und liest uns das Evangelium. Es klingt dann gleich so viel interessanter«, sagte Tante Chloe. Georg stimmte bereitwillig zu; Jungens sind immer zu allem bereit, was ihnen eine gewisse Wichtigkeit verleiht.

Bald füllte sich die Hütte mit einer bunten Gesellschaft. Von den alten grauköpfigen Patriarchen von achtzig Jahren bis zu den jungen Mädchen und Burschen von fünfzehn. Es entspann sich sogleich eine harmlose kleine Klatscherei, wo zum Beispiel die alte Tante Sally ihr rotes Taschentuch herhabe und daß die gnädige Frau Lissy das gepunktete Musselinkleid schenken würde, wenn die Schneiderin ihr die neuen Toiletten gerichtet hätte, und daß Mr. Shelby sich einen neuen Rotfuchs kaufen wolle, was dem Hause neue Ehre bringen würde. Einige Mitglieder der Gemeinde gehörten zu benachbarten Familien, die ihnen die Teilnahme an der Andacht gestatteten; sie brachten immer einige besonders interessante Neuigkeiten über Geschehnisse und Gespräche ihres Hauses und ihres Gutes mit, die wie Münzen fröhlich von Hand zu Hand gingen, nicht anders als in den Kreisen der Gesellschaft.

Kurz danach begann sichtlich zur allgemeinen Freude das gemeinsame Singen.

Danach wurde Georg gebeten, die letzten Kapitel der Offenbarung vorzulesen, wobei er oftmals unterbrochen wurde von den verschiedensten Ausrufen »Wie wunderbar«, »Hört nur, hört«, »Stellt euch das vor«, »Wird das alles gewiß geschehen?«

Georg, als ein aufgeweckter Junge, in religiösen Dingen von seiner Mutter auf das Sorgfältigste unterwiesen, sah sich damit im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, was ihn anfeuerte, mit lobenswertem Ernst eigene Erläuterungen einzuflechten, weshalb ihn die jungen Zuhörer bewunderten und die alten segneten. Allgemein war man der Ansicht, daß kein Prediger es besser verstünde und daß es tatsächlich erstaunlich sei.

Onkel Tom aber galt für die ganze Umgebung in religiösen Dingen als eine Art Patriarch. Vorherrschend in seinem Charakter war ein starker, natürlicher Sinn für das Moralische. Dazu kam die größere Tiefe und Bildung seines Gemüts, so daß er unter seinesgleichen allgemein eine geistliche Autorität genoß; der schlichte, zu Herzen gehende und ehrfürchtige Ton seiner Erklärungen hätte selbst gebildete Zuhörer erbauen können. Im Gebet aber zeigte er seine größte Kraft. Die rührende Einfalt und der kindliche Ernst seines Gebets waren nicht zu überbieten; dazu kam, daß er sich die Sprache der Heiligen Schrift unbewußt so zu eigen gemacht hatte, daß sie ihm frei und natürlich von den Lippen floß. Nach Aussage frommer alter Neger war sein Gebet wahrhaft >erhebend< und wirkte so stark auf die Gemüter seiner Gemeinde, daß es zuweilen von den stürmischen Antwortgesängen ganz übertönt wurde.

Während dieser Szene in der Hütte seines Sklaven ging eine ganz andere im Hause des Herrn vor sich.

Dort saßen der Händler und Mr. Shelby in dem bereits erwähnten Eßzimmer zusammen an einem runden Tisch, der mit Papieren und Schreibgerät bedeckt war.

Mr. Shelby war dabei, ein Bündel Banknoten zu zählen, die er dem Händler zuschob, der sie gleichfalls zählte.

»In Ordnung«, sagte der Händler, »und nun noch die Unterschrift.«

Mr. Shelby griff hastig nach dem Kaufkontrakt und unterschrieb ihn wie ein Mann, der rasch ein lästiges Geschäft erledigt. Zusammen mit dem Gelde schob er ihn zurück. Haley brachte nun aus seiner abgeschabten Brieftasche ein Pergament zum Vorschein, das er einen Augenblick überprüfte und dann Mr. Shelby aushändigte, der mit heimlichem Eifer danach griff.

»Damit ist die Sache aus der Welt geschafft«, sagte der Händler und stand auf.

»Scheint mir, daß es Sie wenig freut«, bemerkte der Händler.

»Haley«, sagte Mr. Shelby, »ich hoffe sehr, Sie werden Ihr Versprechen nicht vergessen, daß Sie auf Ehre Tom nicht in unbekannte Verhältnisse verkaufen wollen.«