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Tom blickte seinen Herrn an und antwortete: »Herr, wenn Ihr krank wäret oder in Verlegenheit oder sterben müßtet und ich Euch retten könnte, würde ich Euch mein Herzblut geben. Aber diese Sünde, Herr, solltet Ihr nicht auf Euch nehmen. Das bringt Euch mehr Schaden als mir. Und wenn Ihr mir das Schlimmste antut, meine Qual hat bald ein Ende; aber wenn Ihr nicht bereut, endigt die Eure nie!«

Wie ein seltsamer Geigenton einer himmlischen Musik, den man plötzlich im Sturmwetter auffängt, so erklang in diesem Raum der plötzliche Ausbruch eines echten Gefühls. Erschrocken trat Legree zurück und sah Tom an; die Stille war so tief, daß man das Ticken der alten Uhr hören konnte, die leise die letzten Augenblicke der Gnade und Prüfung bemaß, die dem verhärteten Herzen vergönnt waren.

Es war nur ein Augenblick. Noch eine zögernde Pause, noch eine unentschlossene nachgebende Bewegung, und mit siebenfacher Gewalt kehrte der Geist des Bösen zurück; schäumend vor Wut streckte Legree sein Opfer zu Boden.

Tom öffnete die Augen und sah seinen Herrn an. »Du armer, elender Mensch!« sagte er, »mehr kannst du jetzt nicht tun! Ich vergebe dir von ganzer Seele!« Dann schwanden ihm die Sinne.

»Ich glaube beinahe, er ist erledigt, endlich«, sprach Legree und trat näher, um ihn zu betrachten.

»Ja, tatsächlich. Na, das Maul hätten wir wenigstens zum Schweigen gebracht, das ist ein Trost!«

Ganz hinüber war Tom indessen noch nicht. Seine wunderbaren Worte und frommen Gebete waren den vertierten Schwarzen zu Herzen gegangen, die ihm als Werkzeug der Grausamkeit hatten dienen müssen; kaum war Legree gegangen, legten sie ihn hin und versuchten in ihrer Unwissenheit, ihn ins Leben zurückzurufen — als ob sie ihm damit einen Gefallen täten!

»Wir haben bestimmt etwas Schreckliches gemacht«, sagte Sambo; »hoffentlich muß der Herr dafür büßen und nicht wir.«

Sie wuschen seine Wunden — sie richteten ihm ein armseliges Lager aus Baumwollabfällen her, damit er sich ausstrecken konnte; und einer von ihnen endlich schlich sich ins Haus und bat Legree um einen Schnaps, indem er vorgab, er sei müde und brauche ihn. Er brachte ihn zurück und flößte ihn Tom ein.

»O Tom!« sagte Quimbo, »wir haben dir großes Unrecht getan!«

»Ich vergebe euch von ganzem Herzen«, erwiderte Tom mit versagender Stimme.

Da weinten die beiden wilden Männer.

»Warum habe ich nicht früher von Jesus gehört?« sagte Sambo; »aber jetzt glaube ich! — Ich kann nicht anders! Herr Jesus, erbarme dich unser!«

»Arme Kerle!« flüsterte Tom, »ich will gern alles tragen, wenn es euch zu Christus führt! Lieber Gott, gib mir diese beiden Seelen, ich bitte dich!«

Und dieses Gebet wurde erhört.

40. Kapitel

Der junge Herr

Zwei Tage später fuhr ein junger Mann in einem leichten Wagen LA durch die Allee von Chinabäumen; den Pferden hastig die Zügel überwerfend, sprang er herab und erkundigte sich nach dem Besitzer.

Es war Georg Shelby; um zu erklären, wieso er hierherkam, müssen wir in unserer Geschichte zurückgreifen.

Der Brief, den damals Miß Ophelia an Mrs. Shelby geschrieben, war durch einen unglücklichen Zufall ein bis zwei Monate auf einem entlegenen Postamt liegengeblieben, ehe er seinen Bestimmungsort erreichte; und natürlich war Tom, bevor der Brief noch an Ort und Stelle ankam, längst in den fernen Sümpfen am Red River verschwunden.

Mrs. Shelby las die Nachricht mit tiefer Anteilnahme; aber daraufhin sofort Schritte zu unternehmen war ein Ding der Unmöglichkeit. Sie war damals als Pflegerin an das Krankenbett ihres Mannes gefesselt, der bewußtlos in schwerem Fieber lag. Georg Shelby, der sich in der Zwischenzeit von einem Jungen zu einem großen jungen Mann entwickelt hatte, stand ihr dabei getreulich zur Seite; er war ihr einziger Rückhalt bei der Durchführung aller Geschäfte. Miß Ophelia hatte ihnen in weiser Voraussicht den Namen des Anwalts genannt, der St. Clares Haushalt auflöste; an diesen einen Brief mit Erkundigungen zu schicken war alles, was sich in der Eile ermöglichen ließ. Als Mr. Shelby wenige Tage später plötzlich starb, traten natürlich andere Dinge gebieterisch in den Vordergrund.

Mr. Shelby bewies sein Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Frau, indem er sie zum Vollstrecker seines letzten Willens eingesetzt hatte; daher hatte sie mit den dringendsten und schwierigsten Geschäften sogleich alle Hände voll zu tun.

Mit ihrer charakteristischen Energie machte sich Mrs. Shelby unverzüglich daran, Ordnung zu schaffen, und für einige Zeit war sie mit Georg vollauf beschäftigt, Rechnungen zu sichten und zu sammeln, Teile des Grundbesitzes zu verkaufen und die Schulden zu begleichen; denn Mrs. Shelby hatte beschlossen, reinen Tisch zu machen, gleichgültig, was dann übrigblieb. Inzwischen bekamen sie einen Brief von dem Anwalt, an den Miß Ophelia sie verwiesen hatte, der ihnen mitteilte, daß er nichts Näheres von der Angelegenheit wüßte; der Mann sei bei einer öffentlichen Auktion versteigert worden, er hätte das Geld für ihn bekommen, über seinen Verbleib wüßte er nichts.

Weder Georg noch Mrs. Shelby waren mit diesem Ergebnis zufrieden; als daher Georg ein halbes Jahr später in Geschäften seiner Mutter stromabwärts reiste, beschloß er, persönlich in New Orleans vorzusprechen und Erkundigungen über Tom einzuziehen und ihn zurückzukaufen.

Nach monatelanger, erfolgloser Suche stieß Georg durch einen Zufall auf einen Mann in New Orleans, der ihm Auskunft geben konnte. Mit seinem Geld in der Tasche bestieg unser Held den Dampfer auf dem Red River, fest entschlossen, seinen alten Freund ausfindig zu machen und zurückzubringen.

Er wurde alsbald ins Haus geführt, wo er Legree im Wohnzimmer traf.

Legree begrüßte den Fremden mit etwas säuerlicher Gastfreundschaft.

»Ich habe in Erfahrung gebracht«, sagte der junge Mann, »daß Sie in New Orleans vor längerer Zeit einen Sklaven mit Namen Tom kauften. Er war früher auf dem Hof meines Vaters, und ich möchte gern versuchen, ihn zurückzukaufen.«

Legrees Stirn verfinsterte sich, als er leidenschaftlich losbrach: »Ja, den Burschen habe ich gekauft und damit einen verdammten Fang gemacht! Der aufsässigste, unverschämteste, frechste Hund! Verleitet meine Nigger zum Weglaufen, hat zwei Frauensleuten zur Flucht verholfen, jedes Stück achthundert bis tausend Dollar wert. Er hat es selbst zugegeben, und als ich ihn hieß, mir zu sagen, wo sie wären, ging er hoch und sagte, er wüßte es wohl, aber er würde es nicht sagen; und dabei blieb er, obgleich ich ihn auspeitschen ließ, wie noch nie einen Nigger vorher. Jetzt will er anscheinend sterben, aber ich weiß nicht, ob es ihm gelingt.«

»Wo ist er?« fragte Georg heftig. »Lassen Sie mich zu ihm.« Die Wangen des jungen Mannes brannten in heller Röte, und seine Augen sprühten Funken; aber klugerweise sagte er vorläufig nichts weiter.

»Er liegt im Schuppen«, sagte ein kleiner Bursche, der neben Georgs Pferd stand und es festhielt. Legree trat nach dem Jungen und verwünschte ihn. Aber Georg drehte sich um und begab sich zu dem angegebenen Ort, ohne noch ein Wort zu verlieren.

Tom lag seit zwei Tagen hier; er litt nicht mehr, denn jeder Nerv war ihm zerstört und abgestorben. Meistens dämmerte er in ruhigem Halbschlaf dahin, denn ein kräftiger, gut gebauter Körper entläßt den gefangenen Geist nicht auf der Stelle. Heimlich, in der Dunkelheit der Nacht, hatten sich arme Gestalten zu ihm geschlichen, die ihre karge Nachtruhe opferten, um ihm einen jener kleinen Liebesdienste zu erweisen, in denen er selbst so unerschöpflich gewesen. Gewiß, diese armen Schüler vermochten nur wenig zu geben — nur den Becher kalten Wassers; aber den reichten sie aus vollem Herzen.