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„Und was ist das?” rief der Spanier und berührte mit der Lanzen-spitze einen der umherliegenden Säcke, aus dem der Stiel eines Spatens herausragte, der nicht genügend verdeckt worden war.

„Das”, erklärte Manauri ruhig, „das ist zum Umgraben der Erde.”

„Und das braucht ihr auch alle Tage? Ihr Indianer benötigt ein so seltenes Gerät?”

„Wir brauchen es, Herr. Wir sind Arawaken.”

„Ich verstehe nicht, was das eine mit dem andern zu tun hat.” „Wir sind Bauern”, verbesserte sich der Häuptling.

„Und woher habt ihr den Spaten?” Die Stimme des Spaniers war jetzt scharf wie die Schneide eines Messers. „Wo habt ihr ihn gestohlen?”

„Wir haben ihn nicht gestohlen.”

„So ist er euch vom Himmel gefallen?”

„Vom Himmel nicht’, entgegnete Manauri mit sanfter, geduldiger Stimme. „Das Meer hat ihn uns geschenkt.”

Ich bewunderte die Geistesgegenwart des Häuptlings. Die Spanier aber wurden durch sein beherrschtes Wesen gereizt.

„Das Meer?” knurrte der Bärtige. „Willst du mich zum Narren halten?”

„Wie könnte ich dich zum Narren halten, o Herr”, sagte Manauri scheinbar verängstigt. „Während eines Sturmes zerschellte ein englisches Schiff unweit unserer Lagune, und das Meer hat viele Gegenstände an die Küste gespült.”

„Die Tücher auf euren Köpfen hat auch das Meer an Land gespült?”

Der wütende Spanier hob plötzlich die Lanze und tat, als wolle er den Häuptling durchbohren.

Manauri zuckte mit keiner Wimper, meine Hand aber fuhr zum Gürtel und umspannte den Griff der Pistole. Fast zu ungestüm war diese Bewegung, doch hatte sie keiner der Reiter bemerkt. Zum Glück stieß der Spanier nicht zu, sondern schrie nur: „Du lügst, Hundsfott! Diese Tücher sind neu, sie waren nicht im Seewasser!”

„Nein, sie waren nicht im Wasser”, bestätigte der Häuptling. „Du hast recht.”

„So hast du also gelogen?”

„Ich habe nicht gelogen.”

„Bist du nur dumm, oder bist du so frech?”

Manauri war die Ruhe selbst, er ließ sich einfach nicht aus dem Gleichgewicht bringen.

„Ich bin nicht frech”, erwiderte er, „ich sage nur, was sich zugetragen hat. Als wir die Tücher fanden, waren sie trocken, denn sie waren in einem wasserdichten Kasten eingeschlossen, den die Wellen nach dem Untergang des Schiffes an den Strand geworfen haben. Das ist alles, Herr, wirklich alles!”

Leider war es noch nicht alles, was die Spanier wissen wollten, und die eigentliche Not sollte erst beginnen. Der Bärtige fragte schneidend: „Wann ist das mit dem Schiff passiert?”

„Das ist noch nicht lange her... Drei Monate vielleicht.”

Der Spanier warf einen unheilverkündenden Blick nach der Seite, wo unsere Neger standen, und knurrte: „Und die dort, wo sind die her?”

Seine Züge belebten sich, sein Gesicht nahm einen raubgierigen Ausdruck an, und ich bemerkte, daß diese Frage die wichtigste für ihn war. Vielleicht war es ihm von Anfang an nur um die Neger gegangen.

„Das sind Angehörige unseres Stammes”, antwortete Manauri mit der gleichgültigsten Miene.

„Es sind eure Sklaven?” Wütend zog der Spanier die Brauen zusammen. „Seit wann besitzen die Indianer Sklaven?”

„Wir besitzen keine Sklaven”, entgegnete der Häuptling. „Sie sind freie Menschen und gehören genauso zum Stamm wie wir.” „Ach so, es sind also Indianer?” rief der Bärtige. „Nur die Haut ist etwas nachgedunkelt, wie?”

„Nein, Herr, es sind Neger, aber sie haben aufgehört, Neger zu sein, und sind Arawaken geworden.”

Diese umständliche Erklärung rief bei den Spaniern eine Lachsalve hervor.

„Höre auf, uns zu täuschen!” drohte der Spanier. „Wir haben uns lange genug unterhalten. Sage jetzt die Wahrheit, sonst machen wir mit euch allen kurzen Prozeß! Von welcher Hazienda sind diese Sklaven entlaufen?”

„Herr, habe ich dir nicht gesagt, daß ein englisches Schiff an unserer Küste zerschellt ist?” In der demütigen Stimme Manauris schwang ein leichter Vorwurf.

„Und diese Neger haben sich allein aus dem Sturm gerettet?” „So wahr ich lebe!”

„Von dem englischen Schiff, das untergegangen ist?”

„So ist es.”

Der Spanier zögerte einen Augenblick, er schien zu überlegen. Jäh ritt er an die Neger heran, zog die silberne Pistole aus dem Gürtel und wandte sich mit geheuchelter Freundlichkeit an Dolores: „Sage mir, wie du heißt, gute Frau?” „Dolores”’, antwortete sie erschrocken.

„Auf welcher Hazienda hast du gedient?”

Dolores, deren Geist leicht in Verwirrung geriet, war fast von Sinnen vor Angst und folgte mit irrem Blick der Hand mit der Pistole. Schließlich brachte sie doch so viel Verstand auf, daß sie sich erinnern konnte, was Manauri von dem englischen Schiff erzählt hatte, und sagte, ohne aus der Rolle zu fallen: „Ich war auf dem Schiff, Herr. .. Ich habe mich gerettet.”

„Und deine Gefährten, diese Neger hier? Sie stammen auch von dem Schiff?”

„Ja, so ist es’, keuchte die Ärmste, der vor Angst der Schweiß aus den Poren trat.

„Was für ein Schiff war das, ein englisches oder ein spanisches?” „Ein englisches, o Herr, ein englisches.”

„Und du warst nie als Sklavin bei Spaniern?”

Der entsetzten Frau wurde es immer schwerer, die Täuschung fortzusetzen, doch stieß sie hervor: „Nein, niemals!”

Der Spanier hüllte sich in Schweigen. Nach einer Weile brüllte er mit drohender Stimme: „Dolores, sage mir, wo du Spanisch gelernt hast!”

Die in die Enge getriebene Frau begann zu schluchzen und konnte kein Wort mehr hervorbringen.

Nun wandte sich der Bärtige dem Häuptling zu, wobei er wie zum Vergnügen immer wieder mit der Pistole anlegte. Ich ließ ihn keinen Augenblick aus den Augen und war entschlossen, ihm eine Kugel in den Schädel zu jagen, sobald er den Hahn spannen würde. Der eingebildete Tollkopf ahnte gar nicht, daß sein Leben nur an einem seidenen Faden hing.

„Und du, wo hast du Spanisch gelernt?” herrschte er den Häuptling an. „Wie heißt du eigentlich?”

„Manauri.”

„Woher kannst du Spanisch?”

„Der Padre Missionar hat es mich gelehrt. Er lebte lange Zeit in unserem Dorf.”

„So bist du Christ?”

„Natürlich. Ich bin Christ.”

„Bekreuzige dich!”

„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.” Manauri konnte es, er bekreuzigte sich richtig. Alle Sklaven auf der Insel Margarita hatten die Religion ihrer Herren annehmen müssen.

„Es ist gut’, entschied der Spanier. „Ihr Indianer seid frei und könnt euch zum Teufel scheren. Diese fünf Negersklaven aber und die Negerin nehmen wir mit uns. Sie stehen uns zu.”

„Aber Herr”, rief Manauri flehend. „Es sind keine Sklaven. Sie wurden in den Stamm aufgenommen und sind uns gleichgestellt.” „Es sind Sklaven!” brüllte der Bärtige. „Und du schweig, wenn dir dein Leben lieb ist!”

Manauri duckte sich, als habe ihn die Drohung heftig erschreckt.

Als ich diese Unterwürfigkeit sah, war ich entsetzt. Ich erinnerte mich, wie tapfer sich diese Indianer vor kurzem auf der Insel geschlagen hatten. Damals hatte ich die Überzeugung gewonnen, daß sie nicht zu zähmende Kämpfernaturen seien, die Phantasie und Herz genug besaßen, um selbst die Hölle zu bezwingen, wenn es sein müßte. Und nun mußte ich dieses peinliche Bild in mich aufnehmen. Dieser eingeschüchterte, fügsame Haufen dort, das waren armselige Schlucker, angstgelähmte, elende Kreaturen, beherrscht vom Gebrüll eines wütenden Spaniers, unfähig, die Augen zu heben, viel weniger die Hände. Sollten ihre Seelen das Joch der Sklaverei noch nicht abgeschüttelt haben? Ich war zutiefst erschrocken, doch war es nicht die Gewalttätigkeit des Gegners, die mir Entsetzen einflößte, sondern die Schwäche der Unsern. Ich hegte Zweifel, ob sie überhaupt los-schlagen würden, wenn ich das Zeichen zum Angriff gab.