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war die Wandlung dieser Menschen, die aus fügsamen Lämmern zu rasenden Wildkatzen wurden. Dieser Umschlag ihrer schein-baren Furcht in hemmungslose Wut war kaum zu begreifen. Die Reiter waren so überrascht, daß sie nicht einmal zu den Waffen greifen konnten. Von Kugeln getroffen, von Pfeilen und Speeren durchbohrt, fielen sie von den Pferden, kaum daß einer ein Röcheln von sich gab.

Allein dem Cumanagoto war es gelungen, sein Roß herumzureißen und davonzupreschen. Aber er kam nicht weit. Der Neger Miguel, ein Meister im Werfen, schleuderte den Speer hinter ihm her, und der bohrte sich mit solcher Gewalt in die Schulter des Fliehenden, daß er vom Pferd gerissen wurde. Gleich sprangen mehrere Indianer hinzu und erschlugen den Getroffenen.

Damit war der kurze, aber blutige Kampf zu Ende. Einen Augenblick trat tiefes Schweigen ein. Ich war ganz benommen von den sich überstürzenden Ereignissen, vor allem aber setzte mich die Gewandtheit und Schnelligkeit, mit der die Gefährten den Feind überwunden hatten, in grenzenloses Erstaunen. Das war eine Schar von Kriegern, wie man sie selten fand. Als ich sie in aufrichtiger Bewunderung betrachtete, kam mir die Erkenntnis, welche unüberwindliche Kraft in dieser Handvoll Menschen steckte, wieviel Wille zum Widerstand in dieser Gemeinschaft verborgen war. Wie groß war mein Irrtum, als ich an ihrem Mut gezweifelt hatte! An der Spitze solcher Kämpfer — es waren einundzwanzig — konnte man so manche Tat in diesem weiten Land vollbringen.

Einige Pferde teilten das Schicksal ihrer Reiter, sie lagen tot im Steppengras. Das Tier des Indianers aber galoppierte in den Llano hinaus, als es seiner Last ledig geworden war. Da sprang Miguel, ohne zu überlegen, auf eines der überlebenden Pferde und jagte dem Ausreißer nach. Und wie er ritt, der brave Bursche! Bald hatte er das Tier eingeholt, ergriff es am Zügel und brachte es zu uns zurück.

„Das hast du großartig gemacht!” Voller Freude lief ich auf ihn zu und drückte ihm die Hand. „Ihn hast du genau getroffen, und auch auf das Pferd verzichtest du nicht!”

„Ha!” Miguel lachte. „Die Schnelligkeit hat uns gut verteidigt, uns Neger.”

„Keine Spur bleibt zurück von den Spaniern”, stellte Manauri befriedigt fest. „Weder ein Lebender, der uns verraten könnte, noch ein Pferd.”

„Was soll nun geschehen?” fragte mich Arnak.

„Vor allen Dingen müssen wir die Leichen vergraben, und zwar möglichst tief, damit sich die Geier nicht ansammeln und Menschen herbeilocken.”

„Und dann?”

Ja, was dann? War es nach dem, was vorgefallen war, ratsam, den Weg durch die Llanos fortzusetzen? Früher oder später würde das Geschehene doch bekannt werden, und dann würde sich eine Meute an unsere Fährte heften, um die Spanier zu rächen. Dann gäbe es keine Aussicht mehr, mit einem blauen Auge davonzukommen. Oder sollten wir schnell zur Lagune zurückkehren und mit dem Schoner unser Ziel zu erreichen versuchen? Ja! Es blieb kein anderer Ausweg.

Ohne zu zögern, teilte ich den Gefährten meine Ansicht mit, und diesmal erhob sich kein Widerstand. Alle hatten genug von der Wanderung durch die gefährliche Steppe und wollten ihr Geschick nun dem Meer anvertrauen, obgleich auch dort unangenehme Überraschungen nicht ausgeschlossen waren.

Als wir in großer Eile mit dem Ausheben der Gruben begannen, um die Leichen zu bestatten, ereignete sich etwas Ungewöhnliches. Einem der Spanier, der wahrscheinlich nur einen Schlag erhalten hatte, kehrte das Bewußtsein zurück. Es war jener bartlose Jüngling, der zuvor nicht mit solcher Verachtung auf uns herab-gesehen hatte wie die andern. Jetzt bewegte er die Arme und hob den Kopf. Als meine Gefährten dies sahen, stürzten sie auf ihn zu, um ihn zu töten. Es gelang mir, mich vor den Verwundeten zu stellen, bevor sie ihn erreichten.

„Nicht töten!” schrie ich.

„Warum nicht?” riefen sie wütend aus. „Er ist unser Feind! Er ist ein Spanier!”

„Ja, er ist ein Spanier, und deshalb brauche ich ihn!”

„Wozu?

„Ich werde alles über das Land und die Menschen aus ihm herausholen. Das ist sehr wichtig für uns.”

Es wäre zwecklos gewesen, andere, menschliche Gründe anzuführen, die hätten sie jetzt nicht gelten lassen. Übrigens war ich nicht weit von der Wahrheit entfernt. Man sah dem Jungen an, daß er nicht dumm war — vielleicht konnte er mich im Spanischen unterrichten, dessen Kenntnis in diesem Land von großem Nutzen war.

Die Indianer aber warfen wilde, haßerfüllte Blicke auf den jungen Spanier und gebärdeten sich wie Wölfe, denen die sicher geglaubte Beute noch einmal aus dem Rachen geschlüpft ist. „Wir töten ihn!” riefen sie verärgert und drängten herbei.

Doch ich war nicht allein, meine bewährten Freunde Arnak und Wagura standen mir zur Seite und auch der Neger Miguel. Bald hatte Manauri die aufgeregten Menschen beruhigt. Als sie zur Vernunft gekommen waren, gaben sie mir recht und erkannten den Jüngling als meinen Gefangenen an.

Auch die Erkenntnis, daß wir keine Zeit durch Streitigkeiten verlieren durften, hatte geholfen, die Gemüter zu besänftigen, und bald waren wir mit den vier Spaten, die wir besaßen, wieder bei der Arbeit. Jeweils nach einigen Minuten wurden die Grabenden abgelöst, und nach kaum zwei Stunden hatten wir die Leichen der Menschen und der Tiere in die Gruben gebettet und mit einer ausreichenden Schicht Erde bedeckt.

Noch während der Arbeit hatten einige Indianer die Absicht geäußert, Jagd auf die Viehherde zu machen und einen Vorrat an Frischfleisch zu besorgen. Ich widersetzte mich ihrem Wunsch und erklärte, daß wir keine Minute versäumen dürften, um von hier wegzukommen.

„Und was werden wir essen?” fragten sie.

„Wir haben drei lebende Pferde, die nehmen wir mit.”

Die Pferde kamen uns sehr zustatten. Sie trugen nicht nur den wieder bewußtlosen Gefangenen, sondern auch alle unsere Lasten. Wir marschierten nun viel leichter und eilten mit schnellen Schritten dem Meer entgegen.

Lasana, die ihr Kind zu tragen hatte und weder reiten konnte noch wollte, fiel es schwer, Schritt zu halten. Als ich merkte, daß sie kaum noch mitzuhalten vermochte, bot ich ihr meine Hilfe an. Lachend erwiderte sie: „Du willst mein Kind tragen?”

„Was ist daran sonderbar?”

„Das ist Sache der Frau und nicht des Mannes.”

„Dummheit!”

„Sie würden dich auslachen, Weißer Jaguar, wenn du das Kind trügest.”

Mein Angebot mußte nach den Anschauungen der Indianer wirklich unschicklich sein, denn die in unserer Nähe gingen und unser Gespräch angehört hatten, vergnügten sich köstlich. Ich aber beachtete ihre Sticheleien nicht, denn mir tat die junge Frau aufrichtig leid, da wir Hals über Kopf durch die Steppe hetzten, sozusagen im Dauerlauf.

„Gib mir das Kind”, drang ich in sie und zog es fast mit Gewalt aus dem Bündel auf ihren Schultern.

Sie war verwirrt und erfreut zugleich. In ihren Augen malte sich unfaßbares Erstaunen.

Die Feuerwaffe

Am nächsten Tag, die Sonne stand schon ziemlich tief, trafen wir an der Lagune am Fuße des Geierbergs ein. Wir fanden alles so vor, wie wir es verlassen hatten: das unbewohnte Dorf, den Schoner und die in der Höhle verborgenen Sachen. Da wir es eilig hatten, diesem unfreundlichen Landstrich den Rücken zu kehren, zogen wir, obgleich wir von dem anstrengenden Marsch sehr ermüdet waren, unser Schiff ans Ufer heran und begannen mit dem Beladen. Die größten Schwierigkeiten hatten wir mit den Pferden. Als wir sie endlich mit vereinten Kräften auf das Deck zerrten, schlugen die Tiere so fürchterlich aus, daß zwei von ihnen Knochenbrüche davontrugen. Das bedeutete aber keinen Verlust für uns, denn wir hatten sie von Anfang an dafür bestimmt, während der Reise verzehrt zu werden.