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"So", sagte ein Beamter. "Na, ich schicke gleich mal rum."

Und nun suchte Berta etwas zum Zuschlagen. "Wie sich der Junge das mit der Kohlenschaufel denkt", sagte sie zu Piefke. "Wo wir doch Zentralheizung haben." Im Kinderzimmer fand sie endlich zwei hölzerne Keulen, mit denen Pünktchen manchmal turnte. Eine dieser Keulen nahm sie, stellte sich neben die Flurtür und löschte das Korridorlicht aus.

"Das Licht in der Küche lassen wir brennen", sagte sie zu Piefke. "Sonst hau ich daneben." Piefke legte sich neben sie und wartete geduldig. Er war noch nicht ganz im Bilde und knurrte, während er dalag, seinen Schwanz an.

"Halt die Schnauze!" flüsterte Berta. Piefke konnte diesen Ton nicht vertragen. Aber er gehorchte. Berta holte einen Stuhl und setzte sich, denn ihr war sehr schwach zumute. Heute ging alles drunter und drüber. Wo mochten bloß Pünktchen und die Andacht stecken? Verflucht noch mal, hätte sie nur früher etwas gesagt!

Da kam jemand die Treppe herauf. Sie erhob sich, nahm die Keule und hielt die Luft an. Der Jemand stand vor der Tür. Piefke richtete sich hoch und machte einen Buckel, als sei er ein Kater. Ihm standen die Haare zu Berge.

Der Jemand steckte den Schlüssel ins Schloß und drehte um. Dann steckte er den Sicherheitsschlüssel ins Sicherheitsschloß und drehte um. Dann steckte er den Drücker ins Schloß. Die Tür schnappte auf. Der Jemand trat in den von der Küche her schwach erleuchteten Korridor. Berta hob ihre Keule hoch und schlug dem Mann eins über den Kürbis. Der Mann taumelte und fiel um wie ein Sack.

"Den hätten wir", sagte Berta zu Piefke und machte Licht. Es war ein Mann in einem Regenmantel und mit einer tief ins Gesicht gezogenen Mütze. Piefke beschnupperte den Bräutigam von Fräulein Andacht, wurde plötzlich, wenn auch zu spät, außerordentfich mutig und biß den Mann in die Wade. Aber der Mann lag auf dem Kokosläufer und rührte sich nicht.

"Wenn nur die Polizei bald käme", sagte Berta, setzte sich auf ihren Stuhl, nahm die Keule in die Hand und paßte gut auf. "Man sollte ihn fesseln", meinte sie zu Piefke. "Hol mal eine Wäscheleine aus der Küche." Piefke hustete ihr was. Beide saßen vor dem Einbrecher und hatten Angst, er könnte wieder munter werden.

Da! Der Mann öffnete die Augen und richtete sich hoch. Langsam wurde sein Blick klarer.

"Tut mir furchtbar leid", erklärte die dicke Berta ganz gerührt und schlug ihm zum zweitenmal auf den Kopf. Der Mann seufzte ein bißchen und sank wieder um.

"Wo bleibt nur die Polizei?" schimpfte Berta. Aber dann kamen die Gesetzeshüter.

Es waren drei Polizisten, und sie mußten über den Anblick, der sich bot, lachen.

"Ich möchte nur wissen, was daran komisch ist", rief die dicke Berta. "Fesseln Sie den Kerl lieber! Er wird gleich wieder munter werden." Die Polizisten legten dem Einbrecher Handschellen an und durchsuchten ihn. Sie fanden die Schlüssel, den Wohnungplan, ein Bündel Dietriche und einen Revolver. Der Oberwachtmeister nahm die Gegenstände an sich, Berta setzte den drei Herren in der Küche Kaffee vor und bat sie, doch ja zu warten, bis Pogges kämen. Das Kind und das Kinderfräulein wären verschwunden. Wer weiß, was heute noch alles passierte!

"Gut, aber nur ein paar Minuten", sagte der Oberwachtmeister.

Bald waren sie mitten in einer Unterhaltung. Piefke bewachte unterdessen den gefesselten Halunken und probierte heimlich, wie Schuhsohlen schmecken.

Die dreizehnte Nachdenkerei handelt:

Vom Zufall

Wenn es an diesem Abend nicht geregnet hätte, wäre die dicke Berta später nach Hause gekommen. Wenn die dicke Berta später nach Hause gekommen wäre, hätte der Dieb ungestört stehlen können. Es war der reine Zufall, daß sie zu Hause war und daß der Diebstahl mißlang. Wenn Galvani nicht zufällig ein paar Froschschenkel, die er aufgehängt hatte, hätte zucken sehen, wäre die tierische Elektrizität nicht entdeckt worden oder erst viel später.

Wenn Napoleon am 18. Oktober 1813 nicht so müde gewesen wäre, hätte er vielleicht die Schlacht bei Leipzig gewonnen.

Viele Ereignisse, die für die Entwicklung der Menschen entscheidend waren, trafen zufällig ein, und ebenso hätte das Gegenteil oder ganz etwas anderes geschehen können.

Der Zufall ist die größte Großmacht der Welt.

Andere Leute sagen statt Zufalclass="underline" Schicksal. Sie sagen: Es war erne schicksalhafte Fügung, daß Napoleon am 18. Oktober 1813 so müde war und solche Magenschmerzen hatte. Zufall oder Schicksaclass="underline" das ist Geschmacksache.

Meine Mutter sagt in solchen Fällen: "Der eine ißt gern Wurst, der andere grüne Seife."

Vierzehntes Kapitel

Ein Abendkleid wird schmutzig

Direktor Pogge sprang vor der Lindenoper aus der Autodroschke, zahlte und rannte in das Theater. Seine Frau saß in einer Loge, hatte die Augen zusammengekniffen und lauschte der Musik. Man gab "Boheme", das ist eine sehr schöne Oper, und die Musik klingt, als ob es süße Bonbons regnet. Ein sehr berühmter Tenor sang die Partie des Rudolf, und die Logenplätze waren schrecklich teuer. Von dem, was die zwei Plätze gekostet hatten, hätten Anton und seine Mutter vierzehn Tage leben können.

Herr Pogge trat in die Loge. Seine Frau öffnete erstaunt die Augen und sah ihn erzürnt an. Er stellte sich hinter ihren Sessel, packte sie an den Schultern und sagte: "Komm hinaus!" Sie fand den Griff unausstehlich und wandte ihm ihr empörtes Gesicht zu. Er stand im Halbdunkel, vom Regen durchnäßt, mit hochgestelltem Mantelkragen, und blickte an ihr vorbei.

Sie hatte nie viel Respekt vor ihrem Mann gehabt, denn er war zu gut zu ihr Aber jetzt bekam sie es mit der Angst. "Was soll denn das heißen?" fragte sie.

"Komm auf der Stelle hinaus!" befahl er. Und als sie noch immer zögerte, riß er sie aus dem Sessel und zerrte sie hinter sich her aus der Loge. Sie fand es unglaublich, wagte aber nicht mehr zu widersprechen. Sie lief, von ihm gefolgt, die Treppe hinunter. Er verlangte ihre Garderobe, hängte ihr das Cape um, stampfte wütend mit dem Fuß auf, als sie sich vor den Spiegel stellte und ihr silbernes Hütchen hin und her rückte. Dann zog er sie aus dem Haus. Herr Hollack, der Chauffeur, war natürlich nicht da. Er sollte sie ja erst zum Schluß der Vorstellung mit dem Wagen abholen. Herr Pogge ließ die Hand seiner Frau nicht los. Er stolperte mit ihr durch die Pfützen über die Straße. Am liebsten hätte sie geheult. An der Ecke standen Autodroschken. Er stieß sie in die erste hinein, nannte dem Chauffeur eine Adresse und kletterte der Frau nach. Dann setzte er sich auf ihr seidenes Cape. Aber sie wagte nicht, es ihm zu sagen.

Das Auto fuhr sehr schnell. Er hockte neben ihr, machte ein abwesendes Gesicht und scharrte nervös mit den Füßen.

"Meine silbernen Schuhe sind hin", murmelte sie. "Ich habe die Überschuhe in der Garderobe vergessen."

Er antwortete nichts und stierte geradeaus. Wie kam die Person dazu, nachts, in Lumpen gehüllt und angeblich blind, mit seinem Kind betteln zu gehen? War dieses Fräulein Andacht denn vollständig übergeschnappt? "Dieses Aas?" sagte er.

"Wer?" fragte seine Frau.

Er schwieg.

"Was soll denn das alles bedeuten?" fragte die Frau. "Ich sitze im Theater, du schleppst mich in den Regen hinaus. Die Aufführuhg war erstklassig. Und die teuren Eintrittskartenl"

"Ruhe!" entgegnete er und blickte durch die Scheiben. An der Komischen Oper stand das Auto still. Sie stiegen aus. Frau Pogge musterte verzweifelt ihre durchweichten Schuhe. Nein, daß sie die Überschuhe in der Garderobe hatte stehenlassen! Fräulein Andacht mußte sie gleich morgen früh holen.

"Da!" flüsterte ihr Mann und zeigte nach der Weidendammer Brücke hinüber.