«Du hast mir gesagt, ich solle solch ein Instrument besorgen, nehme ich an.»
«Ja. Besorg dir eine Flöte und lerne Siegfrieds Hornruf darauf zu spielen. Du bist musikalisch, das warst du schon immer. Du kannst das schaffen, oder?»
«Nun, es bedeutet wohl, eine sehr kleine Rolle bei der Rettung der Welt zu spielen, aber ich denke, ich schaffe das.»
«Und halte das Ding bereit. Weil» – sie klopfte mit ihrem Brillenetui auf den Tisch – «vielleicht musst du irgendwann einmal die falschen Leute mit deinem Spiel beeindrucken. Das ist vielleicht ganz nützlich. Sie würden dich mit offenen Armen empfangen, und du erfährst vielleicht etwas.»
«Du hast wirklich Ideen», sagte Sir Stafford bewundernd. «Was soll man sonst tun in meinem Alter?», fragte seine Großtante. «Man kommt nirgendwohin, kann sich nicht viel unter die Menschen mischen, nichts im Garten tun. Alles, was man tun kann, ist, im Sessel zu sitzen und Ideen auszubrüten. Denk daran, wenn du vierzig Jahre älter bist.»
«Eine deiner Bemerkungen fand ich interessant.»
«Nur eine?», fragte Lady Matilda. «Das ist ein eher dürftiges Ergebnis, verglichen damit, wie lange ich geredet habe. Was war es denn?»
«Du hast angedeutet, dass ich in der Lage sei, die falschen Leute mit meiner Blockflöte zu beeindrucken – hast du das ernst gemeint?»
«Nun, es ist eine Möglichkeit, nicht wahr? Die richtigen Leute sind nicht wichtig. Aber die falschen – nun, du musst etwas herausfinden, oder? Du musst in die Sache eindringen. So wie eine Totenuhr, ein Klopfkäfer», sagte sie nachdenklich.
«Also sollte ich bedeutsame Geräusche in der Nacht erzeugen?»
«Ja, so etwas in der Art, ja. Wir hatten hier einmal eine Totenuhr, im Ostflügel. Es war sehr kostspielig, sie wiederherzurichten. Ich bin sicher, es wird auch sehr teuer, die Welt wieder in Ordnung zu bringen.»
«In der Tat, sehr viel kostspieliger», erwiderte Stafford Nye.
«Das macht nichts», antwortete Lady Matilda. «Es stört die Leute nichts, viel Geld auszugeben. Das beeindruckt sie. Wenn man etwas sparsam abwickeln will, machen sie nicht mit.»
«Was meinst du denn damit?»
«Wir sind in der Lage, große Dinge zu tun. Wir waren gut im Regieren des Empire. Wir waren nicht gut darin, das Empire aufrechtzuerhalten. Aber dann brauchten wir ja auch gar kein Empire mehr. Und das haben wir erkannt. Es war schwierig, es in Gang zu halten. Robbie hat mir das klargemacht.»
«Robbie?» Das klang einigermaßen vertraut.
«Robbie Shoreham. Robert Shoreham. Er ist ein sehr alter Freund. Auf der linken Seite gelähmt. Aber er kann noch sprechen, und er hat ein ziemlich gutes Hörgerät.»
«Außerdem ist er einer der berühmtesten Physiker der Welt», fügte Stafford Nye hinzu. «Er ist also noch einer deiner sehr engen alten Freunde, nicht wahr?»
«Ich kenne ihn, seit er ein Junge war», erwiderte Lady Matilda. «Ich nehme an, du bist überrascht, dass wir befreundet sind, viel gemeinsam haben und uns gern miteinander unterhalten?»
«Nun, ich hätte nicht angenommen, dass –»
«Dass wir viel miteinander zu reden hätten? Sicher, mit Mathematik konnte ich nie etwas anfangen. Glücklicherweise habe ich es als Mädchen auch nie versucht. Robbie fiel die Mathematik leicht, schon als er, glaube ich, vier Jahre alt war. Heute sagen sie, das sei ganz natürlich. Er kann über vieles reden. Er hat mich immer gemocht, weil ich leichtsinnig war und ihn zum Lachen brachte. Ich bin auch eine gute Zuhörerin. Und er erzählt manchmal wirklich interessante Dinge.»
«Das nehme ich an», sagte Stafford Nye trocken.
«Nun sei nicht hochnäsig. Molière hat seine Haushälterin geheiratet, nicht wahr, und machte einen großen Erfolg daraus – wenn ich wirklich Molière meine. Wenn ein Mann es vor lauter Verstand nicht mehr aushalten kann, möchte er wirklich nicht auch noch eine Frau mit unerträglichem Verstand, um mit ihr zu reden. Das wäre zu anstrengend. Er wünscht sich viel lieber ein hübsches Dummchen, das ihn zum Lachen bringt. Ich sah nicht schlecht aus, als ich jung war», sagte Lady Matilda selbstzufrieden. «Ich weiß, ich hatte keinerlei akademische Auszeichnungen. Ich bin überhaupt nicht intellektuell. Aber Robert hat immer gesagt, ich hätte eine große Portion gesunden Menschenverstand und Intelligenz.»
«Du bist eine ganz reizende Person», befand Sir Stafford Nye. «Ich freue mich immer, dich zu besuchen. Und wenn ich abreise, werde ich mich an all die Dinge erinnern, die du mir gesagt hast. Es gibt sicher noch viel mehr Dinge, die du mir erzählen könntest, aber das wirst du offensichtlich nicht tun.»
«Nicht, bis der rechte Augenblick gekommen ist», antwortete Lady Matilda. «Aber mir liegt dein Interesse am Herzen. Lass mich von Zeit zu Zeit wissen, was du so treibst. Du wirst nächste Woche in die Amerikanische Botschaft zum Dinner gehen, nicht wahr?»
«Woher weißt du das? Ja, ich bin eingeladen.»
«Und du hast die Einladung angenommen, nehme ich an.»
«Nun, es ist alles im dienstlichen Rahmen.» Er sah sie neugierig an. «Wie schaffst du es, so gut informiert zu sein?»
«Oh, Milly hat es mir erzählt.»
«Milly?»
«Milly Jean Cortman. Die Frau des amerikanischen Botschafters. Ein sehr attraktives Geschöpf. Klein und ziemlich perfekt aussehend.»
«Ach, du meinst Mildred Cortman.»
«Mildred wurde sie getauft, aber sie bevorzugt Milly Jean. Ich habe mit ihr telefoniert wegen irgendeiner Wohltätigkeitsmatinee. Sie ist das, was wir früher eine Venus im Taschenformat nannten.»
«Eine sehr attraktive Bezeichnung», grinste Stafford Nye.
Kapitel 8
Ein Dinner in der Botschaft
Als Mrs. Cortman mit ausgestreckter Hand auf ihn zukam, erinnerte sich Stafford Nye an die Beschreibung, die seine Tante ihm von ihr gegeben hatte. Milly Jean Cortman war eine Frau zwischen fünfunddreißig und vierzig. Sie hatte zarte Gesichtszüge, große blaugraue Augen, einen perfekt geformten Kopf mit bläulich grauem Haar, ein besonders attraktiver Farbton, der ihr eine makellose Eleganz verlieh. Mrs. Cortman war in London sehr beliebt. Ihr Gatte Sam Cortman war ein großer, schwerer, etwas schwerfälliger Mann. Er war sehr stolz auf seine Frau. Er selbst war einer jener langsamen, übermäßig eindringlichen Redner. Die Leute schweiften gelegentlich in Gedanken ab, wenn er einen Punkt sehr ausführlich erläuterte, der eigentlich keiner Erklärung bedurfte. Er begrüßte ihn:
«Sie sind aus Malaysia zurück, Sir Stafford? Es muss interessant dort gewesen sein, auch wenn es nicht die Jahreszeit ist, die ich mir ausgesucht hätte. Wir sind alle sehr froh, Sie wieder hier zu haben. Sie kennen Lady Aldborough und Sir John und Herrn von Roken, Frau von Roken, Mr. und Mrs. Staggenham.»
Alles Leute, die Stafford Nye mehr oder weniger bekannt waren. Es gab einen Holländer und seine Frau, die er noch nicht kannte, sie hatten gerade erst ihren Posten angetreten. Die Staggenhams waren der Minister für Sozialversicherung und seine Frau. Er hatte sie schon immer für ein besonders uninteressantes Paar gehalten.
«Und Gräfin Renata Zerkowski. Ich glaube, sie sagte, sie seien sich früher schon einmal begegnet.»