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«Das zeigt eine der großen Gefahren, man ist sich dessen nicht immer bewusst, aber sie existiert. Es gibt Menschen, die in der Lage sind, in anderen Menschen eine wilde Begeisterung zu entfachen, eine Art Vision vom Leben und von dem, was kommen soll. Sie sind dazu in der Lage, aber nicht mit dem, was sie tatsächlich sagen, es sind nicht die Worte, die man hört, nicht einmal die vorgetragene Idee. Es ist etwas anderes. Es ist diese magnetische Überzeugungskraft, die einige wenige Menschen bestimmte Dinge bewirken lässt, Visionen erzeugt, kreiert. Vielleicht mit ihrer persönlichen Anziehungskraft, ihrer Stimme, vielleicht mit einer Ausstrahlung, die direkt aus dem Körperlichen kommt. Ich weiß nicht, aber so etwas gibt es.» Lord Altamount sagte weiter:

«Solche Menschen haben die Macht. Die großen Religionslehrer hatten sie, aber auch ein böser Geist hat solche Macht. Sie können Glauben erwecken, an eine bestimmte Bewegung, an Dinge, die Menschen tun sollen, an Ereignisse, die einen neuen Himmel, eine neue Erde schaffen sollen. Und die Menschen werden das glauben, Tag und Nacht dafür arbeiten und kämpfen, sogar dafür sterben.»

Altamount senkte die Stimme und fuhr fort: «Jan Smuts sagt das in einem Satz. Er sagt: ‹Führungsmacht kann, neben der Tatsache, dass sie einen große kreative Kraft ist, auch diabolisch sein.›»

Stafford Nye bewegte sich auf seinem Stuhl.

«Ich verstehe, was Sie meinen. Sehr interessant, was Sie da sagen. Ich sehe ein, dass es vielleicht sogar richtig sein könnte.»

«Aber Sie denken natürlich, es ist übertrieben.»

«Das weiß ich nicht», sagte Stafford Nye. «Dinge, die übertrieben scheinen, sind häufig gar nicht so übertrieben. Man hat es nur vorher so noch nicht gehört oder gedacht. Daher erscheint es einem dermaßen fremd, dass kaum etwas anderes übrig bleibt, als es zu akzeptieren. Nebenbei, darf ich eine einfache Frage stellen? Was soll man denn nun wirklich tun?»

«Wenn man den Verdacht hat, dass eine solche Bewegung existiert, muss man sie erst einmal wirklich kennenlernen», sagte Lord Altamount. «Sie müssen es machen wie der Mungos im Dschungelbuch: hinlaufen und es herausfinden. Wo das Geld herkommt, wo die Ideen herkommen, und woher, wenn ich so sagen darf, die Maschinerie stammt. Wer betreibt diese Maschinerie? Hier bei uns gibt es einen Generalstabschef und einen Oberkommandeur. Das versuchen wir zu etablieren. Wir hätten gern, dass Sie mitmachen und uns helfen.»

Es war einer der wenigen Anlässe, bei denen Stafford Nye sprachlos war. Sonst war es ihm immer gelungen, seine Gefühle und Gedanken zu verbergen. Doch diesmal war es anders. Er sah von einem zum anderen im Raum. Auf den gelassen wirkenden Mr. Robinson mit seinem gelben Gesicht und den auffälligen Zähnen; auf Sir James Kleek. Sir Stafford Nye hielt ihn für einen etwas aufdringlichen Redner, aber zweifellos hatte er seine Meriten; Spürhund seines Herrn, nannte er ihn bei sich. Er sah Lord Altamount an, das gewölbte Dach des Porter-Sessels bildete einen Rahmen um seinen Kopf. Die Beleuchtung im Raum war nicht sehr hell. Sie ließ ihn wie einen Heiligen in der Nische einer Kathedrale erscheinen. Asketisch, wie aus dem 14. Jahrhundert. Ein großer Mann. Ja, Altamount war einer der großen Männer der Vergangenheit. Stafford Nye hatte keinen Zweifel daran, aber jetzt war er ein sehr alter Mann. Darum war wohl auch Sir James Kleek notwendig, Lord Altamount stützte sich auf ihn. Er sah an ihnen vorbei auf das rätselhafte, kühle Geschöpf, das ihn hierhergebracht hatte, die Gräfin Renata Zerkowski, alias Mary Ann, alias Daphne Theofanous. Ihr Gesicht verriet ihm nichts. Sie sah ihn nicht einmal an. Ihre Augen ruhten gerade auf Mr. Henry Horsham von der Sicherheit. Mit leichtem Erstaunen stellte er fest, dass Henry Horsham ihn angrinste.

«Aber sehen Sie doch», sagte Stafford Nye, ließ alle Förmlichkeit beiseite und bediente sich mehr der Ausdrucksweise des achtzehnjährigen Schuljungen, der er einmal gewesen war: «Wo um Himmels willen passe ich da rein? Was weiß ich schon? Offen gesagt, ich bin wirklich nichts Besonderes in meinem Beruf, wissen Sie. Die halten nicht sehr viel von mir im Außenministerium, das haben sie noch nie getan.»

«Das wissen wir», sagte Lord Altamount.

Nun war die Reihe an Sir James Kleek zu grinsen, und das tat er auch.

«Vielleicht umso besser», bemerkte er und fügte, als Lord Altamount die Stirn runzelte, entschuldigend hinzu, «tut mir leid, Sir.»

«Dies ist eine Untersuchungskommission», sagte Mr. Robinson. «Es geht nicht um die Frage, was Sie früher gemacht haben oder welche Meinung die Leute von Ihnen haben. Wir stellen hier eine Untersuchungskommission auf. Bisher hat diese Kommission noch nicht viele Mitglieder. Wir bitten Sie teilzunehmen, weil wir davon überzeugt sind, dass Sie bestimmte Qualitäten besitzen, die bei dieser Untersuchung hilfreich sein könnten.»

Stafford Nye wandte dem Sicherheitsmann den Kopf zu. «Was ist, Horsham?», fragte er. «Ich glaube nicht, dass Sie da zustimmen.»

«Warum nicht?», fragte Henry Horsham.

«Also wirklich. Was sind denn meine ‹Qualitäten›, wie Sie sie nennen? Offen gestanden kann ich selbst nicht daran glauben.»

«Sie sind kein Heldenverehrer», sagte Horsham. «Deswegen. Sie können einen Schwindel durchschauen. Sie nehmen niemand für selbstverständlich oder bewerten ihn nach der allgemeinen Einschätzung der Welt. Sie haben Ihre eigene Meinung.»

Ce n’est pas un garcon sérieux. Diese Worte schossen Stafford Nye durch den Kopf. Ein merkwürdiger Grund, für eine komplizierte und schwierige Aufgabe ausgewählt zu werden.

«Ich muss Sie warnen», sagte er, «mein Hauptfehler ist wohlbekannt. Es wurde schon oft festgestellt und hat mich mehrere gute Posten gekostet: Ich bin nicht seriös genug für eine so wichtige Aufgabe.»

«Ob Sie’s glauben oder nicht, genau das ist einer der Gründe, warum wir Sie haben möchten. Ich habe doch recht, Mylord, oder nicht?», sagte Henry Horsham. Er sah Lord Altamount an.

«Der Staatsdienst!», sagte Lord Altamount. «Lassen Sie sich sagen, sehr häufig ist einer der größten Nachteile im Leben, dass sich die Leute in öffentlichen Positionen zu wichtig nehmen. Wir haben das Gefühl, dass Sie das nicht tun. Jedenfalls», sagte er, «glaubt das Mary Ann.»

Sir Stafford Nye wandte den Kopf. Da war sie also, keine Gräfin mehr. Sie war wieder Mary Ann.

«Sie haben hoffentlich nichts dagegen», sagte er, «aber wer sind Sie wirklich? Ich meine, sind sie wirklich eine Gräfin?»

«Absolut. Eine geborene, wie die Deutschen sagen, mein Vater war von Adel, ein guter Sportsmann, ein hervorragender Schütze. Er besaß ein sehr romantisches, aber baufälliges Schloss in Bayern. Es steht noch, das Schloss. Wie auch immer, ich habe Verbindungen zu einem großen Teil der europäischen Welt, die noch äußerst snobistisch ist, was die Herkunft anbelangt. Eine arme, schäbige Gräfin sitzt ganz vorne am Tisch, während ein reicher Amerikaner mit einem fabelhaften Dollarvermögen in der Warteschlange steht.»

«Was ist mit Daphne Theofanous? Wo gehört sie hin?»

«Ein praktischer Name für einen Pass. Meine Mutter war Griechin.»

«Und Mary Ann?»

Es war nahezu das erste Lächeln, das Stafford Nye auf ihrem Gesicht sah. Ihr Blick fiel auf Lord Altamount und von dort zu Mr. Robinson.

«Vielleicht», sagte sie, «weil ich so eine Art Mädchen für alles bin, umherreise, Dinge suche, Sachen von einem Land ins andere bringe, Dinge unter die Matte kehre, alles tue, überall hingehe, das Durcheinander aufräume.» Sie sah Lord Altamount wieder an. «Hab ich recht, Onkel Ned?»

«Ganz recht, meine Liebe. Für uns bist du Mary Ann und wirst es immer bleiben.»

«Hatten Sie im Flugzeug etwas dabei, ich meine, haben Sie etwas Wichtiges von einem Land ins andere gebracht?»