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«Haben wir denn so etwas?»

«Ja. Was ich via Frankfurt mitgebracht habe – als Sie mir geholfen haben, es nach England zurückzubringen –»

«Ich verstehe nicht –»

«Noch nicht – Sie werden es später erfahren. Jetzt aber müssen wir eine Rolle spielen. Wir sind bereit und willig, förmlich atemlos vor Eifer, uns indoktrinieren zu lassen. Wir beten die Jugend an. Wir sind Anhänger und Gläubige von Jung-Siegfried.»

«Sie können das rüberbringen, zweifellos. Ich für mein Teil bin mir nicht so sicher. Ich war niemals sehr erfolgreich als Anhänger von irgendetwas. Der Hofnarr ist nicht so. Er ist der große Entzauberer. Niemand schätzt das sehr im Augenblick, oder?»

«Natürlich nicht. Nein, diese Seite dürfen Sie nicht zeigen. Außer wenn Sie über Ihre Herren und Meister reden, Politiker und Diplomaten, das Außenministerium, das Establishment, all diese Dinge. Dann dürfen Sie verbittert sein, maliziös, witzig, etwas grausam.»

«Ich sehe immer noch nicht, welche Rolle ich bei diesem Weltenkreuzzug spielen soll.»

«Es ist eine sehr alte Rolle, eine, die jeder versteht und schätzt. Da ist etwas drin für Sie. Das ist Ihre Schiene. Sie wurden in der Vergangenheit immer verkannt, aber Jung-Siegfried und alles, wofür er steht, wird Ihnen die Aussicht auf Belohnung geben. Weil Sie ihm alle Geheimtipps geben, die er über Ihr Land haben möchte. Er wird Ihnen eine Machtposition versprechen in diesem Land, für die kommenden, wunderbaren Zeiten.»

«Wollen Sie damit andeuten, das es sich um eine Weltbewegung handelt? Stimmt das?»

«Natürlich. Fast wie ein Hurrikan, einer mit Namen. Flora oder Little Annie. Sie kommen von Süden, Norden, Osten oder Westen, aber sie kommen wie aus dem Nichts und zerstören alles. Das ist es, was alle wollen. In Europa, in Asien und Amerika. Vielleicht auch Afrika, doch dort besteht noch keine große Begeisterung. Dinge wie Macht, Unterschlagung und dergleichen sind noch etwas neu für die Leute dort. Aber es gibt eine Weltbewegung. Von der Jugend geleitet und mit der Vitalität der Jugend betrieben. Sie besitzen keine Kenntnisse, keine Erfahrung, aber sie haben Visionen und Vitalität, und sie haben Geld im Hintergrund. Ströme von Geld fließen ihnen zu. Es gab zu viel Materialismus, also haben sie etwas anderes verlangt, und das haben sie bekommen. Aber da es auf Hass begründet ist, kann es nichts bewirken. Es kann nicht in Gang kommen. Erinnern Sie sich nicht an 1919? Alle gingen mit begeisterter Miene umher und sagten, der Kommunismus sei die Antwort auf alle Fragen, die Marxistische Doktrin würde einen neuen Himmel auf Erden schaffen. Aber mit wem kann man denn solche Ideen in die Tat umsetzen? Immer nur mit denselben Menschen, die schon immer da waren. Man kann jetzt eine Neue Welt schaffen, oder die Leute glauben das zumindest, aber diese neue Welt besteht aus denselben Menschen wie die Welt davor und die davor, unter welchem Namen man sie auch immer einordnen will.

Wenn man es mit denselben Menschen zu tun hat, werden sie alles wie immer weiterführen. Man muss nur in die Geschichte schauen.»

«Interessiert sich heutzutage überhaupt jemand für Geschichte?»

«Nein. Sie schauen lieber nach vorn in eine undurchsichtige Zukunft. Früher sollte die Wissenschaft die Lösung für alle Dinge bringen. Freudsche Theorien und freier Sex sollten die nächste Antwort auf das menschliche Leid sein. Man dachte, die Menschen hätten dann keine mentalen Probleme mehr. Wenn damals jemand gesagt hätte, dass die psychiatrischen Kliniken heute voller sein würden denn je, hätte das niemand geglaubt. Das ist das Ergebnis der Abschaffung von Repressionen.»

Stafford Nye unterbrach sie:

«Ich möchte Sie etwas fragen», sagte Sir Stafford Nye.

«Und was?»

«Wo fahren wir als Nächstes hin?»

«Nach Südamerika. Vielleicht auf dem Weg nach Pakistan oder Indien. Sicherlich müssen wir auch in die USA gehen. Dort passieren sehr viele interessante Dinge, besonders in Kalifornien.»

«An den Universitäten?» Sir Stafford Nye seufzte. «Die Ereignisse an den Universitäten sind wirklich langweilig. Sie wiederholen sich zu oft.»

Einen Augenblick saßen sie stumm da. Das Licht wurde schwächer, aber eine Bergspitze zeigte sich in sanftem Rot.

Stafford Nye sagte in nostalgischem Ton: «Wenn wir jetzt noch etwas Musik hätten – in diesem Augenblick –, wissen Sie, was ich mir dann wünschen würde?»

«Noch mehr Wagner? Oder haben Sie sich von Wagner losgesagt?»

«Nein – Sie haben ganz recht – noch mehr Wagner. Ich ließe Hans Sachs unter seinem alten Baum sitzen und über die Welt sagen: ‹Wahn, Wahn, überall Wahn.›»

«Ja, das trifft es. Es ist auch wunderbare Musik. Nur sind wir nicht dem Wahn verfallen. Wir sind völlig normal.»

«Außergewöhnlich normal», sagte Stafford Nye. «Das ist das Problem. Da ist noch eine Sache, die ich wissen möchte.»

«Nun?»

«Vielleicht werden Sie es mir nicht sagen. Aber ich muss es wissen. Kann man denn wenigstens ein bisschen Spaß bei dieser ganzen Geschichte haben, die wir da in Angriff nehmen?»

«Aber sicher. Warum denn nicht?»

«Wahn, Wahn, überall Wahn – aber wir werden es sehr genießen. Werden wir ein langes Leben haben, Mary Ann?»

«Wahrscheinlich nicht», erwiderte Renata.

«Das ist die richtige Einstellung. Ich gehe mit Ihnen, meine Gefährtin und meine Führerin. Werden wir als Ergebnis unserer Bemühungen eine bessere Welt bekommen?»

«Ich glaube nicht, aber vielleicht eine liebenswürdigere. Heute ist sie voller Doktrinen, aber ohne Liebenswürdigkeit.»

«Das genügt mir», sagte Stafford Nye. «Auf zu neuen Taten!»

3. Buch.

Im In- und Ausland 

Kapitel 13

Konferenz in Paris

Fünf Männer saßen in einem Raum in Paris zusammen. Dieser Raum hatte schon bedeutende historische Konferenzen gesehen. Ziemlich viele sogar. Diese Konferenz war jedoch in vieler Hinsicht eine Versammlung anderer Art, versprach allerdings nicht weniger historisch zu werden.

Monsieur Grosjean hatte den Vorsitz. Er war ein griesgrämiger Mann, der sein Bestes tat, leicht über die Dinge hinwegzugehen. Auf charmante Art und Weise, was ihm in der Vergangenheit schon gute Dienste geleistet hatte. Doch er hatte das Gefühl, dass ihm das heute nicht sehr von Nutzen war. Signor Vitelli war erst eine Stunde zuvor mit dem Flugzeug aus Italien eingetroffen. Seine Bewegungen waren hektisch, sein Verhalten unbeherrscht.

«Das übertrifft alles», sagte er gerade, «das übertrifft alles, was man sich vorstellen kann.»

«Diese Studenten», sagte Monsieur Grosjean, «haben wir nicht alle darunter zu leiden?»

«Hier geht es um mehr als nur um Studenten. Es ist ein Bienenschwarm. Eine große Naturkatastrophe. Größer, als man sich vorstellen kann. Sie marschieren. Sie haben Maschinengewehre. Von irgendwoher haben sie Flugzeuge bekommen. Sie verkünden, sie wollen ganz Norditalien übernehmen. Aber das ist doch Wahnsinn! Das sind doch Kinder – nichts weiter. Aber sie haben Bomben, Sprengstoff. Allein in Mailand sind sie stärker als die Polizeikräfte. Was sollen wir tun? Das Militär? Auch die Armee – sie befindet sich im Aufstand. Sie sagt, sie sei mit les jeunes. Sie sagen, es bestehe keine Hoffnung für die Welt außer in der Anarchie. Sie sprechen von einer Sache, die sie eine ‹Neue Welt› nennen, aber das kann doch einfach nicht sein.»

Monsieur Grosjean seufzte. «Die ist unter den jungen Leuten sehr populär», sagte er, «die Anarchie. Der Glaube an die Anarchie. Das wissen wir noch aus der Algerien-Geschichte. Das wissen wir von all den Problemen, die unser Land und unser Kolonialreich erlitten haben. Und was können wir ausrichten? Das Militär? Am Ende steht es hinter den Studenten.»