Der Mann mit dem freundlichen asiatischen Gesicht weiter unten am Tisch, der bisher nicht gesprochen hatte, sagte:
«Das muss man jetzt zwangsläufig glauben. Unsere Beobachtungen besagen –» Lazenby unterbrach ihn:
«Sie müssen mit Ihren bloßen Beobachtungen aufhören. Die UNO muss die Waffen selbst in die Hand nehmen und die ganze Sache niederschlagen.»
Das ruhige Gesicht blieb unbeweglich.
«Das würde gegen unsere Prinzipien verstoßen», sagte er.
Oberst Munro erhob die Stimme und fuhr mit seiner Zusammenfassung fort:
«Kämpfe finden in Regionen aller Länder statt. Südostasien hat sich schon seit langem für unabhängig erklärt, es gibt vier oder fünf Machtzentren in Südamerika, Kuba, Peru, Guatemala und so weiter. Die USA, Sie wissen, Washington ist schon fast abgebrannt – der Westen wurde von den Armeen der Jugend-Macht bereits überrannt – in Chicago herrscht Ausnahmezustand. Sie haben von Sam Cortman gehört? Er wurde gestern Abend erschossen, auf den Stufen der hiesigen Amerikanischen Botschaft.»
«Er hätte heute hier sein sollen», sagte Lazenby. «Er hätte uns Bericht erstatten sollen über seine Sicht der gegenwärtigen Lage.»
«Ich bezweifle, ob das hilfreich gewesen wäre», sagte Oberst Munro, «er war ein ganz netter Kerl – aber er strotzte nicht gerade vor Energie.»
«Aber wer steckt nur dahinter?», erhob sich Lazenbys Stimme gereizt.
«Es könnten natürlich die Russen sein», sagte er hoffnungsvoll. Er sah sich wohl immer noch auf dem Flug nach Moskau.
Oberst Munro schüttelte den Kopf. «Das bezweifle ich.»
«Dies ist ein persönlicher Appell», sagte Lazenby. Sein Gesicht erhellte sich hoffnungsvoll. «Eine ganz neue Einflusssphäre. Die Chinesen –»
«Auch nicht die Chinesen», sagte Oberst Munro. «Aber Sie wissen, dass es in Deutschland ein erhebliches Wiederaufleben des Faschismus gibt?»
«Sie glauben doch nicht, dass die Deutschen möglicherweise –»
«Ich glaube nicht, dass sie notwendigerweise dahinterstecken. Aber möglich, ja, ich glaube, möglich wäre das schon. Sie haben es schon einmal getan. Haben die Dinge jahrelang vorbereitet, sie geplant. Alles war bereit, wartete nur auf das Wort LOS. Sie sind gute Strategen, ausgezeichnete Strategen. Ich bewundere sie, da kann ich mir nicht helfen.»
«Aber Deutschland scheint doch so friedlich und wohlregiert.»
«Das ist es auch, bis zu einem gewissen Grad. Aber seien Sie sich dessen bewusst: Südamerika wimmelt geradezu von Deutschen, von jungen Neofaschisten, die haben dort eine große Jugendföderation. Nennen sich die Über-Arier, irgendwas in der Art. Ein bisschen wie das alte Zeugs, wissen Sie, Hakenkreuze und Strammstehen und einer, der das leitet, genannt der Junge Wotan oder Jung-Siegfried oder irgend so was. Eine Menge arischer Unsinn.»
Es klopfte an der Tür und der Sekretär trat ein.
«Professor Eckstein ist hier, Sir.»
«Wir bitten ihn besser herein», sagte Cedric Lazenby. «Immerhin, wenn uns irgendjemand sagen kann, an welchen neuen Waffen wir arbeiten sollen, dann ist er es. Wir haben vielleicht ein As im Ärmel, das den ganzen Unsinn hier bald beenden kann.» Neben seinem Beruf als professioneller Reisender in ferne Länder in seiner Rolle als Friedensstifter besaß Mr. Lazenby einen unendlichen Optimismus, der jedoch leider selten von irgendwelchen Ergebnissen bestätigt wurde.
«Wir könnten eine gute Geheimwaffe brauchen», sagte der Luftmarschall hoffnungsvoll.
Professor Eckstein, den viele für Englands hervorragendsten Wissenschaftler hielten, wirkte auf den ersten Blick äußerst unbedeutend. Er war ein kleiner Mann mit altmodischen Koteletten und einem asthmatischen Husten. Er benahm sich so, als wolle er sich ängstlich schon für seine bloße Existenz entschuldigen. Er machte Geräusche wie «Ah» und «hrrumph» und schüttelte den Anwesenden schüchtern die Hand, als er vorgestellt wurde. Eine ganze Reihe war ihm schon bekannt und diese begrüßte er mit einem nervösen Kopfnicken. Er ließ sich auf dem ihm angebotenen Stuhl nieder und sah sich vage um. Er hob eine Hand zum Mund und begann, an den Nägeln zu kauen.
«Die Leiter aller Dienste sind hier», sagte Sir George Packham. «Wir sind sehr begierig, Ihre Meinung darüber zu hören, was man tun könnte.»
«Ach», sagte Professor Eckstein, «tun? Ja, ja, tun?»
Es herrschte Stille.
«Die Welt bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit in die Anarchie», sagte Sir George.
«Es sieht so aus, nicht wahr? Zumindest nach dem, was ich in der Zeitung lese. Nicht, dass ich mich darauf verlasse, wirklich, die Journalisten denken sich alles Mögliche aus! Aber sie machen keine genauen Angaben.»
«Ich höre, Sie haben kürzlich einige sehr wichtige Entdeckungen gemacht, Herr Professor», sagte Cedric Lazenby ermutigend.
«Ach ja, das haben wir, das haben wir.» Professor Eckstein wurde ein wenig heiterer. «Ich habe eine Menge scheußlicher chemischer Kriegswaffen erfunden. Falls wir die jemals benötigen sollten. Bakteriologische Kampfwaffen, biologisches Zeugs, Gas, das über normale Gasleitungen verteilt wird, Luftverschmutzung und Vergiftung der Wasserversorgung. Ja, wenn man wollte, könnten wir, glaube ich, die halbe Bevölkerung Englands innerhalb von drei Tagen töten.» Er rieb sich die Hände. «Wollen Sie das?»
«Nein, nein, sicher nicht. Ach du liebe Zeit, natürlich nicht.» Mr. Lazenby schien entsetzt.
Professor Eckstein sagte: «Sehen Sie, das meine ich. Es ist ja nicht so, dass wir nicht genug tödliche Waffen besäßen… wir haben zu viele. Alles, was wir haben, ist zu mörderisch. Die Schwierigkeit bestünde darin, überhaupt jemand am Leben zu lassen, uns eingeschlossen. Alle Leute an der Spitze, wissen Sie. Nun – uns zum Beispiel.» Er gab ein keuchendes, glückliches kleines Lachen von sich.
«Aber das ist nicht, was wir wollen», sagte Mr. Lazenby nachdrücklich.
«Es ist nicht die Frage, was Sie wollen, sondern, was wir haben. Alles, was wir haben, ist tödlich. Wenn Sie jeden Menschen unter dreißig von der Landkarte fegen möchten, glaube ich, dass Sie das tun könnten. Verstehen Sie wohl, Sie müssten einen großen Teil der Älteren mit einschließen. Es ist schwierig, eine Gruppe von der anderen zu trennen. Persönlich wäre ich gegen eine solche Maßnahme. Wir haben ein paar sehr gute junge Forscher. Stur, aber clever.»
«Was ist nur schiefgegangen auf dieser Welt?», fragte Kenwood plötzlich.
«Das ist der Punkt», sagte Professor Eckstein. «Wir wissen es nicht. Wir wissen das nicht hier bei uns, obwohl wir alles Mögliche wissen. Wir wissen heutzutage ein bisschen über den Mond, eine Menge über Biologie, wir können ein Herz transplantieren, eine Leber; bald vielleicht auch Gehirne, obwohl ich nicht weiß, was dann geschehen würde. Aber wir wissen nicht, wer das hier anrichtet.» Er fuhr fort:
«Irgendjemand ist da jedenfalls am Werk. Es ist eine Art geheime Hochleistungs-Organisation. Oh, ja, manchmal gerät sie auf irgendeine Weise an die Oberfläche. Kriminelle Vereinigungen, Drogenringe und so weiter. Ein mächtiger Verein und hinter den Kulissen befinden sich Leute mit gutem, scharfem Verstand. Es geschieht in vielen Ländern, manchmal auch in Europa. Aber jetzt hat es sich noch weiter ausgebreitet, auf die andere Hälfte der Welt – in die südliche Hemisphäre. Am Ende geht es bis zur Antarktis, nehme ich an.» Seine Diagnose schien Professor Eckstein zu gefallen.
«Das sind offenkundig Menschen mit bösen Absichten», sagte Kenwood.
«Das könnte man so sagen. Böse, um des Bösen willen oder wegen der Macht oder des Geldes. Es ist schwierig, den Zweck des Ganzen, den Kern, zu erfassen. Die armen Handlanger und Gefolgsleute wissen es nicht. Sie wollen Gewalt, weil sie Gewalt lieben. Sie mögen die Welt nicht, mögen unsere materialistische Einstellung nicht. Ihnen gefallen viele der scheußlichen Methoden nicht, mit denen wir unser Geld verdienen. Sie mögen viele unserer Schwindeleien nicht. Sie sehen die Armut nicht gern. Sie wollen eine bessere Welt. Nun, man könnte vielleicht eine bessere Welt schaffen, wenn man lange genug darüber nachdenken würde. Das Problem ist aber, wenn man darauf besteht, dafür den Leuten erst einmal etwas wegzunehmen, muss man ihnen dafür auch etwas geben. Die Natur duldet kein Vakuum – eine alte, aber wahre Aussage. Verdammt – es ist wie eine Herztransplantation. Man entfernt ein Herz, aber man muss dafür ein neues einsetzen. Eines, das funktioniert. Und man muss sich erst einmal das Herz, das man einsetzen will, besorgen, bevor man das schadhafte entfernt, das einer noch in der Brust trägt. Am besten sollte man die meisten dieser Dinge auf sich beruhen lassen, aber ich nehme an, niemand wird auf mich hören. Es ist sowieso nicht mein Thema.»