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«Die Jugend glaubt an die Anarchie. Sie will eine neue Welt, aber zuvor muss man die alte erst zerstören – wie man ein Haus abreißt, bevor man an seiner Stelle ein neues errichten kann. Aber wenn man gar nicht weiß, in welche Richtung man sich bewegt, nicht weiß, auf welchen Weg man gelockt oder sogar vielleicht gestoßen wurde, wie wird dann diese Neue Welt aussehen? Und wo werden die Gläubigen stehen, wenn diese Welt entsteht? Einige werden Sklaven sein, einige verblendet von Hass, andere werden Anhänger von Gewalt und Sadismus sein, die gepredigt und praktiziert werden. Manche – und Gott helfe ihnen – werden immer noch idealistisch sein, immer noch gläubig, wie die Menschen in Frankreich zur Zeit der Französischen Revolution, als man glaubte, die Revolution brächte Wohlstand, Frieden, Glück und Zufriedenheit für die Menschheit.»

«Und was tun wir gegen all das? Was setzen wir dem entgegen?», fragte Admiral Blunt. Horsham antwortete: «Was wir dagegen tun? Alles, was wir können. Ich versichere allen hier Anwesenden: Wir tun, was wir können. Wir haben Mitarbeiter in allen Ländern.

Wir haben Agenten, Leute, die Nachforschungen anstellen, Informationen sammeln und uns übermitteln –»

«Das ist auch dringend notwendig», sagte Oberst Pikeaway. «Erst einmal müssen wir wissen, wer ist wer, wer ist für uns und wer gegen uns. Und dann müssen wir sehen, was man tun kann, wenn das überhaupt möglich ist.»

Horsham fuhr fort: «Unsere Bezeichnung für das Diagramm lautet ‹Der Ring›. Hier ist eine Liste mit allem, was wir über die Bandenführer wissen. Zum Teil wissen wir nur den Namen, unter dem sie bekannt sind – oder wir nehmen nur an, dass sie diejenigen sind, die wir suchen.»

Der Ring

F

Die große Charlotte

Bayer

A

Eric Olafson

Industrieller, Schweden, Waffen

D

angeblich unter dem Namen Demetrios bekannt

Smyrna, Drogen

S

Dr. Sarolensky

Colorado, USA. Physiker/Chemiker – nur ein Verdacht

J

eine Frau.

Hat den Codenamen Juanita.

Ist angeblich gefährlich.

Wirklicher Name unbekannt.

Kapitel 15

Tante Matilda fährt zur Kur

I

«Vielleicht eine Art Badekur?», wagte sich Tante Matilda vor.

«Eine Kur?», fragte Dr. Donaldson. Für einen Augenblick sah er etwas verunsichert aus, verlor die Aura medizinischer Allwissenheit. Das ist einer der Nachteile, überlegte Lady Matilda, wenn man einen jüngeren Hausarzt hat und nicht einen von der alten Sorte, an den man schon seit Jahren gewöhnt war.

«So haben wir das früher genannt», erklärte Lady Matilda. «In meinen jungen Jahren ging man zur Kur, verstehen Sie? Nach Marienbad, Karlsbad, Baden-Baden und so weiter. Gerade neulich habe ich von einem dieser neuen Kurorte in der Zeitung gelesen. Ganz neu und modern. Alles soll nach völlig neuen Prinzipien aufgezogen sein. Nicht, dass ich neuen Ideen gegenüber so aufgeschlossen wäre, aber ich hätte zumindest keine Angst davor. Es wäre wahrscheinlich sowieso nur wieder dasselbe. Wasser, das nach faulen Eiern schmeckt, die neueste Diät, und morgens, zu ungemütlicher Zeit, Spaziergänge, um das Wasser zu trinken oder wie immer das heute heißt. Ich glaube, man bekommt auch Massagen verschrieben. Früher waren es Meeresalgen oder Seegras. Aber dieser Ort liegt irgendwo in den Bergen. In Bayern oder Österreich oder irgendwo da. Deshalb glaube ich nicht, dass es Seegras ist. Hängendes Moos oder vielleicht auch Zottelmoos – das klingt wie ein Hund. Und vielleicht gibt es auch ein sehr angenehmes Mineralwasser, außer dem schwefligen Eierwasser. Es soll dort wunderbare Gebäude geben, habe ich gehört. Das Einzige, was einen heute beunruhigen könnte, ist die Tatsache, dass in den modernen Gebäuden nirgendwo Treppengeländer angebracht sind. Ganze Treppenfluchten und nichts, woran man sich festhalten kann.»

«Ich glaube, ich weiß, welchen Ort Sie meinen», sagte Dr. Donaldson. «Er wird gerade sehr angepriesen in der Presse.»

«Nun, Sie wissen, wie man ist in meinem Alter», sagte Lady Matilda. «Man probiert gern etwas Neues aus. Einfach nur, um sich zu amüsieren. Man hat nicht wirklich das Gefühl, dass es der Gesundheit dient. Sie halten es aber trotzdem nicht für eine schlechte Idee, oder, Dr. Donaldson?»

Dr. Donaldson sah sie an. Er war gar nicht so jung, wie Lady Matilda vermutete. Er ging gerade auf die vierzig zu. Er war ein taktvoller und freundlicher Mensch, bereit, seinen älteren Patienten ihren Willen zu lassen, soweit es in Ordnung war. Solange keine Gefahr bestand, dass sie etwas unternahmen, das ihnen schadete.

«Ich bin sicher, dass es Ihnen guttun würde», sagte er. «Die Reise ist natürlich ein bisschen anstrengend, obwohl man heute ja mit dem Flugzeug schnell und leicht überallhin gelangt.»

«Schnell, ja. Leicht, nein», erwiderte Lady Matilda. «Mit all den Rampen und Rolltreppen, dem Ein- und Aussteigen in Busse und aus Bussen, vom Flugplatz zur Maschine, in die Maschine zu einem anderen Flugplatz und von dort wieder in einen Bus. All das, verstehen Sie. Aber ich glaube, man kann mittlerweile sogar Rollstühle auf dem Flughafen bekommen.»

«Aber sicher doch. Eine ausgezeichnete Idee. Wenn Sie versprechen, das auch zu tun, und nicht glauben, Sie könnten überall zu Fuß hingehen –»

«Ich weiß, ich weiß», unterbrach ihn seine Patientin. «Sie verstehen schon. Sie sind wirklich ein verständnisvoller Mann. Aber man hat doch seinen Stolz, und solange man noch mit einem Stock oder ein wenig Hilfe umherhumpeln kann, möchte man doch wirklich nicht völlig gebrechlich wirken oder bettlägerig. Es wäre leichter, wenn ich ein Mann wäre.» Sie dachte nach. «Ich meine, man könnte ein Bein mit einer enormen Bandage und diesen Polstern umwickeln, dann sähe es aus, als hätte man Gicht. Ich will damit sagen, Gicht ist in Ordnung für das männliche Geschlecht. Keiner nimmt einem das übel. Einige denken dann, da habe jemand wohl etwas zu tief in sein Portweinglas geblickt. Das dachte man früher, obwohl ich nicht glaube, dass das wirklich stimmt. Von Portwein bekommt man keine Gicht. Ja, ein Rollstuhl, und ich könnte nach München fliegen oder irgendwohin da in der Nähe. Man könnte dort einen Wagen bestellen.»

«Sie nehmen Miss Letheran natürlich mit.»

«Amy? Selbstverständlich. Ohne sie kann ich gar nichts unternehmen. Sie denken also nicht, dass es mir schaden würde?»

«Ich denke, es wird Ihnen sogar guttun.»

«Sie sind wirklich ein netter Mensch.»

Lady Matilda bedachte ihn mit einem Augenzwinkern, an das er sich nun schon langsam gewöhnt hatte.

«Sie denken, es wird mir gefallen und mich ein wenig aufheitern, wenn ich an einen neuen Ort reise und neue Gesichter sehe. Und Sie haben natürlich völlig recht. Aber ich möchte mir einbilden, ich fahre zur Kur, auch wenn ich nichts zu kurieren habe. Nicht wirklich, oder? Außer meinem Alter. Leider kann man das Alter nicht kurieren, es wird nur schlimmer, nicht wahr?»

«Wichtig ist doch nur, dass es Ihnen Spaß macht. Und das glaube ich schon. Übrigens, wenn Sie etwas zu sehr anstrengt, dann lassen Sie es sein.»

«Auch wenn das Wasser nach faulen Eiern schmeckt, ich werde es trinken. Nicht, weil ich es mag oder weil ich glaube, dass es mir guttut. Aber es gibt einem so ein Gefühl von Kasteiung. So wie bei den alten Frauen in unserem Dorf. Sie wollten immer eine gute, starke Medizin. Schwarz, lila oder dunkelrosa, mit starkem Pfefferminzgeschmack. Sie glaubten, das wirke viel besser als eine nette kleine Pille oder eine Flasche, die nur wie ordinäres Wasser aussieht, ohne jede exotische Färbung.»

«Sie wissen zu viel vom Wesen der Menschen», sagte Dr. Donaldson.