Выбрать главу

Ein leichter Zug von Ungeduld ging über das abgezehrte Gesicht.

«Das weiß er alles», sagte Mr. Robinson plötzlich. «Es ist nicht nötig, alles noch mal durchzukauen. Er weiß über alles Bescheid.»

Er fragte:

«Erinnern Sie sich an Admiral Blunt?»

Der Kopf senkte sich wieder. Etwas wie ein Lächeln erschien auf den schiefen Lippen.

«Admiral Blunt erinnert sich an eine wissenschaftliche Arbeit, die Sie für ein bestimmtes Projekt durchgeführt haben – ich glaube, Sie nennen so etwas ein Projekt? Projekt Benvo.»

Sie sahen seinen aufmerksamen Blick.

«Projekt Benvo», sagte Miss Neumann. «Da gehen Sie aber weit zurück, Mr. Robinson, wenn Sie sich daran erinnern.»

«Es war Ihr Projekt, nicht wahr?», fragte Mr. Robinson.

«Ja, es war sein Projekt», Miss Neumann sprach jetzt mit mehr Selbstverständlichkeit für ihn.

«Wir können keine Atomwaffen einsetzen, keinen Sprengstoff, kein Gas, keine Chemie. Aber Ihr Projekt, Projekt Benvo, könnten wir nutzen.»

Stille herrschte. Und dann kamen da wieder diese seltsamen verzerrten Laute aus dem Mund von Professor Shoreham.

«Er sagt», übersetzte Miss Neumann, «Benvo wäre erfolgreich einsetzbar unter den Umständen, in denen wir uns gegenwärtig befinden –»

Der Mann im Sessel hatte sich ihr zugewandt und sagte etwas zu ihr.

«Er möchte, dass ich es Ihnen erkläre», sagte Miss Neumann, «an Projekt B. später Projekt Benvo genannt, hat er lange Jahre gearbeitet, hat es aber letzten Endes aus persönlichen Gründen aufgegeben.»

«Weil er sein Projekt nicht wirklich realisieren konnte?»

«Nein, er war nicht gescheitert», sagte Lisa Neumann. «Wir sind nicht gescheitert. Ich habe mit ihm an diesem Projekt gearbeitet. Er hat es aus ganz bestimmten Gründen aufgegeben, aber gescheitert ist er nicht. Er hatte Erfolg. Er war auf dem richtigen Weg, hat es entwickelt, in verschiedenen Laborexperimenten getestet, und es hat funktioniert.» Sie wandte sich wieder Professor Shoreham zu, machte ein paar Handbewegungen, berührte ihre Lippen, das Ohr, den Mund nach einem merkwürdigen Code.

«Ich habe ihn gefragt, ob ich erklären soll, wie Benvo funktioniert. Und er möchte wissen, wie Sie davon erfahren haben.»

«Wir haben darüber von einer alten Freundin von Ihnen gehört. Nicht von Admiral Blunt, er konnte sich nicht mehr an viel erinnern, sondern von der anderen Person, mit der Sie einmal darüber gesprochen haben, Lady Matilda Cleckheaton.»

Wieder drehte sich Miss Neumann ihm zu und sah ihm auf die Lippen. Sie lächelte schwach.

«Er sagt, er dachte, Matilda sei schon vor Jahren gestorben.»

«Sie ist durchaus noch am Leben, und sie hatte die Idee, dass wir uns Professor Shorehams Entdeckung anhören sollten.»

«Professor Shoreham wird Ihnen die Hauptpunkte dessen, was sie wissen wollen, erklären. Doch er muss Sie warnen, dass dieses Wissen völlig wertlos für Sie ist. Papiere, Formeln, Berichte und Nachweise dieser Versuche, alles wurde vernichtet. Aber da Ihre Fragen nur mit einer allgemeinen Beschreibung von Projekt Benvo zu befriedigen sind, kann ich Ihnen genau erklären, worin es besteht. Die Anwendung und der Zweck von Tränengas zur Kontrolle einer aufrührerischen Menge sind Ihnen bekannt, bei gewalttätigen Demonstrationen und so weiter. Es löst einen Weinkrampf aus, schmerzhafte Tränen und Schleimhautentzündungen.»

«Und das hier ist etwas Ähnliches?»

«Nein, es ist nicht im Mindesten ähnlich, aber es kann demselben Zweck dienen. Die Wissenschaftler haben sich etwas einfallen lassen. Man kann nicht nur die Grundgefühle und -reaktionen der Menschen ändern, sondern auch geistige Charakteristika. Man kann den Charakter eines Menschen verändern. Die Eigenschaften eines Aphrodisiakums sind wohlbekannt. Sie führen zu einem Zustand sexuellen Begehrens, es gibt verschiedene Drogen, Gase oder Drüsenoperationen – jedes dieser Dinge kann zu einer Veränderung der Geisteskraft, gesteigerter Energie wie etwa bei Veränderungen an der Schilddrüse führen. Professor Shoreham möchte Ihnen mitteilen, dass es einen bestimmten Prozess gibt – er wird Ihnen jetzt nicht sagen, ob es Drüsen betrifft oder ein Gas, das man herstellen kann, aber es gibt etwas, das den Menschen in seiner ganzen Lebenseinstellung verändern kann – in seinen Reaktionen auf andere Menschen und das Leben im Allgemeinen. Er kann sich in einem Zustand mörderischer Wut befinden, er kann krankhaft gewalttätig sein, doch durch den Einfluss von Projekt Benvo verwandelt er sich völlig in jemand anders. Er wird – es gibt nur eine Bezeichnung dafür, die schon im Namen liegt, er wird benevolent, gütig. Er möchte anderen Gutes tun. Er strahlt Freundlichkeit aus. Er verabscheut es, anderen Schmerzen zu bereiten oder Gewalt anzuwenden. Benvo kann über eine große Fläche verteilt werden, es kann auf Hunderte, Tausende von Menschen einwirken, wenn es in ausreichenden Mengen hergestellt und erfolgreich verteilt wird.»

«Wie lange hält die Wirkung an?», fragte Oberst Munro. «Vierundzwanzig Stunden? Länger?»

«Sie verstehen nicht», sagte Miss Neumann. «Es ist von Dauer.»

«Dauerhaft? Sie verändern die Natur eines Menschen, Sie haben einen Bestandteil seines Daseins verändert, natürlich einen physischen Bestandteil, was eine permanente Wesensveränderung hervorgerufen hat. Und das können Sie nicht wieder rückgängig machen? Sie können ihn nicht wieder in den Zustand zurückversetzen, in dem er sich befunden hat? Man muss es als permanente Veränderung akzeptieren?»

«Ja. Zunächst war es vielleicht nur eine Entdeckung von eher medizinischem Interesse, aber Professor Shoreham hatte es vorgesehen als Abschreckungsmittel zur Anwendung im Krieg, bei Massenaufständen, Aufruhr, Revolutionen, Anarchie. Er betrachtete es nicht rein medizinisch. Es erzeugt keine Glücksgefühle bei den Betroffenen, nur den großen Wunsch, andere glücklich zu machen. Das ist ein Gefühl, das jeder das ein oder andere Mal im Leben empfindet. Man hat den großen Wunsch, jemanden, eine Person oder viele Menschen – gesund, glücklich und zufrieden zu sehen, all diese Dinge. Und da die Menschen diese Dinge empfinden können und sie auch wirklich empfinden, muss es eine Komponente im Körper geben, die diesen Wunsch kontrolliert. Und wenn man diese Komponente einsetzt, kann es in Ewigkeit so weitergehen.»

«Wunderbar», sagte Mr. Robinson.

Er klang eher nachdenklich als begeistert.

«Wunderbar. Welche Entdeckung. Was für eine Sache, die man da zum Einsatz bringen kann – aber warum sollte man es tun?»

Der Kopf auf der Sessellehne drehte sich langsam zu Mr. Robinson:

«Er sagt, sie verstehen es besser als die anderen.»

«Aber das ist doch die Lösung», sagte James Kleek. «Es ist die exakte Lösung. Es ist wunderbar.»

Miss Neumann schüttelte den Kopf.

«Projekt Benvo», sagte sie, «steht nicht zum Verkauf und ist nicht zu verschenken. Es ist aufgegeben worden.»

«Wollen Sie damit sagen, die Antwort lautet Nein?», fragte Oberst Munro ungläubig.

«Ja. Professor Shoreham sagt, die Antwort lautet Nein. Er hat entschieden, es sei gegen –»

Sie hielt einen Augenblick inne und sah wieder auf den Mann im Sessel. Er machte eigenartige Gesten mit dem Kopf, mit einer Hand, und ein paar gutturale Laute kamen aus seinem Mund. Sie wartete und sagte dann: «Er wird es Ihnen selbst sagen, er hatte Angst. Angst vor dem, was die Wissenschaft angerichtet hat in der Zeit ihrer Triumphe, ihrer Vorherrschaft. Die Dinge, die man herausgefunden hat und weiß, die Dinge, die man entdeckt und der Welt überantwortet hat. Die Wunderdrogen, die sich nicht immer als Wunderdrogen herausstellten. Das Penicillin, das Leben gerettet hat, und das Penicillin, das Leben genommen hat. Die Herztransplantationen, die Enttäuschung gebracht haben, und die Enttäuschung, wenn der Tod plötzlich unerwartet eintritt. Er hat im Zeitalter der Atomspaltung gelebt; es gab neue Vernichtungswaffen. Die Tragödie der Radioaktivität; die Umweltverseuchung, die neue industrielle Entdeckungen mit sich gebracht haben. Er hatte Angst vor dem, was die Wissenschaft anrichten könnte, wenn sie unkontrolliert angewendet würde.»