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«Früher bezeichnete man das als ‹arm, aber ehrlich›», sagte Sir Stafford Nye nachdenklich, «ich nehme an, Sie würden es anders ausdrücken. Sie würden unseren Mr. Robinson als teuer, aber ehrlich bezeichnen. Oder, sagen wir es so: ehrlich, aber teuer.» Er seufzte. «Ich wünschte, Sie könnten mir erklären, worum es hier eigentlich geht», sagte er anklagend. «Da bin ich anscheinend in etwas verwickelt und habe keinen Schimmer, was es ist.»

Er schaute Henry Horsham hoffnungsvoll an, aber Horsham schüttelte den Kopf.

«Keiner von uns weiß es. Zumindest nicht genau», sagte er.

«Was könnte ich denn hier versteckt haben, dass jemand kommt, herumwühlt und es sucht?»

«Offen gestanden, ich habe keine blasse Ahnung, Sir Stafford.»

«Nun, das ist schade, denn ich habe auch keine.»

«Soweit Sie wissen, haben Sie gar nichts. Niemand hat Ihnen etwas gegeben, zum Mitnehmen irgendwohin oder zur Aufbewahrung?»

«Rein gar nichts. Wenn sie Mary Ann meinen, so sagte sie, sie müsse ihr Leben retten, sonst nichts.»

«Sie haben ihr Leben gerettet, es sei denn, es stünde etwas anderes in den Abendzeitungen.»

«Dieses Kapitel scheint so ziemlich abgeschlossen zu sein, nicht wahr? Schade. Ich werde immer neugieriger. Ich möchte nur allzu gerne wissen, was als Nächstes passiert. Ihr scheint alle sehr pessimistisch zu sein.»

«Offen gestanden sind wir das. Die Dinge entwickeln sich nicht gerade zum Besten in diesem Land. Wundert Sie das?»

«Ich weiß, was Sie meinen. Ich frage mich manchmal selbst…»

Kapitel 4

Dinner mit Eric

I

«Darf ich dir etwas erzählen?», fragte Eric Pugh.

Sir Stafford Nye sah ihn an. Er kannte Eric Pugh schon viele Jahre. Sie waren nie enge Freunde gewesen. Der gute Eric war – das fand zumindest Sir Stafford – ein ziemlich langweiliger Kerl. Allerdings war er treu. Und er war der Typ Mensch, der, auch wenn er nicht sehr amüsant war, das Talent besaß, alles in Erfahrung zu bringen. Alle möglichen Leute erzählten ihm irgendetwas, und er behielt es und speicherte es ab. Manchmal besaß er nützliche Informationen.

«Du bist also wieder zurück von der Konferenz in Malaysia?»

«Ja», erwiderte Sir Stafford.

«Ist irgendwas Besonderes los gewesen dort?»

«Nur das Übliche», antwortete Sir Stafford.

«Ach. Ich frage mich, ob etwas, na, du weißt schon, was ich meine. Ob irgendwas passiert ist, was die Hühner aufgescheucht hat.»

«Was, auf der Konferenz? Nein, alles war peinlich vorhersehbar. Jeder sagte genau das, was man erwartet hatte, leider nur viel ausführlicher, als man für möglich gehalten hätte. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt an solchen Veranstaltungen teilnehme.»

Eric Pugh machte ein oder zwei langweilige Bemerkungen über die wahren Absichten der Chinesen.

«Ich glaube nicht, dass sie wirklich irgendetwas im Schilde führen», sagte Sir Stafford. «Immer die üblichen Gerüchte über die Krankheiten des armen alten Mao, weißt du, und wer gegen ihn intrigiert und warum.»

«Und was ist mit der Arabien-Israel-Geschichte?»

«Das entwickelt sich auch nach Plan. Nach ihrem Plan, heißt das. Und überhaupt, was hat das mit Malaysia zu tun?»

«Nun, ich habe gerade nicht über Malaysia gesprochen.»

«Jetzt siehst du aus, wie die falsche Schildkröte aus Alice im Wunderland.»

«Nun, ich habe mich nur gefragt – vergib mir –, ob du nicht irgendetwas getan hast, was dir einen dunklen Fleck in deiner Akte eingetragen hat.»

«Ich?», fragte Sir Stafford und sah höchst überrascht aus.

«Nun, du weißt, wie du bist, Staff. Du versetzt den Leuten manchmal gern einen Schreck, nicht wahr?»

«In letzter Zeit habe ich mich tadellos verhalten», erwiderte Sir Stafford. «Was hast du denn über mich gehört?»

«Ich hörte, dass es auf deiner Heimreise Unannehmlichkeiten im Flugzeug gab.»

«Ach. Von wem hast du denn das gehört?»

«Na, du weißt doch, ich habe den alten Cartison getroffen.»

«Ein schrecklicher alter Langweiler. Er stellt sich immer Dinge vor, die gar nicht existieren.»

«Ja, ich weiß, dass das so ist. Aber er sagte nur, dass irgendjemand – Winterton, zumindest – zu denken schien, du führtest etwas im Schilde.»

«Etwas im Schilde führen? Ich wollte, es wäre so.»

«Irgendein Spionageschwindel läuft irgendwo, und er war ein wenig in Sorge wegen einiger Leute.»

«Was glauben die denn, was ich bin? Ein neuer Philby oder etwas in der Art?»

«Du weißt, dass du manchmal sehr unangebrachte Witze machst.»

«Manchmal kann ich einfach nicht widerstehen», sagte ihm sein Freund. «All diese Politiker und Diplomaten und diese Leute. Sie sind so verdammt ernsthaft. Von Zeit zu Zeit möchte man einfach ein wenig Unruhe stiften.»

«Dein Sinn für Humor ist sehr schräg, mein Junge. Wirklich. Manchmal mache ich mir Sorgen um dich. Sie wollten dir einige Fragen stellen über eine Sache, die auf dem Rückflug passiert ist, und sie scheinen anzunehmen, dass du nicht – nun –, dass du vielleicht nicht die ganze Wahrheit gesagt hast.»

«Aha, das ist es also, was sie denken? Interessant. Das muss ich, glaube ich, erst mal verarbeiten.»

«Nun, mach nur nichts Unüberlegtes.»

«Ich brauche einfach manchmal meinen Spaß.»

«Hör mal, alter Kumpel, du wirst doch nicht deine Karriere ruinieren, nur um deinem schrägen Sinn für Humor nachzugeben?»

«Ich bin recht bald zu dem Schluss gekommen, dass es nichts Langweiligeres gibt als eine Karriere.»

«Ich weiß, ich weiß. Du neigtest schon immer zu dieser Haltung. Und du bist auch nicht so weit aufgestiegen, wie es hätte sein sollen. Du warst einmal im Rennen für Wien. Ich sehe nicht gern, wie du dir alles verscherzt.»

«Ich versichere dir, ich benehme mich mit größter Ernsthaftigkeit und Tugend», sagte Sir Stafford Nye. Er fügte hinzu: «Nimms leicht, Eric. Du bist ein guter Freund, das meine ich ernst.»

Eric schüttelte zweifelnd den Kopf.

Es war ein schöner Abend. Sir Stafford ging zu Fuß durch den Green Park nach Hause. Als er am Birdcage Walk die Straße überquerte, entging er nur um Haaresbreite einem die Straße herunterschießenden Wagen. Sir Stafford war ein sportlicher Mann. Mit einem Satz sprang er auf den Bürgersteig in Sicherheit. Der Wagen verschwand die Straße hinunter. Er wunderte sich. Einen Augenblick lang hätte er schwören können, dass dieser Wagen ihn absichtlich überfahren wollte. Ein interessanter Gedanke. Erst war seine Wohnung durchsucht worden, nun war womöglich er selbst das Ziel. Vielleicht ein bloßer Zufall. Und doch, im Laufe seines Lebens, das er zum Teil in den wildesten Gegenden verbracht hatte, war er der Gefahr oft begegnet. Er wusste sozusagen, wie sich die Gefahr anfühlte. Jetzt spürte er sie. Irgendwo hatte ihn jemand im Visier. Aber warum? Und aus welchem Grund? Soweit er wusste, hatte er seinen Kopf nicht zu weit aus dem Fenster gestreckt.

Er schloss seine Wohnung auf und nahm die Post, die innen auf dem Boden lag. Nichts Besonderes. Ein paar Rechnungen und ein Exemplar der Zeitschrift Lifeboat. Er warf die Rechnungen auf den Schreibtisch und riss die Verpackung von Lifeboat auf. Gelegentlich spendete er dafür. Er blätterte ohne großes Interesse die Seiten durch, weil er noch ganz in Gedanken war. Dann hielt er abrupt inne. Etwas war zwischen zwei Seiten geklebt. Er betrachtete es genau. Es war sein Pass, der ihm überraschenderweise zurückgegeben wurde. Er riss ihn heraus und betrachtete ihn. Der letzte Stempel war der Ankunftsstempel von Heathrow vom Vortage. Sie hatte seinen Pass benutzt, war sicher angekommen und hatte diesen Weg gewählt, um ihn zurückzugeben. Wo war sie jetzt? Er hätte es gern gewusst. Er fragte sich, ob er sie jemals Wiedersehen würde. Wer war sie? Wo war sie hingegangen und warum? Es war wie das Warten auf den zweiten Akt eines Theaterstücks. Eigentlich dachte er, dass der erste Akt noch gar nicht zu Ende war. Was hatte er gesehen? Vielleicht ein altmodisches Eröffnungsspiel. Eine junge Frau, die albernerweise den Wunsch hatte, sich zu verkleiden und als Mann auszugeben. Die die Passkontrolle in Heathrow hinter sich gebracht hatte, ohne Verdacht zu erregen, und durch dieses Tor nach London verschwunden war. Nein, er würde sie wahrscheinlich nie Wiedersehen. Das ärgerte ihn. Aber warum, dachte er, warum möchte ich das? Sie war nicht sonderlich attraktiv, sie war nichts Besonderes. Nein, das war nicht ganz richtig. Sie war schon jemand Besonderes, sonst hätte sie ihn nie dazu verleiten können, ohne spezielle Überredungskunst, ohne sichtbare sexuelle Verführung, mit nichts außer einer einfachen Bitte um Hilfe, zu tun, was sie wollte. Die Bitte eines menschlichen Wesens an das andere, weil – so hatte sie zumindest angedeutet – sie die Menschen kannte und spürte, dass er bereit war, ein Risiko einzugehen, um einem anderen Menschen zu helfen. Und er war tatsächlich ein Risiko eingegangen, dachte Sir Stafford Nye. Sie hätte alles Mögliche in sein Bierglas tun können. Wenn sie es gewollt hätte, hätte man ihn als Leiche auf einem Sessel in der Abflughalle des Flughafens finden können. Und wenn sie sich mit Drogen auskannte – und das tat sie zweifelsohne –, hätte sein Tod als Herzattacke aufgrund der Höhe oder schwieriger Luftdruckverhältnisse gedeutet werden können – irgend so etwas. Aber warum dachte er darüber nach? Er würde sie wohl kaum Wiedersehen, und darüber war er verärgert. Ja, er war verärgert, und das gefiel ihm nicht. Er dachte noch eine Weile über die Sache nach. Dann setzte er eine Anzeige auf, die dreimal erscheinen sollte. «Passagier nach Frankfurt, 3. November. Bitte melden bei Mitreisendem nach London.» Mehr nicht. Entweder würde sie sich melden oder nicht. Wenn ihr die Anzeige jemals unter die Augen kam, würde sie wissen, wer sie aufgegeben hatte. Sie hatte seinen Pass besessen, sie kannte seinen Namen. Sie konnte ihn aufsuchen. Vielleicht würde er von ihr hören. Oder auch nicht. Wahrscheinlich eher nicht. Wenn nicht, würde es bei dem Eröffnungsspiel bleiben, ein albernes kleines Spiel, das Zuspätkommende noch ins Theater einließ und sie unterhielt, bis das Hauptgeschehen des Abends begann. Sehr nützlich in den Zeiten vor dem Krieg. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach würde er nichts mehr von ihr hören, und einer der Gründe war womöglich, dass sie die Sache, wegen der sie nach London gekommen war, bereits erledigt hatte – was immer es auch sein mochte – und dann das Land wieder verlassen hatte und nach Genf, in den Mittleren Osten, nach Russland, China, Südamerika oder in die Vereinigten Staaten geflogen war. Und warum, dachte Sir Stafford, schließe ich Südamerika mit ein? Es muss einen Grund dafür geben. Niemand hatte je Südamerika erwähnt. Außer Horsham, das stimmte. Und selbst Horsham hatte Südamerika nur nebenbei erwähnt.