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Ihnen folgte die Hephaistos-Hütte – sechs Typen, geführt von Charles Beckendorf, einem fünfzehnjährigen Afroamerikaner. Er hatte Hände groß wie Baseballhandschuhe und ein Gesicht, das hart und schlitzäugig aussah, weil er den ganzen Tag in die Esse der Grobschmiede starrte. Er war eigentlich ziemlich nett, wenn man ihn besser kennenlernte, aber niemand nannte ihn jemals Charlie oder Chuck oder auch nur Charles. Die meisten sagten einfach Beckendorf. Angeblich konnte er alles herstellen. Wenn man ihm ein Stück Metall gab, konnte er ein rasierklingenscharfes Schwert oder einen Kriegsroboter oder eine singende Vogelbadewanne für den Garten deiner Großmutter daraus schmieden. Was man sich eben gerade wünschte.

Dann erschienen im Gänsemarsch die übrigen Hütten: Demeter, Apollo, Aphrodite, Dionysos. Najaden kamen vom Kanusee. Dryaden lösten sich aus den Bäumen. Von der Wiese her zog ein Dutzend Satyrn herbei, die mich schmerzlich an Grover erinnerten.

Ich hatte immer schon eine Schwäche für Satyrn gehabt. Wenn sie im Camp waren, mussten sie alle möglichen Arbeiten für den Direktor Mr D ausführen, aber ihre wichtigste Arbeit verrichteten sie draußen in der wirklichen Welt. Sie waren die Sucher des Camps. Sie besuchten in Verkleidung alle Schulen auf der Welt, hielten Ausschau nach möglichen Halbbluten und brachten sie her. Auf diese Weise hatte ich Grover kennengelernt. Er hatte mich entdeckt.

Als die Satyrn sich zum Abendessen in den Pavillon eingefunden hatten, kam die Hermes-Hütte als Nachhut. Sie war immer die größte Hütte. Im vergangenen Sommer war sie von Luke angeführt worden, dem Typen, der oben auf Half-Blood Hill an der Seite von Thalia und Annabeth gekämpft hatte. Ich hatte eine Zeit lang, ehe Poseidon sich zu mir bekannt hatte, in der Hermes-Hütte gehaust. Luke hatte meine Freundschaft gesucht … und dann versucht, mich umzubringen.

Jetzt wurde die Hermes-Hütte von Travis und Connor Steel angeführt. Sie waren keine Zwillinge, sahen aber so aus. Ich konnte mir nie merken, welcher der Ältere war. Sie waren beide groß und dünn und hatten wilde braune Mähnen, die ihnen in die Augen hingen. Sie trugen orangefarbene T-Shirts mit der Aufschrift CAMP HALF-BLOOD über ihren ausgebeulten Shorts, und sie hatten die elfenhaften Züge aller Hermes-Kinder: nach oben geschwungene Augenbrauen, sarkastisches Lächeln und ein Funkeln in den Augen, wenn sie dich ansahen – als ob sie dir gerade einen Knallfrosch ins Hemd werfen wollten. Ich fand es immer seltsam, dass der Gott der Diebe Kinder mit dem Nachnamen Steel hatte, aber als ich das Travis und Connor gegenüber einmal erwähnte, haben sie mich fragend angestarrt, als ob sie den Witz nicht kapiert hätten.

Als die letzten Campbewohner im Pavillon verschwunden waren, führte ich Tyson in die Mitte. Es wurde still. Alle schauten uns an.

»Wer hat das denn eingeladen?«, murmelte irgendwer am Apollo-Tisch.

Ich starrte wütend hinüber, konnte aber nicht feststellen, wer es war.

Vom Lehrertisch hörte ich eine vertraute Stimme: »Na, wenn das nicht Peter Johnson ist. Tausend Jahre Freude.«

Ich knirschte mit den Zähnen. »Percy Jackson … Sir.«

Mr D nippte an seiner Cola light. »Jaja, – wie ihr jungen Leute heutzutage immer sagt: egal.«

Er trug sein übliches Hawaiihemd mit Leopardenmuster, Laufshorts und Tennisschuhe mit schwarzen Socken. Mit seinem Schmerbauch und seinem aufgedunsenen roten Gesicht sah er aus wie ein Tourist in Las Vegas, der abends im Kasino versackt ist. Hinter ihm pellte ein nervös aussehender Satyr Trauben und reichte Mr D eine nach der anderen.

Mr D heißt in Wirklichkeit Dionysos. Der Gott des Weines. Zeus hatte ihn zum Leiter von Camp Half-Blood ernannt, weil er dreihundert Jahre lang ausnüchtern sollte – als Strafe dafür, dass er eine Waldnymphe belästigt hatte, die nicht für ihn bestimmt gewesen war.

Neben ihm, wo sonst Chiron saß (oder stand, in Zentaurengestalt), befand sich jemand, den ich noch nie gesehen hatte – ein bleicher, entsetzlich dünner Mann in einem fadenscheinigen orangefarbenen Häftlingsoverall. Die Nummer über seiner Brusttasche war 0001. Er hatte blaue Schatten unter den Augen, schmutzige Fingernägel und schlecht geschnittene graue Haare, als sei er zuletzt mit einer Sense geschoren worden. Er starrte mich an und sein Blick machte mich nervös. Er sah … fertig aus. Wütend und frustriert und hungrig, alles auf einmal.

»Dieser Knabe«, sagte Dionysos zu ihm, »den solltest du im Auge behalten. Poseidons Kleiner, du weißt schon.«

»Ah«, sagte der Häftling. »Der.«

Sein Tonfall verriet mir, dass er und Dionysos schon ausgiebig über mich gesprochen hatten.

»Ich bin Tantalus«, sagte der Mann mit kaltem Lächeln. »Im Sondereinsatz hier, bis … also, bis mein Herr Dionysos andere Verfügungen trifft. Und was dich betrifft, Perseus Jackson: Ich erwarte von dir, dass du keinen Ärger mehr machst.«

»Ärger?«, fragte ich.

Dionysos schnippte mit den Fingern. Auf dem Tisch erschien eine Zeitung – die erste Seite der heutigen »New York Post«. Und sie zeigte ein Foto von mir an der Meriwether Prep. Ich war zu verstört, um mit meiner Legasthenie auch nur die grellorange Schlagzeile zu lesen, aber ich konnte mir vorstellen, was da stand. So in etwa: Junger Irrer (13) steckt Turnhalle an.

»Ja, Ärger«, sagte Tantalus zufrieden. »Im vergangenen Sommer hast du jede Menge davon gemacht, wenn ich das richtig verstanden habe.«

Ich war zu wütend, um etwas sagen zu können. War jetzt ich daran schuld, dass die Götter sich fast in einen Bürgerkrieg gestürzt hätten?

Ein Satyr schlich mit nervöser Miene herbei und stellte einen Grillteller vor Tantalus hin. Der neue Unterrichtskoordinator leckte sich die Lippen. Er schaute seinen leeren Becher an und sagte: »Malzbier. Bargs Sonderabfüllung, 1967.«

Der Becher füllte sich mit einer schäumenden Flüssigkeit. Tantalus streckte zögernd die Hand aus und schien zu fürchten, der Becher könne heiß sein.

»Na los, Alter«, sagte Dionysos mit seltsamem Funkeln in den Augen. »Vielleicht klappt es jetzt.«

Tantalus griff nach dem Becher, aber der rutschte weg, ehe er ihn zu fassen bekam. Ein paar Tropfen Malzbier schwappten heraus und Tantalus versuchte, sie mit den Fingern aufzufangen, aber die Tropfen kullerten wie Quecksilber davon. Er knurrte und wandte sich seinem Grillteller zu. Er nahm seine Gabel und wollte ein Stück Fleisch aufspießen, aber der Teller rutschte über den Tisch, flog am Ende herunter und landete im Kohlenbecken.

»Verflixt!«, murmelte Tantalus.

»Keine Sorge«, sagte Dionysos und seine Stimme troff vor falschem Mitgefühl. »Vielleicht noch ein paar Tage. Glaub mir, alter Knabe, die Arbeit hier im Camp wird Qual genug sein. Ich bin sicher, dein Fluch wird nach und nach verfliegen.«

»Nach und nach«, murmelte Tantalus und starrte Dionysos’ Cola light an. »Hast du überhaupt eine Vorstellung, was für eine trockene Kehle man nach dreitausend Jahren hat?«

»Sie sind dieser Geist auf den Feldern der Bestrafung«, sagte ich. »Der, der im See steht, und über Ihnen hängen Zweige voller Obst, aber Sie können weder essen noch trinken.«

Tantalus fauchte mich an: »Bist wohl ein richtiger Gelehrter, was?«

»Sie müssen zu Ihren Lebzeiten etwas ganz Entsetzliches verbrochen haben«, sagte ich ziemlich beeindruckt. »Aber was?«

Tantalus kniff die Augen zusammen. Die Satyrn hinter ihm schüttelten heftig die Köpfe, um mich zu warnen.

»Ich werde dich im Auge behalten, Percy Jackson«, sagte Tantalus. »Ich will in meinem Camp keinen Ärger.«

»Ihr Camp hat schon Ärger … Sir.«

»Ach, setz dich, Johnson«, seufzte Dionysos. »Ich glaube, der Tisch dahinten ist deiner – der, an dem sonst niemand sitzen will.«