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»Höhö. Höhö!« Der Bärenmann hob die beiden hoch und bleckte die Zähne.

Und dann brach der ganze Hades los.

WUSCH!

Ein Pfeil mit roten Federn ragte aus Oreios’ Mund. Mit einem überraschten Ausdruck in seinem behaarten Gesicht zerbröckelte er auf dem Deck.

»Bruder«, heulte Agrios. Er ließ die Pegasuszügel gerade lange genug los, dass die schwarze Stute ihm einen Tritt vor den Kopf geben konnte und dann über die Bucht von Miami davonflog.

Für den Bruchteil einer Sekunde waren Lukes Leute zu verblüfft, um mehr zu tun, als zuzusehen, wie die Körper der Bärenzwillinge sich in Rauch auflösten.

Dann hörten wir wildes Kriegsgeschrei und Hufe, die über Metall donnerten. Ein Dutzend Zentauren kam von der Hauptreppe herangaloppiert.

»Ponys«, rief Tyson glücklich.

Meinem Kopf fiel es schwer, alles zu verarbeiten, was ich sah. Chiron war unter den Zentauren, seine Verwandten aber hatten kaum Ähnlichkeit mit ihm. Es gab Zentauren mit dem Rumpf schwarzer arabischer Hengste, andere mit goldenem Palominofell, wieder andere mit orangefarbenen und weißen Flecken, wie Karussellpferde. Einige trugen knallbunte T-Shirts mit dem Aufdruck PARTYPONYS Ortsgruppe SÜDFLORIDA. Einige waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet, manche mit Baseballschlägern, andere mit Paintballpistolen. Einer hatte sein Gesicht wie ein Komantschenkrieger angemalt und schwenkte eine riesige Styroporhand, die eine große Nummer 1 darstellte. Ein anderer war nackt und ganz und gar grün angemalt. Ein Dritter hatte eine riesengroße Brille mit Augäpfeln, die an Sprungfedern herumhüpften, und eine Baseballmütze, auf der an beiden Seiten Halterungen für Getränkedosen angebracht waren.

Sie brachen so wild und bunt über das Deck herein, dass es für einen Moment sogar Luke die Sprache verschlug. Ich wusste nicht, ob sie zum Feiern oder zum Angreifen gekommen waren.

Offenbar zu beidem. Als Luke sein Schwert hob, um seine Truppen zusammenzurufen, gab ein Zentaur einen Pfeil mit einem ledernen Boxhandschuh am Ende ab. Er traf Luke ins Gesicht und ließ ihn in den Swimming-Pool stürzen.

Seine Krieger liefen auseinander. Ich konnte ihnen da keine Vorwürfe machen. Die Hufe eines sich aufbäumenden Pferdes vor sich zu haben ist schlimm genug – aber wenn es sich um einen Zentauren mit einer Limo trinkenden Mütze handelt, ergreift wohl selbst der tapferste Krieger die Flucht.

»Los, schnappt sie euch«, schrie ein Partypony.

Dann feuerten sie ihre Paintballpistolen ab. Eine Welle aus Gelb und Blau explodierte vor Lukes Kämpfern, blendete sie und bespritzte sie von Kopf bis Fuß. Sie versuchten wegzulaufen, aber dabei rutschten sie aus und stürzten.

Chiron galoppierte zu Annabeth und Grover hinüber, hob sie vom Deck hoch und setzte sie sich auf den Rücken.

Ich versuchte aufzustehen, aber mein verwundetes Bein schien in Flammen zu stehen.

Luke zog sich aus dem Pool.

»Angreifen, ihr Idioten!«, befahl er seinen Leuten. Irgendwo unter Deck ging eine riesige Alarmglocke los.

Ich wusste, dass Lukes Verstärkung jede Sekunde über uns hereinbrechen würde. Schon vergaßen seine Leute ihre Überraschung und griffen die Zentauren mit Schwertern und Speeren an.

Tyson stieß ein halbes Dutzend von ihnen beiseite und warf sie über die Achterreling in die Bucht von Miami. Ein Zentaur knallte einem Gegner seinen Baseballschläger auf den Helm und der Typ taumelte benommen rückwärts. Aber jetzt kam Nachschub die Treppe hoch.

»Rückzug, Brüder«, sagte Chiron.

»Damit kommst du nicht durch, Klepper!«, brüllte Luke. Er hob sein Schwert, wurde aber wieder von einem Boxhandschuhpfeil im Gesicht getroffen und sank in einen Liegestuhl.

Ein Palomino-Zentaur lud mich auf seinen Rücken. »Schnapp dir deinen großen Freund, Dussel!«

»Tyson«, schrie ich. »Komm schon!«

Tyson ließ die beiden Krieger fallen, die er gerade miteinander verknotete, und kam hinter uns hergerannt. Er sprang auf den Rücken des Zentauren.

»Dussel«, ächzte der Zentaur und wäre fast unter Tysons Gewicht zusammengebrochen. »Schon mal was von kohlehydratarmer Ernährung gehört?«

Lukes Krieger stellten sich jetzt als Phalanx auf, aber als sie bereit zum Vorrücken waren, waren die Zentauren schon über das Deck galoppiert und sprangen furchtlos über die Reling, als ob sie sich bei einem Hindernisrennen befänden und nicht zehn Stockwerke hoch. Ich war sicher, dass wir das nicht überleben würden. Wir stürzten der Landungsbrücke entgegen, aber die Zentauren trafen ziemlich sanft auf den Asphalt auf, galoppierten davon und schrien und johlten Beschimpfungen zurück in Richtung Prinzessin Andromeda, während wir durch die Straßen von Miami jagten.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was die Leute in Miami gedacht haben, als wir vorübergaloppierten. Straßen und Gebäude verschwammen, als die Zentauren ihr Tempo steigerten. Der Raum schien sich zu verdichten – und jeder Schritt schien uns viele Kilometer weiterzutragen. Sehr schnell lag die Stadt hinter uns. Wir sprengten durch sumpfige Wiesen mit hohem Gras und Weihern und Krüppelweiden.

Endlich hielten wir auf einem Parkplatz für LKWs an einem Seeufer. Die LKWs waren allesamt Pferdetransporter und sie waren mit Fernsehern und kleinen Kühlschränken und Moskitonetzen eingerichtet. Wir hatten ein Zentaurenlager erreicht.

»Hey, Dussel«, sagte ein Partypony, während es aus seinem Kostüm stieg. »Hast du diesen Bärenheini gesehen? Huch, da hab ich ja einen Pfeil im Mund!«

Der Zentaur mit der Glotzbrille lachte. »Das war schon klasse. Voller Kopfknall!«

Die beiden Zentauren gingen mit voller Wucht aufeinander los und stießen mit den Köpfen aneinander, dann taumelten sie mit blödsinnigem Grinsen in entgegengesetzten Richtungen davon.

Chiron seufzte. Er setzte Annabeth und Grover neben mir auf einer Picknickdecke ab. »Ich wünschte, meine Vettern würden nicht immer ihre Köpfe gegeneinanderstoßen. Sie haben wirklich nicht genug Gehirn, um auch nur etwas davon entbehren zu können.«

»Chiron«, sagte ich, noch immer wie benommen von der Tatsache, dass wir nun hier waren. »Sie haben uns gerettet.«

Er lächelte. »Na ja, ich konnte euch ja nicht sterben lassen, schon gar nicht, wo ihr meinen guten Ruf wiederhergestellt habt.«

»Aber woher wussten Sie, wo wir waren?«, fragte Annabeth.

»Gute Planung, meine Liebe. Ich habe mir ausgerechnet, dass ihr in der Nähe von Miami angeschwemmt werdet, wenn ihr das Meer der Ungeheuer überlebt. Fast alles, was irgendwie seltsam ist, wird in der Nähe von Miami angeschwemmt.«

»Toll, danke«, murmelte Grover.

»Nein, nein«, sagte Chiron. »Das sollte nicht heißen … ach, egal. Ich freue mich wirklich, dich zu sehen, mein junger Satyr. Es war so, dass ich Percys Iris-Message abhören und die Herkunft des Signals ausfindig machen konnte. Iris und ich sind schon seit Jahrhunderten befreundet. Ich habe sie gebeten, mir alle wichtigen Ferngespräche aus dieser Gegend zu übermitteln. Und dann war es nicht weiter schwer, meine Vettern zu überreden, euch zu Hilfe zu eilen. Wir ihr gesehen habt, können wir Zentauren sehr schnell reisen, wenn wir das wollen. Entfernung ist für uns nicht dasselbe wie für Menschen.«

Ich schaute zum Lagerfeuer hinüber, wo drei Partyponys Tyson die Bedienung einer Paintballpistole erklärten. Ich hoffte, dass sie wussten, worauf sie sich eingelassen hatten.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte ich Chiron. »Lassen wir Luke einfach entkommen? Er hat Kronos auf seinem Schiff … oder jedenfalls Teile von ihm.«

Chiron kniete sich hin und faltete vorsichtig seine Beine unter sich zusammen. Er öffnete den Medizinbeutel an seinem Gürtel und fing an, behutsam meine Wunden zu versorgen. »Ich fürchte, Percy, dass wir heute höchstens eine Art Unentschieden erreicht haben. Wir waren nicht genügend Leute, um das Schiff an uns zu bringen. Und Luke war nicht gut genug organisiert, um uns zu verfolgen. Niemand hat gewonnen.«

»Aber wir haben das Vlies«, sagte Annabeth. »Clarisse ist gerade damit unterwegs ins Camp.«