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Chiron nickte, schien aber immer noch besorgt zu sein. »Ihr seid alle echte Helden und Heldinnen. Und sowie wir Percy verarztet haben, müsst ihr nach Half-Blood Hill zurückkehren. Die Zentauren werden euch tragen.«

»Kommen Sie mit?«, fragte ich.

»Aber natürlich, Percy. Es wird eine Erlösung sein, nach Hause zu kommen. Meine Brüder hier wissen Dean Martins Musik einfach nicht zu schätzen. Außerdem muss ich mit Mr D reden. Wir müssen den restlichen Sommer planen. Es steht noch so viel Training aus. Und ich möchte auch … Ich bin neugierig auf das Vlies.«

Ich wusste nicht genau, was er meinte, aber ich machte mir Sorgen, weil Luke gesagt hatte: Ich wollte dir das Vlies überlassen … wenn ich es nicht mehr brauche.

Hatte er einfach gelogen? Ich wusste schon, dass es bei Kronos meistens hinter jedem Plan noch einen anderen Plan gab. Der Titanenherr wurde nicht umsonst der Listenreiche genannt. Er brachte die Leute immer dazu, ihm zu Willen zu sein, ohne seine wahren Absichten auch nur zu ahnen.

Hinten beim Lagerfeuer wütete Tyson jetzt mit der Paintballpistole. Ein blaues Geschoss zerplatzte auf einem Zentauren und schleuderte ihn rückwärts in den See. Der Zentaur tauchte grinsend wieder auf, bedeckt mit Schlamm und blauer Farbe, und hob anerkennend beide Daumen.

»Annabeth«, sagte Chiron. »Du und Grover, könntet ihr vielleicht dafür sorgen, dass Tyson und meine Vettern sich nicht … äh, gegenseitig zu viele schlechte Gewohnheiten beibringen?«

Annabeth schaute ihm ins Gesicht. Auf irgendeine Weise verständigten die beiden sich dabei.

»Klar doch, Chiron«, sagte Annabeth. »Komm schon, Ziegenknabe.«

»Aber ich finde Paintball doof.«

»Tust du nicht.« Sie zog Grover auf die Hufe und führte ihn zum Lagerfeuer.

Chiron verband mein Bein. »Percy, auf dem Weg hierher habe ich mit Annabeth gesprochen. Über die Weissagung.«

Oh, oh, dachte ich.

»Es war nicht ihre Schuld«, sagte ich. »Ich habe sie gezwungen, es mir zu erzählen.«

Seine Augen flackerten gereizt. Ich war sicher, dass er mich jetzt zusammenstauchen würde, aber dann sah er plötzlich besorgt aus. »Ich nehme an, ich konnte es nicht in alle Ewigkeit geheim halten.«

»Dann bin also ich mit der Weissagung gemeint?«

Chiron steckte das restliche Verbandmaterial wieder in seine Gürteltasche. »Wenn ich das wüsste, Percy. Du bist noch keine sechzehn. Wir können dich nur so gut wie möglich ausbilden … und die Zukunft den Moiren überlassen.«

Die Moiren. An diese alten Damen hatte ich schon lange nicht mehr gedacht, aber als Chiron sie nun erwähnte, ging mir ein Licht auf.

»Das hat es also bedeutet«, sagte ich.

Chiron runzelte die Stirn. »Was hat was bedeutet?«

»Vorigen Sommer. Das Omen der Moiren, als ich gesehen habe, wie sie irgendeinen Lebensfaden durchtrennt haben. Ich dachte, das bedeutete, dass ich sofort sterben müsste, aber es ist noch schlimmer. Es hängt mit der Weissagung zusammen. Der Tod, den sie vorhergesagt haben – der wird eintreffen, wenn ich sechzehn bin.«

Chirons Schwanz peitschte nervös im Gras. »Mein Junge, das kannst du nicht mit Sicherheit sagen. Wir wissen nicht einmal, ob die Weissagung von dir handelt.«

»Aber es gibt kein anderes lebendes Halbblutkind der Großen Drei.«

»Soviel wir wissen.«

»Und Kronos kehrt zurück. Er wird den Olymp zerstören.«

»Das wird er versuchen«, stimmte Chiron zu. »Und damit auch die abendländische Zivilisation, wenn wir ihn nicht daran hindern können. Aber wir werden ihn daran hindern. Und in diesem Kampf wirst du nicht allein sein.«

Ich wusste, dass er mich in bessere Stimmung bringen wollte, aber ich musste daran denken, was Annabeth mir erzählt hatte. Alles würde auf einen einzigen Helden ankommen. Auf eine Entscheidung, die das Abendland retten oder zerstören könnte. Und ich war sicher, dass die Moiren mich auf irgendeine Weise gewarnt hatten. Etwas Entsetzliches würde passieren … entweder mir oder jemandem, der mir nahestand.

»Ich bin doch noch ein Junge, Chiron«, sagte ich unglücklich. »Was kann denn ein lausiger Heros gegen etwas wie Kronos ausrichten?«

Chiron brachte ein Lächeln zu Stande. »Was kann ein lausiger Heros … Etwas Ähnliches hat Joshua Lawrence Chamberlain einmal zu mir gesagt, ehe er eigenhändig den Verlauf eures Bürgerkrieges verändert hat.«

Er zog einen Pfeil aus seinem Köcher und drehte ihn so, dass die rasierklingenscharfe Spitze im Licht des Feuers funkelte. »Himmlische Bronze, Percy. Eine unsterbliche Waffe. Was würde passieren, wenn sie einen Menschen träfe?«

»Nichts«, sagte ich. »Sie würde einfach durch ihn durchgehen.«

»Genau«, sagte er. »Menschen existieren nicht auf derselben Ebene wie Unsterbliche. Sie können von unseren Waffen nicht einmal verletzt werden. Aber du, Percy – du bist halb Gott, halb Mensch. Du lebst in beiden Welten. Du kannst von beiden verletzt werden und du kannst beide beeinflussen. Und das ist das ganz Besondere an euch Heroen. Ihr tragt die Hoffnungen der Menschheit ins Reich des Ewigen. Ungeheuer sterben nicht. Sie werden wiedergeboren, aus dem Chaos und dem Barbarentum, die unter der Zivilisation immer weiter brodeln – also aus dem, was Kronos stärker werden lässt. Sie müssen immer wieder besiegt und in Schach gehalten werden. Heroen verkörpern diesen Kampf. In jeder Generation fechtet ihr die Schlachten aus, die die Menschheit gewinnen muss, wenn sie menschlich bleiben will. Verstehst du?«

»Ich … ich weiß nicht.«

»Du musst es versuchen, Percy. Denn ob du nun das Kind aus der Weissagung bist oder nicht – Kronos glaubt, du wärst es. Und nach allem, was heute passiert ist, wird er endgültig die Hoffnung aufgegeben haben, dich auf seine Seite zu bringen. Das war der einzige Grund, warum er dich noch nicht umgebracht hast. Sobald er sicher ist, dass er dich nicht benutzen kann, wird er dich vernichten.«

»Sie hören sich an, als ob Sie ihn kennen.«

Chiron schürzte die Lippen. »Ich kenne ihn ja auch.«

Ich starrte ihn an. Manchmal vergaß ich, wie alt Chiron war. »Hat Mr D Ihnen deshalb die Schuld gegeben, als der Baum vergiftet worden ist? Haben Sie deshalb gesagt, dass manche Leute Ihnen misstrauen?«

»Genau.«

»Aber, Chiron. Ich meine – also wirklich. Warum sollte jemand auf die Idee kommen, dass Sie das Camp jemals an Kronos verraten könnten?«

Chirons Augen waren von sehr tiefem Braun und erfüllt von der Traurigkeit von Jahrtausenden. »Percy, denk an deinen Unterricht. Denk an deine mythologischen Studien. Was ist meine Verbindung zum Titanenherrn?«

Ich versuchte mich zu erinnern, aber ich hatte die Mythologie immer schon durcheinandergeworfen. Sogar jetzt, wo sie so wirklich war, so wichtig für mein Leben, konnte ich mir nur mit Mühe alle Namen und Tatsachen klar vor Augen rufen. Ich schüttelte den Kopf. »Sie, äh, sind Kronos einen Gefallen schuldig? Er hat Ihnen das Leben geschenkt?«

»Percy«, sagte Chiron mit unvorstellbar sanfter Stimme. »Der Titan Kronos ist mein Vater.«

Das Wagenrennen endet mit einem Knall

Wir trafen nur eine Stunde nach Clarisse in Long Island ein und das hatten wir der Geschwindigkeit der Zentauren zu verdanken. Ich saß auf Chirons Rücken, aber wir sprachen nicht viel – schon gar nicht über Kronos. Ich wusste, dass es Chiron schwergefallen war, mir das alles zu erzählen. Ich wollte ihn nicht mit weiteren Fragen bedrängen. Ich meine … mir waren schon viele peinliche Eltern über den Weg gelaufen, aber Kronos, der tückische Titanenherr, der die abendländische Zivilisation zerstören wollte? Das war wirklich nicht die Sorte Dad, die man zum Schulfest mitbringt.

Als wir das Camp erreichten, wollten die Zentauren unbedingt Dionysos kennenlernen. Sie hatten gehört, dass er ziemlich heftige Partys schmiss, aber sie wurden enttäuscht. Der Gott des Weines war nicht in Feierstimmung, als das gesamte Camp sich oben auf dem Half-Blood Hill versammelte.