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Grover sagte, er könne den Empathielink zwischen uns auflösen, jetzt, wo wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, aber ich sagte, ich würde den Link gern behalten, wenn ihm das recht wäre.

Er ließ seine Flöten sinken und starrte mich an. »Aber … wenn ich wieder Ärger kriege, dann bist auch du in Gefahr, Percy! Und musst vielleicht sterben!«

»Wenn du wieder Ärger kriegst, dann will ich das wissen. Und dann werde ich dir wieder zu Hilfe kommen, G-Mann. So und nicht anders will ich das.«

Er wurde rot, war aber schließlich bereit, den Link nicht zu brechen. Danach spielte er den Erdbeerpflanzen wieder »YMCA« vor und ich brauchte keinen Empathielink zu den Erdbeeren, um zu wissen, wie ihnen dabei zu Mute war.

Später, beim Unterricht im Bogenschießen, nahm Chiron mich beiseite und sagte, er habe meine Probleme mit dem Meriwether Prep in Ordnung gebracht. Die Schule glaubte nicht mehr, dass ich ihre Turnhalle abgefackelt hätte. Und ich wurde nicht mehr von der Polizei gesucht.

»Wie haben Sie das geschafft?«, fragte ich.

Chirons Augen funkelten. »Ich habe einfach angedeutet, dass die Sterblichen am fraglichen Tag etwas anderes gesehen haben könnten – eine Heizungsexplosion, mit der du wirklich nichts zu tun hattest.«

»Das haben Sie einfach gesagt und die haben Ihnen das geglaubt?«

»Ich habe den Nebel manipuliert. Irgendwann, wenn du so weit bist, zeige ich dir, wie das geht.«

»Sie meinen … ich kann im nächsten Schuljahr zurück aufs Meriwether?«

Chiron hob eine Augenbraue. »Das nicht, du bist immer noch der Schule verwiesen. Der Rektor, Mr Bonsai, sagt – wie hat er das noch ausgedrückt? – du hättest ein uncharmantes Karma, das die erzieherische Aura der Schule gestört hat. Aber du hast keine Probleme mehr mit Polizei oder Behörden und das war für deine Mutter eine große Erleichterung. Und ja, wo wir gerade von deiner Mutter reden …«

Er hakte sein Telefon von seinem Köcher los und reichte es mir. »Höchste Zeit, dass du sie anrufst.«

Das Schlimmste war der Anfang – die »Percy-Jackson-was-hast-du-dir-bloß-dabei-gedacht-weißt-du-überhaupt-was-ich-mir-für- schreckliche-Sorgen-gemacht-habe-einfach-ohne-Erlaubnis-aus-dem-Lager-ausbüxen-auf-gefährliche-Fahrten-gehen-und-mich-vor-Angst-fast-umbringen«-Nummer.

Aber endlich musste sie doch Atem holen. »Egal. Ich bin ja so froh, dass du in Sicherheit bist.«

Das ist das Großartige an meiner Mom. Sie kann einfach nicht lange sauer sein. Sie gibt sich alle Mühe, aber sie ist dazu eben nicht geschaffen.

»Tut mir leid, Mom«, sagte ich. »Ich werd dich nicht wieder so erschrecken.«

»Versprich das lieber nicht, Percy. Du weißt genau, dass es nur noch schlimmer werden kann.«

Sie versuchte, sich ganz gelassen anzuhören, aber ich merkte, dass sie ziemlich erschüttert war.

Ich hätte gern etwas gesagt, was sie getröstet hätte, aber ich wusste, dass sie Recht hatte. Ich als Halbblut würde immer Dinge tun, die ihr Angst machten. Und je älter ich würde, umso größer würde auch die Gefahr werden.

»Ich könnte für eine Weile nach Hause kommen«, bot ich an.

»Nein, nein, bleib du im Camp. Und trainiere. Tu, was du tun musst. Aber für das nächste Schuljahr kommst du dann doch nach Hause?«

»Sicher, natürlich. Äh, ich meine, wenn es irgendeine Schule gibt, die mich nimmt.«

»Ach, da finden wir schon was, Schatz«, seufzte meine Mutter. »Irgendeine, wo sie uns noch nicht kennen …«

Was Tyson anging, so wurde er im Lager nun wie ein Held behandelt. Ich hätte ihn gern in alle Ewigkeit als Mitbewohner behalten, aber als wir an diesem Abend auf einer Düne saßen und auf den Long Island Sound hinausblickten, rückte er mit einer Neuigkeit heraus, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hätte.

»Daddy hat letzte Nacht einen Traum geschickt«, sagte er. »Ich soll ihn besuchen.«

Ich überlegte, ob das ein Witz sein sollte, aber Tyson hatte wirklich keine Ahnung, wie man Witze macht. »Poseidon hat dir eine Traumbotschaft geschickt?«

Tyson nickte. »Ich soll für den restlichen Sommer unter Wasser kommen. Und lernen, in den Zyklopenschmieden zu arbeiten. Das nennt er ein Prax-, ein Pracht…«

»Ein Praktikum?«

»Ja.«

Ich musste das erst einmal sacken lassen. Ich gebe zu, dass ich ein wenig eifersüchtig war. Mich hatte Poseidon noch nie unter Wasser eingeladen. Aber dann dachte ich … Tyson geht weg? Einfach so?

»Und wann sollst du aufbrechen?«, fragte ich.

»Jetzt.«

»Jetzt. Du meinst … jetzt sofort?«

»Jetzt.«

Ich starrte auf die Wellen im Long Island Sound. Das Wasser färbte sich im Sonnenuntergang rot.

»Das freut mich für dich, Großer«, brachte ich heraus. »Ehrlich.«

»Schwer, meinen neuen Bruder zu verlassen«, sagte er mit einem Zittern in der Stimme. »Aber ich will Dinge herstellen. Waffen für das Camp. Die werdet ihr brauchen.«

Leider wusste ich, dass er Recht hatte. Das Vlies hatte nicht alle Probleme des Camps gelöst. Luke war noch irgendwo unterwegs und sammelte an Bord der Prinzessin Andromeda seine Armee. Kronos entstand neu in seinem goldenen Sarg. Irgendwann würden wir gegen sie kämpfen müssen.

»Du wirst die besten Waffen aller Zeiten schmieden«, sagte ich zu Tyson. Stolz hob ich meine Uhr. »Und ich wette, die können dann auch die Zeit ansagen.«

Tyson schniefte. »Brüder helfen sich gegenseitig.«

»Du bist mein Bruder«, sagte ich. »Das steht fest.«

Er klopfte mir so hart auf den Rücken, dass er mich fast von der Düne geworfen hätte. Dann wischte er sich eine Träne von der Wange und erhob sich. »Und vergiss nicht, den Schild zu benutzen.«

»Werde ich, Großer.«

»Rettet eines Tages dein Leben.«

Das sagte er so selbstverständlich, dass ich mich fragte, ob sein Zyklopenauge in die Zukunft sehen konnte.

Er ging zum Strand hinunter und pfiff dabei. Regenbogen, der Hippocampus, tauchte aus den Wellen auf. Ich sah zu, wie die beiden zusammen ins Reich des Poseidon schwammen.

Als sie verschwunden waren, schaute ich auf meine neue Armbanduhr. Ich drückte auf den Knopf und der Schild entfaltete sich zu seiner vollen Größe. In die Bronze waren Bilder im altgriechischen Stil eingehämmert – Szenen unserer Abenteuer in diesem Sommer. Annabeth erschlug einen laistrygonischen Völkerballspieler, ich kämpfte auf dem Half-Blood Hill gegen die Bronzestiere, Tyson ritt auf Regenbogen auf die Prinzessin Andromeda zu, die C.S.S. Birmingham feuerte ihre Kanonen auf die Charybdis ab. Ich fuhr mit der Hand über das Bild von Tyson, der auf die Hydra einschlug und dabei eine Tüte mit Monster-Donuts hochhielt.

Ich konnte nicht dagegen an, ich war traurig. Ich wusste, dass Tyson sich unten im Meer großartig amüsieren würde. Aber ich würde alles an ihm vermissen – seine Begeisterung für Pferde, die Art, wie er Wagen reparieren oder mit bloßen Händen Metall zerbröckeln oder Schurken zu Knoten binden konnte. Ich würde sogar sein welterschütterndes Schnarchen nachts im Nachbarbett vermissen.

»He, Percy!«

Ich drehte mich um.

Annabeth und Grover standen oben auf der Düne. Ich hatte wohl etwas Sand in die Augen bekommen, denn ich musste immer wieder blinzeln.

»Tyson«, sagte ich zu ihnen. »Er musste …«

»Das wissen wir«, sagte Annabeth leise. »Chiron hat es uns gesagt.«

»Zyklopenschmieden.« Grover schüttelte sich angewidert. »Das Essen in der Cafeteria muss entsetzlich sein. Es gibt … absolut keine Enchiladas.«