Выбрать главу

»Percy?« Paul Blofis sah aus wie vom Blitz getroffen und starrte mich über das Feuer hinweg an. »Was hast du denn getan?«

Schüler schrien und jagten den Flur entlang. Der Feueralarm heulte los. Sprinkleranlagen in der Decke erwachten zischend zum Leben.

Mitten in dem ganzen Chaos zog Rachel mich am Ärmel. »Du musst raus hier!«

Sie hatte Recht. Die Schule stand in Flammen und mir würden sie die Schuld dafür zuschieben. Sterbliche ließen sich vom Nebel täuschen. Für sie würde es aussehen, als ob ich gerade vor einer Gruppe von Zeugen eine hilflose Cheerleaderin überfallen hätte. Und ich würde das alles nicht erklären können. Ich wandte mich von Paul ab und stürzte auf das zerbrochene Fenster des Musiksaals zu.

Ich rannte aus der Seitenstraße auf die East 81st und lief Annabeth genau in die Arme.

»He, du bist aber früh fertig!« Sie lachte und packte mich an den Schultern, damit ich nicht auf die Straße taumelte. »Pass doch auf, wo du hinläufst, Algenhirn!«

Für den Bruchteil einer Sekunde war sie guter Laune und alles war in Ordnung. Sie trug Jeans und ein orangefarbenes Camp-T-Shirt und ihre Halskette aus Tonkugeln. Die blonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ihre grauen Augen funkelten. Sie sah aus wie auf dem Weg ins Kino oder um einen Nachmittag mit mir abzuhängen.

Dann kam Rachel Elizabeth Dare, noch immer mit Monsterstaub bedeckt, aus der Seitenstraße gerannt und schrie: »Percy, warte auf mich!«

Annabeths Lächeln verschwand. Sie starrte zuerst Rachel und dann die Schule an. Und erst jetzt schien sie den schwarzen Rauch und den heulenden Feueralarm zu bemerken.

Sie sah mich stirnrunzelnd an. »Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt? Und wer ist das da?«

»Äh, Rachel – Annabeth. Annabeth – Rachel. Äh, sie ist eine Freundin, würde ich sagen.«

Ich wusste nicht so recht, wie ich Rachel sonst nennen sollte. Ich kannte sie schließlich kaum, aber nachdem wir zweimal gemeinsam in Lebensgefahr geschwebt hatten, konnte ich sie wohl nicht mehr als flüchtige Bekannte bezeichnen.

»Hallo«, sagte Rachel. Dann drehte sie sich zu mir um. »Du hast ganz schön viel Ärger am Hals. Und du schuldest mir noch immer eine Erklärung.«

Auf dem FDR Drive heulten Polizeisirenen.

»Percy«, sagte Annabeth kalt. »Wir sollten gehen.«

»Ich will mehr über Halbblute wissen«, beharrte Rachel. »Und über Monster. Und diesen Götterkram.« Sie packte meinen Arm, zog einen Filzstift hervor und schrieb mir eine Telefonnummer auf die Hand. »Du rufst mich an und erklärst mir alles, okay? Das bist du mir schuldig. Und jetzt mach, dass du wegkommst.«

»Aber …«

»Ich denk mir irgendwas aus«, sagte Rachel. »Ich sage ihnen, dass es nicht deine Schuld war. Geh einfach!«

Sie rannte zurück zur Schule und ließ Annabeth und mich auf der Straße stehen.

Annabeth starrte mich für eine Sekunde an. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte davon.

»He!« Ich trabte hinter ihr her. »Da waren zwei Empusen«, versuchte ich zu erklären. »Sie hatten sich als Cheerleaderinnen verkleidet und sie haben gesagt, das Camp wird abgefackelt werden und …«

»Du hast einer Sterblichen etwas über Halbblute erzählt?«

»Sie kann durch den Nebel sehen. Sie hat die Monster vor mir erkannt.«

»Also hast du ihr die Wahrheit gesagt.«

»Sie hat sich vom Hoover-Damm her an mich erinnert, deshalb …«

»Du bist ihr schon mal begegnet?«

»Äh, letzten Winter. Aber echt, ich kenne sie kaum.«

»Sie sieht gar nicht schlecht aus.«

»Das – das ist mir noch gar nicht aufgefallen.«

Annabeth ging weiter in Richtung York Avenue.

»Ich bring das mit der Schule in Ordnung«, versprach ich. Ich wollte unbedingt das Thema wechseln. »Ehrlich, das wird schon gut gehen.«

Annabeth würdigte mich keines Blickes. »Ich geh mal davon aus, dass unser Nachmittag abgeblasen ist. Wir müssen dich von hier wegbringen, jetzt, wo die Polizei dich sucht.«

Von der Goode High School hinter uns quoll Rauch auf. In der dunklen Rauchsäule glaubte ich fast, ein Gesicht sehen zu können, eine Dämonin mit roten Augen, die mich auslachte.

Bald wird dein hübsches kleines Camp in Flammen aufgehen, hatte Kelli gesagt. Deine Freunde werden Sklaven des Herrn der Zeit werden.

»Du hast Recht«, sagte ich zu Annabeth und das Herz rutschte mir in die Hose. »Wir müssen ins Camp Half-Blood. Und zwar sofort.«

Anruf aus der Unterwelt

Nichts kann einen perfekten Morgen so abrunden wie eine lange Taxifahrt mit einem wütenden Mädchen.

Ich versuchte, mit Annabeth zu reden, aber sie verhielt sich, als ob ich soeben ihrer Oma ein Bein gestellt hätte. Ich konnte nur aus ihr herausbringen, dass sie in San Francisco einen von Monstern nur so wimmelnden Frühling verbracht hatte; dass sie seit Weihnachten zweimal im Camp gewesen war, wobei sie mir aber nicht sagen wollte, warum (was mich ganz schön fertigmachte, denn sie hatte mir nicht einmal erzählt, dass sie in New York war), und dass sie rein gar nichts darüber wusste, wo Nico di Angelo steckte (lange Geschichte).

»Irgendwas von Luke gehört?«, fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf. Ich wusste, dass das ein schwieriges Thema für sie war. Annabeth hatte Luke immer bewundert, den ehemaligen Chef der Hermes-Hütte, der uns verraten und sich dem bösen Titanen Kronos angeschlossen hatte. Sie wollte es nicht zugeben, aber ich wusste, dass sie ihn noch immer gernhatte. Als wir im vergangenen Winter auf dem Tamalpais gegen Luke gekämpft hatten, hatte er irgendwie einen Sturz von einem über fünfzehn Meter hohen Felsen überlebt. Soviel ich wusste, segelte er noch immer mit seinem von Dämonen bevölkerten Kreuzfahrtschiff durch die Gegend, während sein zerhackter Gebieter Kronos sich in einem goldenen Sarkophag Stück für Stück neu bildete und darauf wartete, dass er genug Macht haben würde, um die olympischen Götter herauszufordern. Unter Halbgöttern nannten wir das ein »Problem«.

»Mount Tam wimmelt noch immer von Monstern«, sagte Annabeth. »Ich habe mich nicht in die Nähe getraut, aber ich glaube nicht, dass Luke da oben ist. Ich glaube, dann würde ich es wissen.«

Das beruhigte mich nicht sonderlich. »Was ist mit Grover?«

»Der ist im Camp«, sagte sie. »Wir sehen ihn nachher.«

»Hat er denn was herausgefunden? Bei seiner Suche nach Pan, meine ich?«

Annabeth spielte an ihrer Halskette herum, wie sie das immer tut, wenn sie sich Sorgen macht.

»Du wirst schon sehen«, sagte sie. Aber eine Erklärung gab sie nicht.

Als wir durch Brooklyn fuhren, rief ich mit Annabeths Telefon meine Mom an. Halbblute benutzen keine Handys, wenn es sich vermeiden lässt, denn wenn wir unsere Stimmen durch die Gegend funken, ist das so, als ob wir den Monstern ein Leuchtsignal schickten: Hier bin ich! Bitte, fresst mich! Aber ich hielt diesen Anruf für wichtig. Ich hinterließ eine Mitteilung auf unserem Anrufbeantworter und versuchte zu erklären, was an der Goode School geschehen war. Vermutlich gelang mir das nicht gerade blendend. Ich sagte meiner Mom, dass es mir gut ging und dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte, ich aber im Camp bleiben würde, bis die Lage sich wieder beruhigt hätte. Ich bat sie, Paul Blofis auszurichten, dass mir das alles leidtat.

Danach fuhren wir schweigend weiter. Die Stadt blieb hinter uns zurück, und schließlich hatten wir die Autobahn erreicht und brausten durch die Landschaft des nördlichen Long Island, vorbei an Obstgärten und Weinbergen und Verkaufsbuden mit regionalen Produkten.

Ich starrte die Telefonnummer an, die Rachel Elizabeth Dare auf meine Hand gekritzelt hatte. Ich wusste, dass es verrückt war, aber ich hätte sie sehr gern angerufen. Vielleicht könnte sie mir helfen, zu begreifen, was die Empusa gemeint hatte – mit dem abgefackelten Camp und meinen versklavten Freunden. Und warum war Kelli in Flammen aufgegangen?