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»Jö!« Tyson sprang auf und ab. »Briareos! Ich hab gewusst, dass du kommen würdest.«

»Ich nicht«, sagte der Hunderthändige. »Aber du hast mich daran erinnert, wer ich bin, Zyklop. Du bist hier der Held!«

Tyson wurde rot, aber ich klopfte ihm auf den Rücken. »Ich weiß das schon lange«, sagte ich. »Aber Dädalus … die Titanenarmee ist noch immer da unten. Sie werden auch ohne den Faden zurückkommen. Früher oder später werden sie einen Weg finden und Kronos wird sie führen.«

Dädalus steckte sein Schwert in die Scheide. »Du hast Recht. Solange es das Labyrinth gibt, können eure Feinde es benutzen. Und deshalb darf es nicht weiter bestehen.«

Annabeth starrte ihn an. »Aber Sie haben gesagt, das Labyrinth sei mit Ihrer Lebenskraft verbunden. Solange Sie leben …«

»Ja, meine junge Architektin«, sagte Dädalus zustimmend. »Wenn ich sterbe, wird auch das Labyrinth sterben. Und deshalb habe ich dir ein Geschenk mitgebracht.«

Er streifte einen großen ledernen Rucksack von seinem Rücken, öffnete den Reißverschluss und zog einen eleganten silbernen Laptop heraus – einen von denen, die ich in der Werkstatt gesehen hatte. Auf dem Deckel prangte das blaue Δ.

»Hier ist meine Arbeit«, sagte er. »Das ist alles, was ich aus dem Feuer retten konnte. Notizen für Projekte, die ich niemals begonnen habe. Einige meiner Lieblingsentwürfe, die ich in den letzten paar Jahrtausenden nicht entwickeln konnte. Ich habe es nicht gewagt, mein Werk der sterblichen Welt zu enthüllen. Aber vielleicht interessiert es dich ja.«

Er reichte Annabeth den Computer, und die starrte ihn an wie massives Gold. »Das schenken Sie mir? Aber das ist unbezahlbar! Es muss doch … ich weiß gar nicht, wie viel es wert sein muss!«

»Eine kleine Entschädigung für mein Verhalten«, sagte Dädalus. »Du hast Recht gehabt, Annabeth, was die Kinder der Athene betrifft. Wir sollten weise sein, aber das war ich nicht. Irgendwann wirst du eine größere Architektin sein, als ich das jemals gewesen bin. Nimm meine Ideen und verbessere sie. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, ehe ich verschwinde.«

»Moment mal«, sagte ich. »Verschwinden? Aber Sie können sich doch nicht einfach umbringen. Das wäre nicht richtig.«

Er schüttelte den Kopf. »Es war noch weniger richtig, mich zweitausend Jahre lang vor meinen Verbrechen zu verstecken. Genie ist keine Entschuldigung für Böses, Percy. Meine Zeit ist gekommen. Ich muss meine Strafe auf mich nehmen.«

»Sie können aber nicht mit einer fairen Verhandlung rechnen«, sagte Annabeth. »Der Geist des Minos gehört dem Gericht an …«

»Ich nehme, was kommt«, sagte Dädalus. »Und ich vertraue auf die Gerechtigkeit der Unterwelt, wie immer die aussieht. Mehr können wir doch nicht tun, oder?«

Er sah Nico an und dessen Gesicht verdüsterte sich.

»Nein«, sagte er.

»Nimmst du dann meine Seele als Lösegeld an?«, fragte Dädalus. »Du könntest damit deine Schwester zurückfordern.«

»Nein«, sagte Nico. »Ich werde helfen, Ihren Geist zu erlösen. Aber Bianca ist von uns gegangen. Sie muss bleiben, wo sie ist.«

Dädalus nickte. »Gut gesprochen, Sohn des Hades. Du wirst langsam weise.« Dann drehte er sich zu mir um. »Eine letzte Bitte, Percy Jackson. Ich kann Mrs O’Leary nicht allein lassen. Und sie möchte nicht in die Unterwelt zurückkehren. Würdest du dich um sie kümmern?«

Ich sah den riesigen schwarzen Hund an, der erbärmlich jaulte und noch immer Dädalus’ Haare leckte. Ich dachte daran, dass in der Wohnung meiner Mom keine Hunde erlaubt waren, schon gar nicht Hunde, die größer waren als diese Wohnung, aber ich sagte: »Klar doch. Natürlich mache ich das.«

»Dann bin ich jetzt bereit, meinen Sohn wiederzusehen … und Perdix«, sagte Dädalus. »Ich muss ihnen sagen, wie leid mir alles tut.«

Annabeth hatte Tränen in den Augen.

Dädalus drehte sich zu Nico um, der sein Schwert zog. Zuerst fürchtete ich, Nico würde den alten Erfinder töten, aber er sagte nur: »Deine Zeit ist schon lange gekommen. Sei erlöst und ruhe dich aus.«

Ein erleichtertes Lächeln verbreitete sich in Dädalus’ Gesicht. Er erstarrte zur Statue. Seine Haut wurde durchsichtig und ließ die Bronzeteile und schnurrenden Apparaturen in seinem Körper sichtbar werden. Dann wurde er zu grauer Asche und zerfiel.

Mrs O’Leary heulte. Ich streichelte ihren Kopf und versuchte, sie nach besten Kräften zu trösten. Die Erde dröhnte – ein Erdbeben, das vermutlich in allen Städten im ganzen Land zu spüren war –, als das uralte Labyrinth einstürzte. Irgendwo, hoffte ich, waren die Überreste der Titanenstreitmacht darin begraben worden.

Ich schaute die Reste des Gemetzels auf der Lichtung an und sah dann in die erschöpften Gesichter meiner Freunde.

»Gehen wir«, sagte ich zu ihnen. »Wir haben noch zu tun.«

Der Rat der gespaltenen Hufe ist gespalten

Es gab zu viele Abschiede.

In dieser Nacht sah ich zum ersten Mal, wie die Leichentücher des Camps tatsächlich für Leichname benutzt wurden, und ich hatte nicht den Wunsch, das jemals wieder zu sehen.

Lee Fletcher aus der Apollo-Hütte war von der Keule eines Riesen niedergestreckt worden. Er wurde in ein goldenes Leichentuch ohne irgendeine Dekoration gehüllt. Der Sohn des Dionysos, der im Kampf gegen ein feindliches Halbblut gefallen war, wurde in ein violettes, mit Reben besticktes Leichentuch gewickelt. Er hieß Castor. Ich schämte mich, weil ich ihn drei Jahre lang im Camp gesehen und mir nicht einmal die Mühe gemacht hatte, mir seinen Namen zu merken. Er war siebzehn Jahre alt gewesen. Sein Zwillingsbruder, Pollux, versuchte, einige Worte zu sagen, aber seine Stimme versagte und er griff einfach zur Fackel und zündete das Bestattungsfeuer in der Mitte des Amphitheaters an. In Sekundenschnelle waren die Leichentücher in Flammen gehüllt und schickten Rauch und Funken zu den Sternen hoch.

Wir verbrachten den nächsten Tag damit, die Verwundeten zu versorgen, also fast alle. Satyrn und Dryaden versuchten, die Schäden im Wald zu beseitigen.

Gegen Mittag hielt der Rat der Behuften Älteren im heiligen Hain eine Notversammlung ab. Die drei Satyrnältesten waren dort, zusammen mit Chiron, der seine Rollstuhlgestalt angenommen hatte. Sein gebrochenes Pferdebein war noch nicht verheilt, und deshalb würde er für einige Monate an den Rollstuhl gefesselt sein, bis das Bein wieder stark genug war, sein Gewicht zu tragen. Der Hain füllte sich mit Hunderten von Satyrn und Dryaden und aus dem Wasser gestiegenen Najaden, die neugierig darauf waren, was jetzt passieren würde. Wacholder, Annabeth und ich standen neben Grover.

Silenus wollte Grover sofort verbannen, aber Chiron überredete ihn, erst unsere Aussagen zu hören, und deshalb erzählten wir allen, was in der Kristallhöhle passiert war und was Pan gesagt hatte. Dann beschrieben mehrere Augenzeugen der Schlacht das seltsame Geräusch, das Grover ausgestoßen hatte und mit dem er die Titanenarmee zurück ins Labyrinth gejagt hatte.

»Das war Panik«, beharrte Wacholder. »Grover hat die Macht des wilden Gottes herbeigerufen.«

»Panik?«, fragte ich.

»Percy«, erklärte Chiron. »Während des Ersten Krieges zwischen den Göttern und den Titanen hat Pan einen entsetzlichen Schrei ausgestoßen, der die feindlichen Armeen verjagt hat. Es war seine größte Macht – eine massive Welle der Angst, die den Göttern an jenem Tag zum Sieg verholfen hat. Das Wort Panik ist von Pan abgeleitet, verstehst du? Und Grover hat diese Macht genutzt, er hat sie aus sich selbst heraufbeschworen.«

»Anmaßung!«, brüllte Silenus. »Gotteslästerung! Vielleicht hat der wilde Gott uns seinen Segen geschickt. Oder Grovers Musik war so entsetzlich, dass sie den Feind verscheucht hat!«

»So war es nicht, Sir«, sagte Grover. Er klang sehr viel ruhiger, als ich es nach einer solchen Beleidigung gewesen wäre. »Er hat seinen Geist auf uns alle übergehen lassen. Wir müssen handeln. Wir alle müssen unser Bestes tun, die Wildnis zu erneuern, das zu schützen, was von ihr noch übrig ist. Wir müssen die Nachricht verbreiten. Pan ist tot. Es gibt nur noch uns.«