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»Nach zweitausend Jahren der Suche sollen wir dir das glauben?«, rief Silenus. »Niemals! Wir müssen die Suche fortsetzen! Schickt den Verräter in die Verbannung!«

Einige ältere Satyrn murmelten zustimmend.

»Abstimmung!«, verlangte Silenus. »Wer glaubt schon diesem lächerlichen Grünschnabel?«

»Ich«, sagte eine vertraute Stimme.

Alle fuhren herum. Dionysos betrat den Hain. Er trug einen festlichen schwarzen Anzug, weshalb ich ihn fast nicht erkannt hätte, dazu einen dunkellila Schlips und ein lila Hemd, und seine dunklen Locken waren sorgfältig gekämmt. Seine Augen waren wie immer blutunterlaufen, und sein aufgedunsenes Gesicht war gerötet, aber daran schien eher Trauer schuld zu sein als Weinmangel.

Alle Satyrn erhoben sich respektvoll und verbeugten sich, als er näher kam. Dionysos machte eine Handbewegung und ein Sessel wuchs neben dem von Silenus aus dem Boden – ein Thron aus Rebenranken.

Dionysos setzte sich und schlug die Beine übereinander. Er schnippte mit den Fingern und ein Satyr kam mit einer Schüssel voller Käsecracker und einer Cola light angerannt.

Der Gott des Weins schaute sich in der Versammlung um. »Habt ihr mich vermisst?«

Die Satyrn nickten und verneigten sich wild durcheinander. »Aber ja doch, und wie, gnädiger Herr!«

»Na, ich habe diesen Ort hier nicht sehr vermisst«, polterte Dionysos. »Ich bringe schlechte Nachrichten, Freunde. Üble Nachrichten. Die Nebengottheiten wechseln die Seite. Morpheus ist zum Feind übergegangen, Hekate, Janus und Nemesis ebenfalls. Und Zeus allein weiß, wie viele noch.«

Donner grollte in der Ferne.

»Streicht das«, sagte Dionysos. »Nicht einmal Zeus weiß es. Und jetzt will ich Grovers Geschichte hören. Noch einmal, ganz von vorne.«

»Aber hoher Herr«, protestierte Silenus. »Das ist doch alles Unsinn.«

In Dionysos’ Augen loderte ein lila Feuer auf. »Ich habe soeben erfahren, dass mein Sohn Castor tot ist, Silenus. Ich bin nicht gerade gut gelaunt. Also solltest du mir lieber nicht widersprechen.«

Silenus schluckte und bedeutete Grover, wieder von vorne anzufangen.

Als Grover fertig war, nickte Mr D. »Das wäre Pan absolut zuzutrauen. Grover hat Recht. Diese Suche ist ermüdend. Ihr müsst anfangen, selbst zu denken.« Er wandte sich einem Satyr zu. »Bring mir sofort ein paar geschälte Trauben!«

»Sehr wohl, gnädiger Herr!« Der Satyr lief los.

»Wir müssen den Verräter verbannen!«, forderte Silenus unverdrossen.

»Ich sage Nein«, widersprach Dionysos. »Das ist meine Stimme.«

»Ich stimme auch für Nein«, schaltete Chiron sich ein.

Silenus schob wütend den Unterkiefer vor. »Alle, die für die Verbannung sind, Hände hoch!«

Er und zwei andere alte Satyrn hoben die Hände.

»Drei zu zwei«, sagte Silenus.

»Ja, schon«, sagte Dionysos. »Aber zu eurem Pech zählt die Stimme eines Gottes doppelt. Und da ich dagegen gestimmt habe, ist die Lage unentschieden.«

Silenus sprang empört auf. »Das ist ein Skandal! Der Rat darf nicht unentschieden stimmen!«

»Dann löse ihn auf«, sagte Mr D. »Ist mir doch egal.«

Silenus verbeugte sich steif, zusammen mit seinen beiden Freunden, und sie verließen den Hain. Etwa zwanzig weitere Satyrn schlossen sich ihnen an. Der Rest blieb und murmelte unbehaglich vor sich hin.

»Keine Sorge«, sagte Grover zu ihnen. »Wir brauchen keinen Rat, der uns sagt, was wir zu tun haben. Das können wir auch selbst herausfinden.«

Noch einmal wiederholte er die Worte Pans – dass sie die Wildnis Stück für Stück retten müssten. Er fing an, die Satyrn in Gruppen einzuteilen – einige sollten in die Nationalparks gehen, andere die letzten Urwälder aufsuchen, wieder andere die Parks in den großen Städten verteidigen.

»Na«, sagte Annabeth zu mir. »Grover wird offenbar erwachsen.«

Später am Nachmittag traf ich Tyson am Strand, wo er sich mit Briareos unterhielt. Briareos baute mit etwa fünfzig seiner Hände eine Sandburg. Er konzentrierte sich nicht richtig darauf, aber seine Hände hatten eine dreistöckige Anlage mit Festungsmauern, einem Wallgraben und einer Zugbrücke erschaffen.

Tyson zeichnete eine Karte in den Sand.

»Halt dich links vom Riff«, sagte er zu Briareos. »Dann geradewegs nach unten, wenn du das gesunkene Schiff siehst. Dann etwa eine Meile ostwärts, vorbei am Friedhof der Nixen, und dann siehst du schon die brennenden Feuer.«

»Du erklärst ihm den Weg zu den Schmieden?«, fragte ich.

Tyson nickte. »Briareos möchte helfen. Er wird den Zyklopen vieles zeigen, was wir vergessen haben – wie man bessere Waffen und Rüstungen herstellt.«

»Ich möchte die Zyklopen treffen«, sagte Briareos zustimmend. »Ich möchte nicht mehr allein sein.«

»Da unten wirst du sicher nicht allein sein«, sagte ich ein wenig sehnsüchtig. Ich hatte das Königreich des Poseidon noch nie auch nur betreten. »Und sie werden dich sicher ganz schön mit Arbeit eindecken.«

Briareos strahlte. »Mit Arbeit eindecken klingt gut. Ich wünschte nur, Tyson könnte auch mitkommen.«

Tyson errötete. »Ich muss hier bei meinem Bruder bleiben. Du wirst das schon machen, Briareos. Danke.«

Der Hunderthändige schüttelte mir an die hundert Mal die Hand. »Wir sehen uns wieder, Percy. Das weiß ich.«

Dann umarmte er Tyson herzlich auf Oktopusweise und watete hinaus in den Ozean. Wir sahen ihm hinterher, bis sein riesiger Kopf in den Wellen verschwunden war.

Ich klopfte Tyson auf den Rücken. »Du warst ihm eine große Hilfe.«

»Ich hab doch nur mit ihm geredet.«

»Du hast an ihn geglaubt. Ohne Briareos wären wir niemals mit Kampe fertiggeworden.«

Tyson grinste. »Er ist gut im Felsenschleudern.«

Ich lachte. »Ja. Er ist wirklich gut im Felsenschleudern. Und jetzt los, Großer. Gehen wir essen.«

Es tat gut, ein normales Essen im Camp einzunehmen. Tyson saß mit mir am Tisch des Poseidon. Der Sonnenuntergang über dem Long Island Sound war wunderschön. Es war noch längst nicht alles wieder normal, aber als ich zum Kohlenbecken ging, um einen Teil meiner Mahlzeit als Opfer für Poseidon in die Flammen zu kratzen, hatte ich wirklich das Gefühl, dankbar sein zu müssen. Meine Freunde und ich waren am Leben. Das Camp war in Sicherheit. Kronos hatte einen Rückschlag erlitten, jedenfalls bis auf weiteres.

Das Einzige, was mir Sorgen machte, war Nico, der in den Schatten am Rand des Pavillons herumlungerte. Ihm war ein Platz am Hermes-Tisch und sogar am Lehrertisch bei Chiron angeboten worden, aber er hatte abgelehnt.

Nach dem Essen liefen alle Campbewohner zum Amphitheater, wo die Apollo-Hütte einen umwerfenden Rundgesang organisieren wollte, um unsere Laune aufzubessern, aber Nico machte kehrt und verschwand im Wald. Ich beschloss, ihm lieber zu folgen.

Als ich durch die Schatten der Bäume lief, fiel mir auf, wie dunkel es schon war. Ich hatte mich im Wald noch nie gefürchtet, obwohl ich wusste, dass es dort von Monstern nur so wimmelte. Aber jetzt dachte ich an die Schlacht des Vortags und überlegte, ob ich wohl je wieder durch diesen Wald gehen könnte, ohne an dieses schreckliche Gemetzel denken zu müssen.

Ich hatte Nico aus den Augen verloren, aber nach einigen Minuten entdeckte ich weiter vorn ein Leuchten. Zuerst dachte ich, Nico hätte eine Taschenlampe angeknipst, aber im Näherkommen erkannte ich, dass das Licht von einem Geist stammte. Die schimmernde Gestalt von Bianca di Angelo stand auf der Lichtung und lächelte ihren Bruder an. Sie sagte etwas zu ihm und berührte sein Gesicht – oder versuchte es. Dann verschwand ihr Bild.

Nico drehte sich um und sah mich, aber er sah nicht wütend aus.

»Das war der Abschied«, sagte er heiser.

»Wir haben dich beim Essen vermisst«, sagte ich. »Du hättest bei mir sitzen können.«

»Nein.«

»Nico, du kannst nicht alle Mahlzeiten ausfallen lassen. Wenn du nicht bei den Hermes-Leuten bleiben willst, dann können sie vielleicht eine Ausnahme machen und dich im Hauptgebäude einquartieren. Da gibt es doch Zimmer genug.«