Выбрать главу

»Ich bleibe nicht hier, Percy.«

»Aber … du kannst nicht einfach gehen. Draußen ist es für ein Halbblut zu gefährlich allein. Du musst trainieren.«

»Ich trainiere mit den Toten«, sagte er tonlos. »Dieses Camp ist nichts für mich. Es hat einen Grund, dass sie hier keine Hütte für Hades erbaut haben, Percy. Er ist hier nicht willkommen, ebenso wenig wie auf dem Olymp. Ich gehöre hier nicht hin. Ich muss weg.«

Ich wollte widersprechen, doch ein Teil von mir wusste, dass er Recht hatte. Es gefiel mir nicht, aber Nico würde seinen eigenen finsteren Weg finden müssen. Ich dachte an Pans Höhle, wie der Gott der Wildnis uns alle einzeln angesprochen hatte – nur Nico nicht.

»Wann gehst du?«, fragte ich.

»Jetzt gleich. Ich habe jede Menge Fragen. Zum Beispiel, wer war meine Mutter? Wer hat für Bianca und mich die Schule bezahlt? Wer war dieser Rechtsanwalt, der uns aus dem Lotos-Hotel geholt hat? Ich weiß rein gar nichts über meine Vergangenheit. Ich muss all das herausfinden.«

»Kann ich verstehen«, gab ich zu. »Aber ich hoffe, wir müssen keine Feinde sein.«

Er schlug die Augen nieder. »Tut mir leid, dass ich mich so unmöglich benommen habe. Ich hätte auf dich hören sollen, was Bianca angeht.«

»Übrigens …« Ich fischte etwas aus meiner Hosentasche. »Tyson hat das hier gefunden, als wir die Hütte aufgeräumt haben. Ich dachte, du möchtest es vielleicht wiederhaben.« Ich hielt ihm eine kleine Bleifigur des Hades hin – die Mythomagic-Figur, die Nico verloren hatte, als er im vergangenen Winter aus dem Camp geflohen war.

Nico zögerte. »Ich spiele nicht mehr damit. Das ist was für Kinder.«

»Er hat eine Angriffsstärke von viertausend«, lockte ich ihn.

»Fünftausend«, korrigierte Nico. »Aber nur, wenn der Gegner zuerst angreift.«

Ich lächelte. »Vielleicht ist es okay, ab und zu doch noch mal ein Kind zu sein.«

Nico hielt die Statue für einige Sekunden in der Hand und sah sie an, dann ließ er sie in seine Tasche gleiten. »Danke.«

Ich streckte die Hand aus. Er schüttelte sie widerstrebend. Seine Hand war eiskalt.

»Ich muss eine ganze Menge Dinge herausfinden«, sagte er dann. »Einige davon … na ja, wenn ich etwas Nützliches erfahre, dann sag ich dir Bescheid.«

Ich wusste nicht so recht, was er meinte, aber ich nickte. »Lass uns in Verbindung bleiben, Nico.«

Er drehte sich um und stapfte in den Wald hinein. Die Schatten schienen sich zu ihm herabzubeugen, als er weiterging, als ob sie um seine Aufmerksamkeit buhlten.

Eine Stimme direkt hinter mir sagte: »Da geht ein junger Mann mit großen Problemen.«

Ich fuhr herum und dort stand Dionysos, noch immer in seinem schwarzen Anzug.

»Komm mit«, sagte er.

»Wohin?«, fragte ich misstrauisch.

»Einfach nur zum Lagerfeuer«, sagte er. »Ich fange an, mich ein wenig besser zu fühlen, und da dachte ich, ich könnte ein bisschen mit dir reden. Du schaffst es immer, mir die Laune zu verderben.«

»Äh, danke.«

Schweigend gingen wir durch den Wald. Mir fiel auf, dass Dionysos durch die Luft ging; seine polierten schwarzen Schuhe schwebten einen Daumenbreit über dem Boden. Ich nahm an, dass er sie nicht schmutzig machen wollte.

»Es gab so viel Verrat«, sagte er. »Es sieht nicht gut aus für den Olymp. Aber du und Annabeth, ihr habt dieses Lager gerettet. Ich weiß nicht so recht, ob ich euch dafür danken sollte.«

»Das war eine Gemeinschaftsleistung.«

Er zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls war das ja wohl halbwegs kompetent, was ihr zwei da geleistet habt. Ich finde, das solltet ihr wissen – es war kein totaler Fehlschlag.«

Wir hatten das Amphitheater erreicht und Dionysos zeigte auf das Lagerfeuer. Clarisse saß dicht neben einem großen Latinoburschen, der ihr einen Witz erzählte. Es war Chris Rodriguez, das Halbblut, das im Labyrinth verrückt geworden war.

Ich sah Dionysos an. »Sie haben ihn geheilt?«

»Wahnsinn ist mein Spezialgebiet. Es ist ziemlich einfach.«

»Aber … Sie haben eine gute Tat vollbracht. Warum?«

Er hob eine Augenbraue. »Ich bin gut! Die Güte quillt mir doch aus allen Poren, Perry Johansson. Ist dir das noch nie aufgefallen?«

»Äh …«

»Vielleicht war ich traurig über den Tod meines Sohnes. Vielleicht fand ich auch, dieser Chris hätte eine zweite Chance verdient. Jedenfalls scheint es Clarisse’ Laune gebessert zu haben.«

»Warum erzählen Sie mir das?«

Der Gott des Weines seufzte. »Ach, zum Hades, wenn ich das wüsste! Aber denk daran, Junge, eine gute Tat kann manchmal so mächtig sein wie ein Schwert. Als Sterblicher war ich nie ein großer Kämpfer oder Athlet oder Dichter. Ich habe immer nur Wein gekeltert. Die Leute in meinem Dorf haben über mich gelacht. Sie sagten, ich würde es nie zu etwas bringen. Und sieh mich jetzt an. Manchmal können kleine Dinge wirklich sehr groß werden.«

Dann überließ er mich meinen Gedanken. Und als ich sah, wie Clarisse und Chris zusammen ein albernes Lagerfeuerlied sangen und in der Dunkelheit Händchen hielten, weil sie dachten, niemand könne sie sehen, musste ich lächeln.

Meine Geburtstagsparty nimmt eine düstere Wendung

Der Rest des Sommers kam mir seltsam vor, weil er so normal war. Der Alltag ging einfach weiter: Bogenschießen, Bergsteigen, Pegasusreiten. Wir spielten »Eroberung der Flagge« (aber wir machten einen Bogen um Zeus’ Faust). Wir sangen am Lagerfeuer und machten Wagenrennen und spielten den anderen Hütten Streiche. Ich verbrachte viel Zeit mit Tyson und spielte mit Mrs O’Leary, aber noch immer heulte sie nachts, wenn sie Heimweh nach ihrem alten Herrchen bekam. Annabeth und ich gingen uns meistens aus dem Weg. Ich war gern mit ihr zusammen, aber es tat auch irgendwie weh, und es tat auch weh, wenn ich nicht mit ihr zusammen war.

Ich hätte gern mit ihr über Kronos gesprochen, aber das ging nicht mehr, ohne Luke zu erwähnen. Und das war ein Thema, das ich nicht anschneiden durfte. Wann immer ich das tat, schrie sie mich an.

Der Juli verging, und am vierten gab es ein Feuerwerk am Strand. Der August wurde so heiß, dass die Erdbeeren auf den Feldern kochten. Endlich kam der letzte Tag im Camp. Nach dem Frühstück tauchte auf meinem Bett der übliche Brief auf, der mir mitteilte, die Putzharpyien würden mich zerreißen, wenn ich nach der Mittagszeit noch dort wäre.

Um zehn Uhr stand ich oben auf dem Half-Blood Hill und wartete auf den Minibus, der mich in die Stadt bringen würde. Mrs O’Leary würde im Camp bleiben, Chiron hatte versprochen, sich um sie zu kümmern. Tyson und ich würden sie während des Jahres abwechselnd besuchen.

Ich hatte gehofft, dass Annabeth mit mir nach Manhattan fahren würde, aber sie kam nur, um sich von mir zu verabschieden. Sie sagte, sie habe darum gebeten, noch ein wenig bleiben zu dürfen. Sie würde Chiron pflegen, bis sein Bein vollständig geheilt war, und sich mit Dädalus’ Laptop beschäftigen, der sie während der vergangenen zwei Monate sehr in Anspruch genommen hatte. Dann würde sie zu ihrem Vater nach San Francisco fahren.

»Da gibt es eine Privatschule, die werde ich besuchen«, sagte sie. »Ich werde es dort vermutlich hassen, aber …« Sie zuckte mit den Schultern.

»Okay, ruf mich an, ja?«

»Sicher«, sagte sie ohne große Begeisterung. »Ich werde Ausschau halten nach …«

Das war es wieder. Luke. Sie konnte nicht einmal seinen Namen nennen, ohne eine riesige Büchse voller Schmerz und Sorge und Wut zu öffnen.

»Annabeth«, sagte ich. »Wie lautete der Rest der Weissagung?«

Sie richtete ihren Blick auf den Wald in der Ferne, sagte aber nichts.

»Die Finsternis des endlosen Labyrinths sollst du sehen«, zitierte ich aus der Erinnerung. »Lässt den Toten, den Verräter, den Verlorenen auferstehen. Wir haben ziemlich viele Tote auferstehen lassen. Wir haben Ethan Nakamura gerettet, und der hat sich als Verräter erwiesen. Wir haben den Geist von Pan, dem Verlorenen, auferstehen lassen.«