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Sogar Ethan Nakamura bekam ein Leichentuch – schwarze Seide mit gekreuzten Schwertern unter einer Waage. Als sein Leichentuch in Flammen aufging, hoffte ich, Ethan wusste, dass er am Ende doch etwas ausgerichtet hatte. Er hatte viel mehr als nur ein Auge opfern müssen, aber endlich würden die zweitrangigen Götter die Achtung erhalten, die sie verdient hatten.

Die Stimmung beim Abendessen im Pavillon war gedrückt. Das einzig Gute war Wacholder, die Baumnymphe; sie schrie »Grover!« und warf ihren Liebsten mit ihrer Umarmung fast um, was alle jubeln ließ. Dann machten sie einen Mondscheinspaziergang am Strand und ich freute mich für sie, auch wenn ihr Anblick mich an Silena und Beckendorf erinnerte, und das machte mich traurig.

Mrs O’Leary sprang glücklich herum und bekam an jedem Tisch ein paar Leckerbissen. Nico saß am Haupttisch bei Chiron und Mr D und niemand schien das falsch zu finden. Alle klopften Nico auf den Rücken und machten ihm Komplimente über seinen Kampfstil. Sogar die Ares-Leute schienen ihn ganz schön cool zu finden. Tja, man braucht bloß mit einer Armee aus untoten Kriegern aufzutauchen, um die Welt zu retten, und schon hat man lauter neue Freunde.

Nach dem Essen zerstreute sich die Menge langsam. Einige gingen zu einem Rundgesang zum Lagerfeuer, andere gingen schlafen. Ich blieb ganz allein am Poseidon-Tisch sitzen und sah das Mondlicht über dem Long Island Sound an. Ich konnte Grover und Wacholder am Strand sehen, sie hielten Händchen und redeten. Es war friedlich.

»He.« Annabeth glitt neben mich auf die Bank. »Alles Gute zum Geburtstag.«

Sie hielt einen riesigen verunglückten Topfkuchen mit blauem Guss in der Hand.

Ich starrte sie an. »Was?«

»Heute ist der 18. August«, sagte sie. »Dein Geburtstag, klar?«

Ich war verdutzt. Ich hatte nicht daran gedacht, aber sie hatte Recht. Ich war an diesem Morgen sechzehn geworden – an dem Morgen, an dem ich entschieden hatte, Luke das Messer zu geben. Die Weissagung war genau zum richtigen Zeitpunkt wahr geworden und ich hatte nicht eine Sekunde daran gedacht, dass ich Geburtstag hatte.

»Du darfst dir etwas wünschen«, sagte sie.

»Hast du den selbst gebacken?«, fragte ich.

»Tyson hat mir geholfen.«

»Das erklärt, warum er aussieht wie ein Schokoziegel«, sagte ich. »Mit blauem Zement.«

Annabeth lachte.

Ich überlegte einen Moment, dann blies ich die Kerze aus.

Wir zerschnitten den Kuchen in zwei Teile und aßen ihn mit den Fingern. Annabeth saß neben mir und wir schauten auf den Ozean. Grillen und Monster lärmten im Wald, ansonsten war es still.

»Du hast die Welt gerettet«, sagte sie.

»Wir haben die Welt gerettet.«

»Und Rachel ist das neue Orakel, und das bedeutet, dass sie nicht mehr mit Jungs ausgeht.«

»Das scheinst du ja nicht gerade zu bedauern«, sagte ich.

Annabeth zuckte mit den Schultern. »Ach, mir ist das egal.«

»Haha.«

Sie hob eine Augenbraue. »Hast du mir etwas zu sagen, Algenhirn?«

»Du würdest mir vermutlich in den Hintern treten.«

»Du weißt, dass ich dir in den Hintern treten würde.«

Ich wischte mir Kuchenkrümel von den Händen. »Als ich am Styx war und unverwundbar geworden bin … Nico hat gesagt, ich müsste mich auf eine Sache konzentrieren, die mich in der Welt verankert, die dafür sorgt, dass ich sterblich bleiben will.«

Annabeth starrte den Horizont an. »Und?«

»Und oben auf dem Olymp«, sagte ich, »als sie mich zum Gott machen wollten, da habe ich gedacht …«

»Ach, du wolltest so gern.«

»Na ja, ein bisschen vielleicht. Aber ich habe abgelehnt, weil … ich wollte nicht, dass alles in alle Ewigkeit gleich bleibt, denn es kann ja immer noch besser werden. Und ich dachte …« Meine Kehle war wie ausgedörrt.

»An irgendwen Spezielles?«, fragte Annabeth mit sanfter Stimme.

Ich schaute sie an und sah, dass sie versuchte, ernst zu bleiben. »Du lachst mich aus«, sagte ich empört.

»Tu ich nicht.«

»Du machst es mir aber auch nicht gerade leicht.«

Da lachte sie wirklich und legte mir die Hände um den Hals. »Ich werde es dir nie, nie leicht machen, Algenhirn. Gewöhn dich lieber daran.«

Als sie mich küsste, hatte ich das Gefühl, dass mein Gehirn schmolz und durch meinen ganzen Körper lief.

Meinetwegen hätte es immer so bleiben können, aber eine Stimme hinter uns knurrte: »Na, das wurde aber auch Zeit!«

Plötzlich war der Pavillon voller Fackellicht und Camper. Mit Clarisse an der Spitze stürzten die Lauscher auf uns zu und hoben uns beide auf ihre Schultern.

»He, hört auf«, jammerte ich. »Gibt es denn kein Privatleben mehr?«

»Die Turteltauben brauchen Abkühlung«, sagte Clarisse schadenfroh.

»In den See!«, brüllte Connor Stoll.

Laut jubelnd trugen sie uns den Hang hinunter, aber so dicht nebeneinander, dass wir uns an den Händen halten konnten. Annabeth lachte und auch ich musste lachen, obwohl mein Gesicht knallrot war.

Wir hielten uns an den Händen bis zu der Sekunde, in der sie uns ins Wasser fallen ließen.

Aber wer zuletzt lacht … Ich machte unten am Grund des Sees eine Luftblase. Unsere Freunde warteten darauf, dass wir auftauchten, aber hey – als Sohn des Poseidon hat man es da nicht eilig.

Und es war so ziemlich der beste Unterwasserkuss aller Zeiten.

Wir nehmen Abschied oder so

Das Camp ging in diesem Sommer länger als sonst. Wir blieben bis unmittelbar zum Beginn des neuen Schuljahres, und ich muss zugeben, dass es die beiden besten Wochen meines Lebens waren.

Annabeth würde mich natürlich umbringen, wenn ich etwas anderes behauptete, aber es gab auch sonst noch eine Menge toller Neuigkeiten. Grover schickte die Suchtrupps der Satyrn in alle Welt, um nicht akzeptierte Halbgötter zu suchen. Bisher hatten die Götter ihr Versprechen gehalten. Überall tauchten neue Halbgötter auf, nicht nur in den USA, sondern auch in vielen anderen Ländern.

»Wir kommen kaum nach«, gab Grover eines Nachmittags zu, als wir am See eine Pause machten. »Wir brauchen ein größeres Reisebudget und ich könnte noch hundert weitere Satyrn beschäftigen.«

»Vielleicht, aber die, die du hast, arbeiten wahnsinnig hart«, sagte ich. »Ich glaube, sie haben Angst vor dir.«

Grover wurde rot. »Das wäre aber blöd. Ich bin doch nicht beängstigend.«

»Du bist ein Herr der Wildnis, du Dussel. Der Auserwählte des Pan. Ein Mitglied des Rates der …«

»Hör auf!«, protestierte Grover. »Du bist ja genauso schlimm wie Wacholder. Ich glaube, als Nächstes möchte sie, dass ich für die Präsidentschaft kandidiere.«

Er kaute auf einer Blechbüchse herum, während wir über den See die neuen Hütten anstarrten, die gerade errichtet wurden. Das Hufeisen würde bald ein Viereck sein und die Halbgötter hatten sich begeistert auf ihre neue Aufgabe gestürzt.

Nico hatte einige untote Bauarbeiter an der Hades-Hütte eingesetzt. Obwohl er noch immer der einzige Bewohner war, würde sie ganz schön cool aussehen: massive Obsidianwände mit einem Totenschädel über der Tür und Fackeln, die rund um die Uhr grün loderten. Daneben folgten die Hütten von Iris, Nemesis, Hekate und einigen anderen, die ich nicht erkannte. Jeden Tag kamen auf den Bauplänen neue hinzu. Es lief so gut, dass Annabeth und Chiron schon davon sprachen, einen ganz neuen Ring aus Hütten zu bauen, damit wir genug Platz hatten.

Die Hermes-Hütte war jetzt längst nicht mehr so überfüllt, denn die meisten der ungeklärten Kinder hatten Zeichen von ihren göttlichen Eltern erhalten. Fast jeden Abend kam jemand hinzu, und jeden Tag retteten sich neue Halbgötter über die Grenze, begleitet von Satyrn und meistens von üblen Monstern verfolgt, aber fast alle kamen durch.

»Nächsten Sommer wird alles anders sein«, sagte ich. »Chiron rechnet damit, dass wir dann doppelt so viele sind.«

»Ja«, sagte Grover zustimmend. »Aber es wird trotzdem unser altes Lager bleiben.«