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»Okeanos«, sagte ich und versuchte, mich zu erinnern. »Der Titan des Meeres?«

Poseidon nickte. »Im ersten Krieg zwischen den Göttern und den Titanen war er neutral. Aber Kronos hat ihn überredet zu kämpfen. Das ist … na ja, es ist kein gutes Zeichen. Okeanos würde nie Stellung beziehen, wenn er nicht sicher wäre, dass er auf den Sieger setzt.«

»Er sieht ziemlich blöd aus«, sagte ich und versuchte, fröhlich zu klingen. »Ich meine, wer kämpft denn mit einer Schlange?«

»Daddy wird sie zusammenknoten«, sagte Tyson voller Überzeugung.

Poseidon lächelte, aber er sah müde aus. »Ich freue mich über euer Vertrauen. Wir sind jetzt seit fast einem Jahr im Krieg. Meine Kräfte sind bald am Ende. Und er rekrutiert immer noch neue Truppen, die er mir entgegensenden kann – Meeresungeheuer, so uralt, dass ich sie vergessen hatte.«

In der Ferne hörte ich eine Explosion. Ungefähr einen Kilometer entfernt löste sich ein Berg aus Korallen unter dem Gewicht von zwei riesigen Wesen auf. Ich konnte ihre Umrisse nur ahnen. Eines war ein Hummer. Das andere war ein riesiges menschenähnliches Geschöpf, wie ein Zyklop, aber es war von einem Gewimmel aus Gliedern umgeben. Zuerst dachte ich, es trage ein Bündel aus riesigen Tintenfischen mit sich herum. Dann ging mir auf, dass es seine Arme waren – hundert wirbelnde, kämpfende Arme.

»Briareos!«, rief ich.

Ich war glücklich über seinen Anblick, aber er schien um sein Leben zu kämpfen. Er war der Letzte seiner Art – ein Hunderthändiger, ein Vetter der Zyklopen. Wir hatten ihn im vergangenen Sommer aus dem Kerker des Kronos gerettet und ich wusste, dass er sich zu Poseidon begeben hatte, um ihm zu helfen, aber ich hatte seit damals nichts mehr von ihm gehört.

»Er ist ein guter Kämpfer«, sagte Poseidon. »Ich wünschte, ich hätte eine ganze Armee von seinesgleichen, aber er ist der Einzige.«

Ich sah zu, wie Briareos vor Wut aufschrie und den Hummer hochhob, der zappelte und mit seinen Scheren zuschnappte. Der Riese warf ihn vom Korallenberg und der Hummer verschwand in der Dunkelheit. Briareos schwamm hinterher, seine hundert Arme wirbelten herum wie die Schraube eines Motorbootes.

»Percy, vielleicht haben wir nicht viel Zeit«, sagte mein Dad. »Erzähl mir von deiner Mission. Hast du Kronos gesehen?«

Ich erzählte ihm alles, obwohl meine Stimme versagte, als ich zu Beckendorf kam. Ich schaute in die Höfe hinunter und sah Hunderte von verwundeten Meermännern auf Behelfsbetten liegen. Ich sah Reihen von Korallenhügeln, bei denen es sich um eilig ausgehobene Gräber handeln musste. Mir ging auf, dass Beckendorf nicht der erste Tote war. Er war einer von Hunderten, vielleicht Tausenden. Ich hatte mich noch nie so wütend und hilflos gefühlt.

Poseidon strich sich den Bart. »Percy, Beckendorf hat sich für den Heldentod entschieden. Du trägst daran keine Schuld. Der Armee des Kronos ist ein Schlag zugefügt worden. Viele wurden vernichtet.«

»Aber wir haben ihn nicht getötet, oder?«

Als ich das sagte, wusste ich, dass es eine naive Hoffnung war. Wir konnten vielleicht sein Schiff sprengen und seine Monster zerlegen, aber ein Titanenherrscher würde sich nicht so leicht umbringen lassen.

»Nein«, gab Poseidon zu. »Aber ihr habt unserer Seite ein wenig Zeit erkauft.«

»Auf dem Schiff waren Halbgötter«, sagte ich und dachte an den Jungen, den ich auf der Treppe gesehen hatte. Aus irgendeinem Grund hatte ich es mir durchgehen lassen, mich nur auf die Monster und auf Kronos zu konzentrieren. Ich hatte mir eingeredet, dass es in Ordnung war, ihr Schiff zu zerstören, weil sie schlecht waren, weil sie meine Stadt angreifen wollten und weil sie außerdem nicht richtig getötet werden konnten. Monster lösten sich einfach in Luft auf und nahmen irgendwann wieder Gestalt an. Aber Halbgötter …

Poseidon legte mir die Hand auf die Schulter. »Percy, auf dem Schiff waren nur wenige Halbgottkrieger, und alle haben freiwillig für Kronos gekämpft. Vielleicht haben sie deine Warnung beherzigt und sich gerettet. Wenn nicht … dann war das ihre Entscheidung.«

»Sie hatten eine Gehirnwäsche durchgemacht!«, sagte ich. »Jetzt sind sie tot und Kronos ist noch am Leben. Und ich soll mich deshalb besser fühlen?«

Ich starrte wütend das Mosaik an – winzige Explosionen zerstörten die Monster. Es sah so leicht aus, wenn es nur ein Bild war.

Tyson legte den Arm um mich. Wenn das irgendein anderer versucht hätte, hätte ich ihn weggestoßen, aber Tyson war zu groß und zu stur. Er umarmte mich, ob ich das wollte oder nicht. »Nicht deine Schuld, Bruder. Kronos explodiert nicht gut. Nächstes Mal nehmen wir mehr Sprengstoff.«

»Percy«, sagte mein Vater. »Beckendorf hat sich nicht umsonst geopfert. Du hast die Invasionstruppe zerschlagen. New York wird für einige Zeit sicher sein, und damit können die Olympier sich der größeren Bedrohung widmen.«

»Der größeren Bedrohung?« Ich dachte daran, was der goldene Titan in meinem Traum gesagt hatte: Die Götter haben die Herausforderung angenommen. Bald werden sie vernichtet sein.

Ein Schatten legte sich auf das Gesicht meines Vaters. »Du hattest genug Kummer für einen Tag. Frag Chiron, wenn du wieder im Camp bist.«

»Im Camp? Aber du hast hier Probleme. Ich möchte helfen.«

»Das kannst du nicht, Percy. Deine Aufgabe liegt anderswo.«

Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. Hilfesuchend sah ich Tyson an.

Mein Bruder nagte an seiner Lippe. »Daddy … Percy kann mit dem Schwert kämpfen. Er ist gut.«

»Das weiß ich«, sagte Poseidon sanft.

»Dad, ich kann helfen«, sagte ich. »Ich weiß, dass ich das kann. Ihr haltet hier nicht mehr lange durch.«

Eine Feuerkugel jagte hinter den feindlichen Linien in den Himmel. Ich dachte, Poseidon würde sie ablenken oder so, aber sie landete in der äußeren Ecke des Hofes und explodierte, wobei ein paar Meermänner durch das Wasser geschleudert wurden. Poseidon zuckte zusammen, als sei er getroffen worden.

»Geh zurück ins Camp«, sagte er dringlich. »Und sag Chiron, dass es Zeit ist.«

»Zeit wozu?«

»Du musst die Weissagung hören. Die gesamte Weissagung.«

Ich brauchte nicht zu fragen, welche Weissagung. Ich hörte seit Jahren von der »Großen Weissagung«, aber niemand hatte sie mir jemals ganz verraten wollen. Ich wusste nur, dass ich eine Entscheidung fällen musste, die das Schicksal der Welt entscheiden würde – aber ich sollte mich nicht unter Druck gesetzt fühlen.

»Und was, wenn das die Entscheidung ist, die ich fällen muss?«, fragte ich. »Ob ich hierbleibe und kämpfe oder ob ich gehe? Was, wenn ich dich verlasse und du …?«

Ich konnte nicht »stirbst« sagen. Götter können eigentlich nicht sterben, aber ich hatte es schon erlebt. Und auch wenn sie nicht starben, konnten sie zu fast nichts reduziert werden, in die Verbannung geschickt oder in den Tiefen des Tartarus eingekerkert wie Kronos.

»Percy, du musst weg hier«, drängte Poseidon. »Ich weiß nicht, wie deine Entscheidung am Ende aussehen wird, aber dein Kampf muss oben in der Welt stattfinden. Und du musst auf jeden Fall deine Freunde im Camp warnen. Kronos kannte deine Pläne. Es gibt einen Spion bei euch. Wir halten hier schon durch. Uns bleibt ja nichts anderes übrig.«

Tyson packte verzweifelt meine Hand. »Du wirst mir fehlen, Bruder.«

Als er uns ansah, schien unser Vater um weitere zehn Jahre zu altern. »Tyson, auch du hast deine Aufgabe, mein Sohn. Du wirst in der Waffenschmiede gebraucht.«

Tyson schmollte noch immer.

»Dann geh ich eben«, schniefte er. Er presste mich so fest an sich, dass er mir fast die Rippen gebrochen hätte. »Percy, sei vorsichtig! Lass dich nicht von den Monstern totmachen!«

Ich versuchte, zuversichtlich zu nicken, aber das alles war zu viel für den Großen. Er schluchzte und schwamm zur Waffenschmiede, wo seine Vettern Schwerter und Speere reparierten.