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»Das bin ich doch.«

»Seid es mehr als nur dem Namen nach.«

»Ihr sprecht in Rätseln.«

Unbeholfen legte er ihr den Arm um die Taille. Sein Mund wurde trocken. Er war sich seiner hölzernen Unbeholfenheit schmerzlich bewußt. Eleanor war zweimal verheiratet gewesen und zweimal Witwe geworden, bevor sie Humphrey kennengelernt hatte. Er war bereits weit über dreißig gewesen, bevor er jemals daran gedacht hatte, sich eine Frau zu suchen. Da war eine Kluft zwischen ihnen. In ihrer Hochzeitsnacht hatten sie diese Kluft überwunden, für viele lustvolle Monate, die folgten, aber jetzt war sie wieder da und hatte sich zu einer gewaltigen Schlucht verbreitert.

Er zwang sich, weiterzusprechen.

»Als wir uns zum erstenmal begegneten…«

»Ja, Humphrey?«

»Da sprachen wir von Kindern.«

»Ich hatte fünf und habe den armen Harry bei der Geburt verloren.«

»Ihr wolltet noch mehr. Meine Kinder, Eleanor.«

»Ich erinnere mich daran, Sir.«

»Unsere Kinder, liebe Frau, die Frucht unserer Liebe.« Er befeuchtete sich die Lippen. »Der Pfarrer ist der gleichen Ansicht in dieser Sache. Mit Gottes Hilfe wird ein neues Baby dich zu mir zurückbringen, so wie ich dich geliebt habe.« Seine Erregung steigerte sich. »Seid wieder meine Ehefrau, Eleanor. Erfüllt noch einmal Eure ehelichen Pflichten.«

Sie schaute am Flußufer entlang und beobachtete, wie ein Eisvogel heranschwebte und tauchte. Als sie sprach, war ihre Stimme gedämpft, doch ihre Worte hatten eine furchterregende Klarheit.

»Ich werde dein Bett nicht mehr mit dir teilen. Du bist mein Ehemann gewesen, so loyal, wie eine Frau ihn sich nur wünschen kann. Aber jetzt habe ich eine neue Aufgabe. Er hat mich gerufen, Sir. Er hat mir klare Anweisungen gegeben.«

»Wer hat das getan?«

»Auf wen außer Gott würde ich hören?«

»Klare Anweisungen, sagt Ihr?«

»Ich muß eine lange Reise antreten.«

»Aus welchem Grund?«

»Weil es von Gott verfügt ist.«

»Kann ich diese Reise mit Euch zusammen machen, Eleanor?«

»Nein, Sir. Ich gehe allein.«

»Wohin?«

»Ins Heilige Land.«

»Aber das geht nicht, Frau.«

»Er leitet meine Schritte. Es muß sein.«

»Das Heilige Land!« rief Budden aus.

»Wundert Euch nicht, Sir. Ich bin beauftragt worden.«

»Aus welchem Grund?«

»Den erfahre ich, wenn ich dort bin. In Jerusalem.«

3. KAPITEL

Westfield's Men tauschten das pulsierende Leben Londons gegen die ruhigeren Gefilde von Middlesex ein. Sie waren von Schwermut erfüllt. Kaum hatten sie das Stadttor hinter sich gelassen, wandten sie sich nach Norden, nach Shoreditch, vorbei am Curtain und am Theatre, zwei eigens errichteten Schauspielhäusern, in denen sie bereits mehrmals bemerkenswerte Aufführungen gehabt hatten. Diese Schauspielhäuser waren absichtlich außerhalb der Stadtgrenzen errichtet worden, um der Gerichtsbarkeit des Oberbürgermeisters und seines Stadtrats zu entgehen. Es waren vielbesuchte, laute und lebhafte Vergnügungsstätten, die ganze Menschenmassen anzogen. Solche Paradiese gab es für Westfield's Men nicht auf ihrer Tournee. Die ausgefeilten Möglichkeiten eines richtigen Theaters würden den beschränkten Voraussetzungen eines Innenhofes von Gasthäusern oder von Begrenzungen eines Raumes in einem Privathaus weichen. Vom rein künstlerischen Standpunkt aus gesehen war eine Tournee keine Pilgerfahrt.

Es war wie ein'Schicksalsschlag.

Sie zogen die Great North Road entlang, eine der vier großen Überlandstraßen des Königreiches. Sie führte sie an Islington Ponds vorbei, wo sie beobachteten, daß Männer zum Vergnügen auf wilde Enten schossen, dann erreichten sie offenes Gelände. Immer wieder sahen sie Bauerngehöfte rechts und links der Straße, Teil des großen landwirtschaftlichen Gürtels rund um London, der die Hauptstadt mit Getreide, Heu, Obst und Gemüse, Schlachtvieh, Schafen, Schweinen, Geflügel, Enten und Gänsen für die Märkte versorgte. Der städtische Schmutz lag hinter ihnen. Die Luft war sauberer, der Himmel klarer, die Farben kräftiger, der Blick konnte weit schweifen. Lungen und Nasen, die sich bereits an den beißenden Gestank der Großstadt gewöhnt hatten, konnten freier atmen.

Nicholas Bracewell hielt die beiden Zugpferde in flottem Trab und genoß die Landschaft. Neben ihm saß Richard Honeydew, der jüngste, kleinste und talentierteste der Schauspielschüler. Der Junge hatte schon längst erfahren, daß der Regisseur nicht nur sein zuverlässigster Freund in der Gruppe war, sondern auch eine unerschöpfliche Quelle der Information.         

»Master Bracewell…«

»Ja, mein Junge?«

»Ich bin noch nie außerhalb von London gewesen.«

»Dann wird das für dich eine interessante Erfahrung, Dick.«

»Müssen wir mit großen Gefahren rechnen?«

»Nun, denk nicht an solche Dinge.«

»Die anderen Jungen reden von Dieben und Wegelagerern.«             

»Die wollen dich doch nur erschrecken, Junge.«

»Martin sagt, Zigeuner könnten mich entführen.«

»Er amüsiert sich über deine Unerfahrenheit.«

»Werden wir überhaupt keinen Gefahren begegnen?«

»Nicht solchen, wegen derer du dir große Sorgen machen müßtest, Dick.«

»Warum tragt Ihr dann ein Schwert?«

Sämtliche Männer waren bewaffnet, die meisten hatten einen Dolch im Gürtel und ein Schwert oder einen Degen an der Seite. Das war für jeden Reisenden eine unverzichtbare Vorsichtsmaßnahme. Verbrecher, Räuber und Vagabunden lauerten entlang der Straßen auf ihre Opfer. Nicholas wollte dem Jungen keine Angst einjagen, indem er etwas davon sagte, statt dessen erklärte er ihm, daß allein schon die Größe und die Stärke der Gruppe jeden denkbaren Angreifer abschrecken werde. Richard Honeydew werde auf dem platten Land genauso sicher sein, als schlafe er in seinem Bett in jenem Haus in Shoreditch, in dem Margery Firethorn ein strenges, aber liebevolles Regiment führte. Der Junge entspannte sich sichtlich.

Richard Honeydew, klein, dünn und mit dem Schmelz der Jugend auf seinen zarten Gesichtszügen, war von der Natur geradezu für weibliche Rollen geschaffen worden. Sein jungenhafter Charme wurde noch liebenswürdiger, wenn er das Geschlecht wechselte; seine ungezwungene Hübschheit verwandelte sich problemlos in die Schönheit einer jungen Frau. Sein dichtes blondes Haar, das meistens unter Perücken verborgen war, drängte sich jetzt unter seiner Mütze hervor. Weil der Junge sich seiner natürlichen Anziehungskraft überhaupt nicht bewußt war, wirkte diese um so stärker.

»Möchtest du gerne mal auf einem Pferd reiten, Dick?«

»Oh, ja, Master Gill.«

»Dann schwing dich hinter mich, Junge.«

»Ist das auch nicht gefährlich, Sir?«

»Wenn du dich ordentlich an meinen Hüften festhältst.«

Barnaby Gill hatte sein Pferd neben den Karren gelenkt und bot dem Jungen jetzt seine behandschuhte Hand. Nicholas mischte sich geschickt ein.

»Ich brauche den Jungen, damit er mir bei den Zügeln hilft.«

»Ach, wirklich«, sagte Barnaby Gill anzüglich.

»Er muß lernen, wie man den Wagen lenkt.«

»Dafür habt Ihr genügend andere Schüler, Mann.«

»Aber keinen, der so geschickt ist wie Richard Honeydew.«

»Kommt schon, laßt mich ihm andere Dinge beibringen.«

»Heute geht er nicht zur Schule, Master Gill.«

Nicholas sprach mit freundlicher Stimme, aber durchaus bestimmt, und der andere zog sich mit einem wütenden Blick zurück. Der Junge ahnte noch nichts von den finsteren Aspekten der Freundschaft, die Barnaby Gill ihm immer mal wieder anbot, und Nicholas mußte sich zu seinem Schutz einmischen. Richard Honeydew, der nichts von dem verstanden hatte, was zwischen den beiden Männern vorgegangen war, fühlte sich ganz einfach enttäuscht, daß er nun nicht reiten durfte.