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Margery Firethom war wie ein schwelendes Feuer. Sie wußte nur zu gut, wo dieses Arkadien lag. Es war der Schauplatz eines Stückes von Edmund Hoode. Anstatt ihren Finger zu zieren, würde er jetzt im »Melancholischen Liebhaber« getragen. Das war beschämend. Das war also die Wertschätzung, die man für sie hegte.

Die Liebe war ihr buchstäblich aus den Fingern gerissen worden.

Ihren Wutschrei konnte man hundert Yards weit vernehmen.

*

Die Sakristei der Pfarrkirche von St. Stephen war selbst bei wärmstem Wetter kühl und feucht, doch Humphrey Budden hatte das Gefühl, sich in einem Glutofen zu befinden. Sein Elend hatte ihn hierher geführt und verstärkte sich von Minute zu Minute. Er hatte eine beschämende Beichte abzulegen. Der einzige Trost war, daß Miles Melhuish sich offenbar ebenso unwohl fühlte wie er selber. Trotz seiner Neigung, sich selbstgefällig und salbungsvoll zu geben, war er jetzt zwischen zurückhaltendem Interesse und zunehmender Besorgnis hin und her gerissen. Er hatte zwar zahlreiche seiner Pfarrkinder getraut und mit weisen Worten in das Land ehelicher Wonnen entlassen, doch hatte er selber niemals gewagt, dieses gelobte Land selbst zu erkunden. Diese Tatsache diente nur dazu, den nervösen Budden noch mehr einzuschüchtern. Wie konnte jemand überhaupt seine schwierige Lage verstehen, vor allem ein rundlicher Junggeselle, dessen Vorstellung von nächtlichen Freuden darin gipfelte, in religiöser Verzückung stundenlang neben seinem Bett zu knien?

Miles Melhuish saß seinem Besucher am Tisch gegenüber und streckte ihm die Hand entgegen. Ein leichter Hauch von Weihrauch erfüllte die Luft. Die Atmosphäre des Religiösen war überwältigend. Ihre Stimmen hallten wie in einer Gruft.

»Sprecht zu mir, Humphrey«, erinnerte ihn der Priester.

»Ich will es versuchen, Sir.«

»Geht es wieder um Eure Frau?«

»Ich fürchte, ja.«

»Weint und jammert sie immer noch?«

»Dem Himmel sei Dank, nein, aber jetzt gibt es etwas noch Schlimmeres.«

»Für wen?«

Humphrey Budden brannte vor lauter Beschämung. Seine Wangen glühten, er fühlte sich, als fahre ihm heißer Dampf aus jeder einzelnen Pore.

»Habt Ihr gebetet?« fragte Melhuish streng.

»Pausenlos.«

»Hat Eleanor mit Euch zusammen gebetet?«

»Das ist die einzige Gelegenheit, bei der ich ihr nahekommen kann.«

»Was sagt Ihr da?«

»Sie hat mich beiseite geschoben.«

»Erklärt Euch etwas genauer.«

Diese Bitte war schwierig zu erfüllen. Der Mann, der die delikate Kunst der Spitzenherstellung erlernt hatte, sah sich jetzt gezwungen, Worte aus sich herauszuhämmern wie ein Steinmetzlehrling. Jeder Schlag des Hammers verursachte ihm Schmerzen im Kopf.

»Eleanor… ist… nicht… meine… Frau.«

»Selbstverständlich ist sie das«, sagte der Pfarrer. »Ich persönlich habe Euch getraut und eine Predigt gehalten, in der ich Euch beiden gesagt habe, wie wichtig es ist, in Wahrheit zu wandeln. Habt Ihr das getan, mein Sohn? Seid Ihr mit Eurer Frau in Wahrheit gewandelt?«

»Ja, Sir… unten… am Fluß.«

»Nun redet endlich klar.«

»Ich… habe… keine… Frau.«

»Was Gott verbunden hat, kann der Mensch nicht trennen.«

»Meine Frau hat es aber getan.«

»Was getan, Mann? Wir reden um die Sache herum.«

Humphrey Budden riß sich zusammen und sprudelte alles hervor.

»Eleanor ist nicht mehr meine Frau, Sir. Weder teilt sie mein Bett mit mir, noch duldet sie meine Umarmungen. Sie sagt, die Stimme Gottes habe zu ihr gesprochen. Die Stimme schickt sie auf eine Pilgerreise ins Heilige Land.«

»Langsam, langsam!« rief Melhuish alarmiert. »Das geht mir viel zu schnell. Alles der Reihe nach. Ihr sagt, sie will nicht mit Euch zu Bett gehen?« 

»Nein, Sir. Sie schläft auf dem Fußboden.«

»Allein?«

»Sie läßt mich nicht in ihre Nähe.«

»Habt Ihr ihr dafür einen Grund gegeben, Humphrey?«

»Ich glaube nicht.«

»Habt Ihr sie irgendwie verletzt oder etwas getan, daß sie ihre Gefühle von Euch abwendet?«

Kaum hatte Melhuish diese Frage gestellt, erkannte er auch schon, wie gemein und unangebracht sie war. Humphrey Budden war ein starker Mann, der diese Kraft jedoch niemals gegen eine Frau richten würde. Es konnte keinen Ehemann geben, der ihn an Rücksicht übertroffen hätte. Die Schuld für das, was passiert war, mußte einfach bei seiner Frau liegen.

Der Priester versuchte, das eheliche Schlafzimmer auszuleuchten.

»Ist dieses Problem erst seit kurzem aufgetreten?«

»Als ich Euch bat, zu mir ins Haus zu kommen.«

»Und was geschah davor zwischen Euch?«

»Wir teilten unser Bett in christlicher Glückseligkeit, Sir.«

»Und war Eure Frau früher… entgegenkommend?«                       

»Aber ganz bestimmt!«

»Hat sie sich nicht von Euch zurückgezogen?«

»Zu Anfang war ich der Schüler. Eleanor mußte mir beibringen, was meine Pflichten waren, und das tat sie mit einer wunderbaren Begeisterung.«

Miles Melhuish wurde rot, als sein inneres Auge eine Vision erblickte. Er sah den nackten Körper einer in Leidenschaft entbrannten Frau im Bett eines seiner Pfarrkinder. Er konnte ihren Duft riechen, spürte ihre Berührung, teilte ihre Lust. Es bereitete ihm sehr viel Mühe, dieses Bild aus seinen Gedanken zu vertreiben.

Mit zusammengebissenen Zähnen stellte er seine nächste Frage.

»Würdet Ihr sagen, Eure Ehe war glücklich?«

»Sehr glücklich, Sir.«

»Und daß sie Euch bereitwillig Unterricht erteilte?«

»Zwei Ehemänner hatten ihr allerhand beigebracht.«

»Also, Ihr und Eure Frau vereinigten Euch… im Fleische?«

»Jede Nacht, Sir.«

»Der Liebesakt ist nur zur Fortpflanzung gedacht«, sagte der Priester mit scharfer Stimme. »Er darf keine Quelle fleischlicher Befriedigung sein.«

»Wir wissen das, Sir, und verhielten uns entsprechend. Es war unser größter Wunsch, daß unsere Vereinigung durch ein Kind gesegnet würde.«

»Ich muß mich wundern, daß Ihr nicht jede Menge Kinder bekommen habt«, murmelte Melhuish mit verhaltener Stimme. »Mit derartig regelmäßigen Aktivitäten könntet Ihr eine ganze Stadt bevölkern!« Er setzte sich aufrecht hin und riß sich zusammen. »Aber das alles gehört jetzt der Vergangenheit an?«

»Genau das sagt sie.«

»Aus welchem Grund?«

»Göttlicher Befehl.«

»Die Frau ist geistig verwirrt.«

»Sie hat den Wunsch, ein Pilger zu werden, Sir.«

»Das arme Wesen! Sie braucht Hilfe.«

»Eleanor wird schon bald aufbrechen.«

»Wohin will sie denn?«

»Nach Jerusalem.«

»Das klingt nach Wahnsinn.«

Humphrey Budden beugte sich vor, um seine Bitte vorzutragen.

»Sprecht Ihr mit ihr, Sir!«

»Ich?«

»Ihr seid unsere einzige Hoffnung. Auf Euch wird Eleanor hören.«

»Glaubt Ihr das wirklich?«

»Sprecht mit ihr!«

Das war ein Schrei aus tiefstem Herzen, den Miles Melhuish nicht ignorieren konnte. Ein Teil von ihm hatte den Wunsch, das ganze Problem von sich abzuschütteln, doch der andere Teil war bereit, die volle Lust auf sich zu nehmen. Wieder erblickte er diese Vision vor seinem inneren Auge. Langes, blondes Haar, runde, vibrierende Pobacken, wundervolle Brüste, seidenglatte Haut, nachgiebige Lippen. Vollkommene Hingabe in ihrer schönsten menschlichen Gestalt.

Die Antwort auf ein Gebet.

»Nun gut«, sagte er. »Ich werde mit ihr sprechen.«

*

Lawrence Firethorn stampfte wie ein wütender Stier. Wenn sein Wutausbruch begann, war niemand in seiner Nähe mehr sicher. Er bot ein fürchterliches Bild.