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»Wenn wir nun Ata eingeholt haben, was sollen wir mit ihm anfangen – ihn töten?« fragte Maneros den Priester.

»Nein, nur seinen Aufenthaltsort auskundschaften und ihn genau überwachen.«

»Begleitest du uns, Oberpriester?«

»Ich folge euch im Wagen; meine Wunde macht mich noch schwach. Eilt jetzt, sonst verliert ihr ihn von neuem aus den Augen!«

Während die beiden flinken Späher pfeilschnell in der Palmenallee verschwanden, ging Her-Hor langsam auf das kleine, von einem nubischen Sklaven gehütete Gefährt zu, das versteckt hinter einer Baumgruppe stand, und stieg hinauf. Die große, am Nil entlangführende Allee war einsam, der Wagen mit dem Ochsengespann brauchte keinem andern auszuweichen. So gelangte Her-Hor rasch ins Zentrum der Stadt. Das Ambu-Viertel – das reichste von ganz Memphis, was Monumente und Einwohnerschaft betraf – lag schon hinter ihm.

»Wohin, Herr?« wandte sich der neben dem Wagen laufende nubische Sklave an den Oberpriester.

»Zum Tempel des Ptah! Siehst du die beiden Wächter schon?«

»Nein, noch nicht.«

»Dann werde ich sie am Tempel erwarten.«

Nach einiger Zeit hielt der Wagen auf einem großen Platz, in dessen Mitte sich ein kolossales Gebäude erhob. Kaum war das Gespann dort angelangt, als zwei Männer über den Platz eilten. Ihre Federbüsche kündigten die Gesuchten an.

»Habt ihr ihn gefunden?« fragte der Greis.

»Ja, endlich!« antworteten die Wächter, in Schweiß gebadet.

»Wo ist er hingegangen?«

»Zur Nekropolis[29]. Du hattest es erraten, Herr! Die Verschwörer bereiten dort einen Staatsstreich vor, um den König zu stürzen!«

Der Oberpriester nickte. Seine eigenen Späher schienen ihn schon unterrichtet zu haben.

»Sie sind in die Rhodopis-Pyramide eingedrungen, wo sie schon öfters ihre Zusammenkünfte hatten.«

»Sie haben also ein Grabmal entweiht«, sagte der Alte mit finsterem Blick. »Ihre Strafe soll furchtbar sein ... Sind es viele?«

»Ich vermute, ja, Herr! Es sind eine Menge Bewaffneter unter ihnen.«

Als Her-Hor schwieg, fuhr der Wächter fort: »Was für Befehle hast du für uns?«

»Hört zu! Morgen wird der heilige Apisstier zur Tränke an den Nil geführt. Diese Feierlichkeit wird sich noch großartiger gestalten, wenn einige die Gottheit begleitende Wagen Haufen von abgeschnittenen Händen mit sich führen. So können wir den Nilgöttern ein großes Opfer darbringen!«

»Die es auch anerkennen werden«, warf Maneros ein.

»Wenn der Mond aufgeht, werden die Rebellen schlafen. Das wird der günstigste Augenblick sein, sie in ihrem Versteck zu überraschen und unschädlich zu machen. Einer von euch soll sich in den Herrscherpalast begeben, um König Pepi von dem Vorgefallenen zu unterrichten. Er möge ihm sagen, daß ich ihn bitte, die ganze königliche Wache zusammenzuziehen und mir zur Verfügung zu stellen. Noch ehe der Morgen graut, muß alles beendet sein!«

Dann zog der Alte einen Ring vom Finger und übergab ihn dem Gefährten des Maneros.

»Hierdurch wird man dir glauben. Die Pforten zu den Gemächern des Königs werden dir geöffnet sein, und der Herrscher wird dich empfangen. Eile!«

Der Wächter wandte sich unverzüglich der kleinen Anhöhe zu, auf deren Gipfel sich das prachtvolle Pharaonenschloß erhob. »Und jetzt zur Pyramide!« befahl der Oberpriester dem bei seinen Ochsen wartenden nubischen Sklaven.

»Hast du für mich keinen Auftrag, Herr?« fragte Maneros.

»Du sollst mich begleiten. Sind dir alle Räume in der Pyramide bekannt?«

»Verlaß dich darauf. Ich habe ja den letzten Stein mit eingemauert, als die Pyramide ausgebessert wurde. Ich kenne alle zur Krypta führenden Gänge, wo die Mumie der Königin Rhodopis ruht.«

»Gut, dann wirst du die Königswächter in die Räume führen. Und wie können wir die Rebellen überraschen?«

»Wir müssen von den obersten Galerien aus hinuntersteigen.« »Also gehen wir!« sagte der Oberpriester energisch. »Ein höherer Grad ist dir gewiß, wenn unser Vorhaben gelingt. Der König wird dankbar sein. Sein Thron ist in Gefahr – und wir werden ihn retten!«

»Ich bin jederzeit bereit, mein Leben zu lassen«, antwortete Maneros.

Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung. Er fuhr durch die verödeten Gassen der Stadt nach Süden zu, wo die gigantische Nekropolis von Memphis lag, die fast die ganze Deltaspitze meilenweit einnahm. Dort wurden seit tausend und abertausend Jahren die Leichname beigesetzt.

Als das Gefährt das Ende der Stadt erreicht hatte, befand es sich auf offenem Feld. Plötzlich hielt der Nubier die Tiere an. »Ich sehe Soldaten mit Lederhelm und Küraß![30]« sagte er. »Es sieht aus, als ob sie uns mit ihren Pfeilen beschießen wollten!«

Maneros stürzte vor und schrie: »Gebt acht! Es ist Her-Hor, der Oberpriester im Tempel des Ptah!«

Sofort senkten die Krieger ihre Waffen und fielen auf die Knie, indem sie mit der Stirn den Boden berührten. So konnte der Wagen seinen Weg fortsetzen.

Endlich hielt er vor der großen Pyramide, wo die Gebeine der schönen Rhodopis ruhten.

Überfall auf die Rhodopis-Pyramide

Als der Oberpriester den Wagen verlassen hatte, näherte er sich, gestützt auf Maneros' Arm, der Pyramide.

»Wo befindet sich der Schlußstein?«

»Auf der siebenundzwanzigsten Stufe«, antwortete Maneros.

»Aber wie ist es möglich, daß die Verschwörer dort Eingang gefunden haben? Ich hörte, daß nach der letzten Beisetzung ein so enormer Stein verwandt worden sei, daß ihn kein menschliches Wesen fortwälzen könnte!«

»Nein, den haben sie auch nicht angetastet«, sprach der Königswächter, der sich gut informiert zu haben schien. »Aber auf der vierzigsten Stufe haben sie sich Eingang verschafft. Dort oben befinden sich sowohl östlich wie westlich zwei Gänge, die in eine der fünf luftigen Kammern über der Zella führen.«

Her-Hor überlegte einen Augenblick. Dann sagte er: »Wieviel Leute brauchst du zu deinem Unternehmen?«

»Die Gänge sind eng. Ich kann höchstens fünfundzwanzig mit hineinnehmen. Draußen auf der Stufe aber müssen fünfzig stehen, die auf meinen Wink warten. Andere müssen die Pyramide am Fuß umgeben, denn möglicherweise besteht noch ein zweiter, mir unbekannter Eingang.«

Ein leiser Pfiff des Oberpriesters rief den nubischen Sklaven herbei. Diesem raunte er einige Worte ins Ohr, und eiligst lief der Nubier wieder davon. Es dauerte nicht lange, bis eine Schar Bogenschützen, mit Bündeln grünen Reisigs versehen, eintraf. »Folgt diesem Mann!« befahl ihnen Her-Hor, auf Maneros weisend.

Während die Bogenschützen, ihrem Führer nachgehend, bis zur vierzigsten Stufe hinaufstiegen, kamen weitere Soldaten, die am Fuß des Monuments blieben.

Oben war in der Tat, wie Maneros berichtet hatte, eine Steintafel von ihrer Stelle gerückt. Mit einem scharfen Instrument hatte man den granitharten Kitt, den nur die alten Ägypter herzustellen verstanden, gelöst.

»Den Eingang hätten wir nun!« sagte der Wächter. Noch schwieriger aber ist es, die Verschwörer zu finden. Wo mögen sie stecken? In den Gängen, in den Höhlen oder in der Krypta?« Das Unternehmen war wirklich nicht leicht, da die Pyramidenbauer gewöhnlich eine Unzahl Gänge ausgehöhlt hatten, um etwaige Grabschänder irrezuführen. Da waren Korridore, die keine Mündung hatten, Höhlen, die keinem Zweck dienten, auf und nieder und immer zu demselben Punkt führende Gänge mit Winkeln und Ecken, viele Meter unter der Erdoberfläche ausgegrabene Zellen, unnütz angelegte Treppen, kurz, ein Labyrinth, das die Krypta, in der die königliche Mumie ruhte, unerreichbar machte.

Nachdem Maneros die abgelöste Granittafel mit Mühe beiseite geschoben hatte, brannte er eins der Holzbündel an und drang mit dieser Fackel in den voraussichtlich zur Mitte führenden Gang ein. Die Soldaten folgten ihm. Eine noch feuchte Strohsandale im Gang zeigte ihnen, daß sie auf der richtigen Spur waren: Die Rebellen mußten hier entlanggegangen sein! Einer hatte sich wohl seines Schuhwerks entledigt, weil die Schnürbänder zerrissen waren.

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29

Nekropolis »Totenstadt«, ein großes Gräberfeld. Die Nekropolis von Memphis ist der größte Friedhof der Welt. Hier schlafen seit Jahrtausenden sowohl Reiche wie Arme den ewigen Schlaf, erstere in Mastabas, letztere in den langen, unterirdischen Gängen, die sich bis zur Spitze des Nildeltas hin erstrecken.

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30

Küraß Brustharnisch