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Die Theorie war zweifellos richtig. Der Haken war nur, daß Barrent keine Slums fand. Er ging stundenlang immer weiter, vorbei an sauberen Läden und freundlichen kleinen Häusern, an Spielplätzen und Parkanlagen, peinlich sauber gehaltenen Bauernhöfen, und immer wieder an Häusern und Läden. Nichts sah besser oder schlechter aus als das andere.

Gegen Abend war er müde, die Füße schmerzten ihn. Soweit er es beurteilen konnte, hatte er nichts von Bedeutung wahrgenommen. Bevor er mehr über die Struktur der Gesellschaft auf der Erde aussagen konnte, mußte er mit einigen Bewohnern gesprochen haben. Das war ein gefährliches Unterfangen, ließ sich aber nicht vermeiden. Er stand in der Nähe eines Bekleidungsgeschäfts und entschied sich dafür, etwas zu unternehmen. Er würde sich für einen Ausländer ausgeben, für jemanden, der erst kürzlich von Europa oder Asien nach Nordamerika gekommen war. Auf diese Weise würde er mit einer gewissen Berechtigung Fragen stellen können.

Ein Mann kam ihm entgegen, ein untersetzter, normal aussehender Bursche in einem braunen Straßenanzug, Barrent hielt ihn an. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte er. »Ich bin hier fremd, komme gerade aus Rom.«

»Wirklich?« machte der Mann.

»Ja. Leider kenne ich mich hier überhaupt nicht aus«, fuhr Barrent mit einem kleinen entschuldigenden Lächeln fort. »Ich finde einfach kein billiges kleines Hotel. Könnten Sie nur vielleicht -«

»Bürger, fühlen Sie sich nicht wohl?« fragte der Mann, seine Miene hatte sich verhärtet.

»Wie ich schon sagte: Ich bin Ausländer und suche -«

»Nun hören Sie mal gut zu«, unterbrach ihn der Mann. »Sie wissen doch so gut wie ich, daß es keine Ausländer mehr gibt.«

»Nicht?«

»Natürlich nicht. Ich bin selbst in Rom gewesen. Dort sieht es genauso aus wie hier in Wilmington. Die gleiche Art Häuser und Läden. Niemand ist ein Ausländer.«

Barrent wußte nicht, was er sagen sollte. Er lächelte nervös.

»Außerdem gibt es auf der ganzen Erde keine billigen Unterkünfte mehr. Wozu auch. Wer würde wohl darin wohnen wollen?«

»Ja, wer wohl?« antwortete Barrent unbehaglich. »Ich schätze, ich habe ein bißchen zuviel getrunken.«

»Niemand trinkt heutzutage noch«, sagte der Mann. »Ich verstehe nicht, was Sie mit mir für ein Spiel treiben.«

»Was glauben Sie wohl?« fragte Barrent, in eine Technik verfallend, die die Gruppe ihm empfohlen hatte.

Stirnrunzelnd blickte der Mann ihn an. »Ich glaube, ich hab's«, sagte er. »Sie müssen ein Meinungsforscher sein.«

»Mm«, machte Barrent unverbindlich.

»Das wird es sein«, rief der Mann aus. »Sie sind einer der Bürger, die herumgehen und die Leute nach ihren Meinungen ausfragen.

Eine Umfrage oder so etwas Ähnliches. Stimmt's?«

»Sie haben's erraten«, antwortete Barrent.

»Na ja, es war ja nicht schwer. Immer und überall findet man die Meinungsforscher, die die Einstellung der Leute zu bestimmten Dingen herausfinden wollen. Ich hätte Sie auch gleich erkannt, wenn Sie die Uniform der Meinungsforscher getragen hätten.«

Wieder runzelte er die Stirn. »Wieso sind Sie eigentlich nicht wie ein Meinungsforscher gekleidet?«

»Ich habe gerade erst meine Prüfung abgelegt«, erklärte Barrent. »Bin noch nicht dazu gekommen, mir die Kleidung zu besorgen.« - »Oh! Das sollten Sie aber möglichst bald nachholen«, riet der Mann lebhaft. »Woher soll man denn sonst erkennen, was Sie sind?«

»Das war nur ein Test«, sagte Barrent. »Ich danke Ihnen für Ihre Mitarbeit, Sir. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit für mich, Sie in Zukunft wieder einmal zu interviewen.«

»Wann Sie wollen«, antwortete der Mann. Er nickte Barrent höflich zu und ging davon

Barrent dachte über den Vorfall nach und kam zu dem Schluß, daß ein Meinungsforscher die ideale Verkleidung für ihn wäre.

Das würde ihm das überaus wichtige Recht geben, Fragen zu stellen, Leuten zu begegnen, herauszufinden, wie man auf der Erde lebte. Natürlich mußte er sorgfältig darauf bedacht sein, seine Ignoranz zu verbergen. Aber mit Hilfe einer gewissen Umsicht würde er in einigen Tagen viel gelernt haben

Als erstes aber mußte er sich wie ein Meinungsforscher kleiden

Das schien das wichtigste. Ärgerlich war nur, daß er kein Geld besaß. Die Gruppe hatte sich nicht in der Lage gesehen, auf der Erde gebräuchliches Geld herzustellen: niemand konnte sich daran erinnern, wie es aussah. Aber statt dessen hatten sie ihm einige andere wertvolle Dinge mitgegeben. Barrent ging auf das nächste Bekleidungsgeschäft zu.

Der Inhaber war ein kleiner Mann mit porzellanblauen Augen und dem routinemäßigen Lächeln eines Verkäufers. Er begrüßte Barrent und fragte ihn nach seinen Wünschen.

»Ich benötige die Kleidung eines Meinungsforschers«, sagte Barrent. »Ich habe gerade meine Ausbildung abgeschlossen.«

»Selbstverständlich, mein Herr. Da sind Sie bei mir gerade richtig. Die meisten kleinen Geschäfte führen nur die mehr - eh einfacheren Berufskleidungen. Aber hier bei uns finden Sie Fertigware für alle fünfhundertundzwanzig Hauptberufe, die der Zivile Almanach aufführt. Ich bin Jules Wonderson.«

»Es ist mir ein Vergnügen«, antwortete Barrent. »Haben Sie einen Maßanzug von meiner Größe?«

»Sicherlich«, antwortete Wonderson. »Möchten Sie die normale Ausführung oder die spezielle?«

»Die normale genügt mir fürs erste.«

»Die meisten neuen Meinungsforscher ziehen allerdings die Spezialausführung vor«, wandte Wonderson ein. »Die kleinen, extra angebrachten, wie mit der Hand gearbeiteten Details erhöhen den Respekt der Leute.«

»In diesem Fall nehme ich die Sonderausführung.«

»Jawohl. Wenn Sie aber noch ein, zwei Tage warten wollten, dann bekommen wir nämlich ein neues Fabrikat herein. Ein Gewebe, das wie Handarbeit aussieht, mit natürlichen Webfehlern darin. Zur besonderen Unterscheidung des Ranges. Ein wirklicher Prestigeartikel.«

»Vielleicht komme ich deswegen später noch mal wieder«, sagte Barrent. »Im Augenblick benötige ich einen fertigen Anzug.«

»Natürlich«, antwortete Wonderson etwas enttäuscht, was er aber zu verbergen suchte. »Wenn Sie einen ganz kleinen Moment warten wollen... «

Nach mehreren Anproben steckte Barrent in einem schwarzen Anzug, dessen Rockaufschläge mit einem schmalen weißen Saum eingefaßt waren. Für ihn sah dieser Anzug nicht ein bißchen anders aus als die vielen anderen, die Wonderson noch auf Lager hatte, die für Bankiers, Börsenmakler, Kontoristen, Gemüsehändler und so weiter. Aber für Wonderson, der angeregt über den Saum eines Bankiers sprach und über den Faltenwurf beim Versicherungsagenten, traten die Unterschiede so klar zutage wie für einen Einwohner von Omega die verschiedenen Symbole der Rangstufen. Barrent vermutete, daß es eine Folge des langen Trainings war. »Hier, mein Herr!« sagte Wonderson. »Eine perfekte Ausstattung, mit einer lebenslänglichen Garantie. Alles zusammen für neununddreißigfunfundneunzig.« - »Ausgezeichnet!« antwortete Barrent. »Was das Geld anbetrifft -«

»Ja?«

Barrent wagte das Risiko. »Ich besitze keins.«

»Nicht? Aber das ist höchst ungewöhnlich.«

»Ja, in der Tat«, stimmte Barrent zu. »Aber ich habe einige Gegenstände von gewissem Wert.« Er zog einen Ring mit drei Diamanten, den ihm Gruppe Zwei mitgegeben hatte. »Das sind echte Diamanten, die jeder Juwelier gern annehmen wird. Wenn Sie einen nehmen wollen, bis ich das Geld zur Bezahlung -«

»Aber, mein Herr«, unterbrach ihn Wonderson. »Diamanten besitzen keinen Wert mehr! Nicht mehr seit dem Jahr 23, als Von Blon seine entscheidende Arbeit schrieb, die die Illusion des Mangelwerts zerstörte.«

»Ach, ja«, antwortete Barrent, da ihm nichts anderes einfiel.