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Bei dem General hatte der Fall anders gelegen. Er war von Anfang an sehr zurückhaltend gewesen, hatte keinen Versuch unternommen, seine Welt zu erklären, und hatte sich auch zu erzählen geweigert, auf welche Weise er an diesen Ort transportiert worden war. Durch sein dominierendes Wesen, seinen Hang zum Kommandieren und die Unfähigkeit, andere als seine eigenen Argumente gelten zu lassen, blieb er Lansing bis zuletzt ein Rätsel. Er hatte mit absoluter Sicherheit keinen kulturellen Einzelbereich, sondern die Gesamtkultur seiner Welt repräsentiert. Sie erschien Lansing als ein Ort militärischer Anarchie, auf dem Hunderte von streitsüchtigen kleinen Kriegsherren einander bekämpften. Nur ein Spiel, hatte der General gesagt, aber es war ein mörderisches Spiel. Und Jürgens? Die Menschen seiner Welt waren zu den Sternen aufgebrochen und hatten nur die Armseligsten und Unfähigsten zurückgelassen. Diese waren auf die Stufe der Barbarei zurückgefallen. Freiheit, hatte Jürgens gesagt - endlich sei er aus der drückenden Verantwortung entlassen, die er und die anderen Roboter für die traurigen Überbleibsel der Menschheit verspürt hätten. Hatte Jürgens die Freiheit wirklich erreicht? Nein, dachte er und fragte sich, ob dies auch Jürgens bewußt sei. Er spielte immer noch den Hirten für seine Menschen, tat es in ebendiesem Augenblick: Er wies seinem Menschen den Weg nach Chaos. Seit sie diese Welt betreten hatten, war Jürgens immer zur Stelle gewesen, immer bereit zu dienen und immer mit den Sorgen und Hoffnungen seiner Menschen beschäftigt. Aus irgendeinem Grunde jedoch hatte er zu diesen seinen Menschen kein volles Zutrauen gehabt. Nur ihm, Lansing, hatte er zumindest einen Teil seiner Geschichte erzählt. Er hatte ihm seine Welt beschrieben und von seinem Hobby, humanoide Puppen herzustellen, berichtet. (Puppen wie die Puppe Melissa?) Den anderen gegenüber hatte er nichts von seiner Vergangenheit erwähnt, und selbst als Mary ihn fragte, hatte er hartnäckig geschwiegen.

Sonderbar, dachte Lansing. Warum hatte der Roboter nur zu einem in der Gruppe Vertrauen gehabt? Gab es zwischen ihnen beiden eine Verbindung, die der Roboter sah, der Mensch aber nicht?

Vor ihm hatte Jürgens am Fuß einer kleinen Düne angehalten. Als Lansing ihn erreichte, wies der Roboter auf einen Gegenstand, der aus dem Sand herausragte. Es war eine Kuppel aus Glas oder durchsichtigem Plastik, die wie der Helm eines Raumanzuges aussah. Aus dieser Kuppel heraus blickte sie ein menschlicher Schädel an. Die Doppelreihe der Zähne zeigte ihr breites Grinsen. Einer der Zähne war aus Gold und glitzerte in der Sonne. An einer Stelle der Düne erhob sich ein abgerundetes Metallstück aus dem Sand, und etwas weiter unten entdeckten sie ein weiteres.

Jürgens kramte eine Schaufel aus seinem Packen und begann den Sand abzutragen. Lansing sah ihm schweigend bei der Arbeit zu.

»In einer Minute wissen wir Bescheid«, sagte Jürgens. Nach ein paar Minuten wußten sie Bescheid. Das sonderbare Metallgebilde hatte eine entfernt menschenähnliche Form. Es hatte einen Rumpf und zwei Arme, aber drei Beine statt zweien. Es war mehr als drei Meter groß, und im oberen Teil war ein Hohlraum ausgespart, so daß ein Mensch darin sitzen konnte. Die Knochen, die einmal das Skelett des Reiters gebildet hatten, lagen nun unregelmäßig verstreut in diesem Hohlraum, der Schädel war in der Kapsel gefangen. Jürgens, der neben dem Gebilde hockte, sah Lansing an. »Haben Sie eine Vermutung?« fragte er. Lansing schauderte. »Ich gebe die Frage an Sie zurück.« »Nun gut«, sagte der Roboter. »Vielleicht eine Gehmaschine.« »Eine Gehmaschine?«

»Möglich«, sagte Jürgens, »jedenfalls war das mein erster Gedanke.«

»Aber was ist eine Gehmaschine?«

»Die Menschen auf meiner Welt bauten ähnliche Maschinen. Das war, bevor sie zu den Sternen aufbrachen. Die Maschinen waren für den Gebrauch auf fremden Planeten bestimmt. Für eine feindselige Umgebung, nehme ich an. Ich habe allerdings niemals ein solches Gerät gesehen, ich habe nur davon gehört.« »Eine Maschine, mit der man sich auf einem lebensfeindlichen Planeten fortbewegen kann?«

»Genau. Sie wurde an das menschliche Nervensystem angeschlossen. Es war ein komplizierter Mechanismus, der genauso reagierte, wie der menschliche Körper reagieren würde. Der Mensch möchte gehen, also geht die Maschine. Das gleiche gilt für die Arme.«

»Jürgens, wenn das stimmt, haben wir hier vielleicht einen Ureinwohner dieser Welt vor uns. Von einer anderen Welt kann er nicht herübergebracht worden sein, jedenfalls nicht mit einer solchen Maschine am Leibe. Wir kamen in den Kleidern, die wir gerade trugen.« »Sie können es nicht völlig ausschließen«, entgegnete Jürgens. »Vielleicht haben Sie recht«, sagte Lansing. »Aber wenn er aus einer Alternativwelt stammt, dann müssen die Lebensbedingungen dort für die menschliche Rasse extrem ungünstig geworden sein, gefährliche Umweltverschmutzung.« »Eine Welt im Kriegszustand«, sagte Jürgens. »Voll gefährlicher Strahlen und Gase.«

»Ja, das könnte eine Erklärung sein. Was ich nicht verstehe: Warum hat er das Ding nicht ausgezogen, als er auf dieser Welt ankam? Die Luft hier ist nicht verseucht.«

»Vielleicht konnte er es nicht«, antwortete Jürgens. »Vielleicht war er biologisch so fest mit der Maschine verbunden, daß er sich nicht von ihr lösen konnte. Er war in ihr gefangen. Aber wahrscheinlich machte ihm das nichts aus; er war ja daran gewöhnt. Und eine solche Maschine kann auch von Vorteil sein, in einer Landschaft wie dieser mit Sicherheit.« »Ja«, sagte Lansing, »das könnte sie.« »Und dennoch ist er hier gescheitert«, erwiderte Jürgens. »Hier ist er, mit all seiner Arroganz, endgültig gescheitert.« Lansing sah den Roboter an. »Halten Sie alle Menschen für arrogant?« fragte er. »Ist Arroganz das Merkmal der menschlichen Rasse?«

»Nicht alle Menschen«, sagte Jürgens. »Aber Sie müssen verstehen, daß ich etwas verbittert bin. Zurückgelassen zu werden.«

»Das hat all die Jahre an Ihnen genagt?« »Genagt nicht«, sagte Jürgens.

Beide schwiegen eine Weile, dann begann der Roboter: »Sie sind nicht arrogant, Sie waren es niemals. Der Pastor war arrogant, desgleichen der General, sogar Sandra auf ihre sanfte Art.« »Ja, ich weiß«, sagte Lansing. »Ich hoffe, Sie können ihnen verzeihen.«

»Aber Sie und Mary«, fuhr Jürgens fort, »für Sie würde ich mein Leben geben.«

»Und dennoch haben Sie sich geweigert, Mary von Ihrem Leben zu erzählen.«

»Sie hätte mich bedauert«, sagte Jürgens. »Ich hätte ihr Mitleid nicht ertragen. Sie hingegen haben mich nicht bemitleidet.« »Das stimmt«, sagte Lansing, »ich habe Sie nicht bemitleidet.« »Edward, wir sollten das Thema jetzt fallenlassen. Wir müssen weiterziehen.«

»Gehen Sie voran, ich folge Ihnen«, sagte Lansing. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich habe Mary nur sehr ungern allein zurückgelassen. Ich muß mich zusammennehmen, um nicht auf der Stelle umzukehren.«

»Noch drei Tage, dann sind wir wieder bei ihr. Wir werden sie gesund und munter wiederfinden. Vier Tage ist das Äußerste, was wir uns als Frist setzen.«

Sie fanden kein Holz während ihres Marsches. Das Land war völlig kahl. In dieser Nacht mußten sie auf ein Lagerfeuer verzichten.