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»Vielleicht nicht nur von dieser Welt«, erwiderte Jürgens, »sondern von allen Welten. Das Ende aller Dinge. Dort versinkt das Universum, von der Schwärze verschlungen.« Der Roboter machte einen Schritt nach vorn. Er hob die Krücke und suchte nach einer Stelle, wo er sie sicher aufsetzen konnte.

Er fand keine sichere Stelle. Die Krücke rutschte ab und glitt aus seiner Hand. Das beschädigte Bein gab unter ihm nach, so daß er das Gleichgewicht verlor. Er fiel auf den Hang und überschlug sich ein paarmal im Sand. Der Rucksack löste sich von seinen Schultern und begann vor ihm den Hang hinabzugleiten. Seine Hände arbeiteten krampfhaft, wühlten sich in den Sand, suchten verzweifeit nach etwas, an dem sie sich halten konnten. Aber da war nichts, das einen Halt geboten hätte, da war nur Sand, gleitender Sand, neben ihm und unter ihm. Und zusammen mit dem Sand rutschte er in die Tiefe. Seine verkrampften Hände hinterließen eine lange Spur auf dem Abhang.

Lansing, der bei den Steinen gekauert hatte, war mit einem Satz auf den Beinen. Wenn er sich aufrecht halten könnte, überlegte er, wenn er seine Füße tief in den Sand unterhalb der rutschigen Oberfläche bohren könnte, hätte er vielleicht eine Chance, Jürgens zu erreichen und auf sicheres Gelände zu ziehen. Er tat einen Schritt den Hang hinab, aber sein suchender Fuß fand keinen festen Grund. Der Sand war wie Puder, man konnte weder in ihm stehen noch ihn durchwaten. Er versuchte sich zurückzustoßen, langte verzweifelt nach den Steinen auf dem Gipfel der Düne. Aber durch diese Bewegung rutschte er nur noch schneller; sein Fuß grub eine tiefe Furche in den Sand. Und schon befand sich sein ganzer Körper auf der gleitenden Sandfläche, und Lansing rutschte, langsam, aber unaufhaltsam. Doch nicht nur er selbst glitt, nein, mit ihm schien aller Sand seiner Umgebung langsam, aber unausweichlich dem Sog der Schwerkraft zu gehorchen.

Er spreizte die Arme und Beine, um eine größere Reibungsfläche zu bieten, und es schien ihm, als würde der Sturz dadurch ein wenig gebremst, aber das war schwer zu sagen. Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, dann mußte er einsehen, daß es keine Hoffnung für ihn gab, den Gipfel der Düne jemals wieder zu erreichen. Jede heftige Bewegung hätte zur Folge, daß der Sand nur noch schneller rutschte und ihn mit sich riß. Doch nun wurde die Gleitbewegung tatsächlich langsamer, und schließlich hörte sie ganz auf. Er lag mit ausgestreckten Armen und Beinen im Sand und hatte Angst, sich zu rühren, um den Abhang nicht von neuem in Bewegung zu versetzen. Er hatte keine Ahnung, wo Jürgens sich befinden mochte. Als er den Kopf ein wenig hob, um nach dem Roboter Ausschau zu halten, fing der Sand sofort wieder an zu rutschen. Augenblicklich warf er den Kopf zurück und preßte ihn, so fest es ging, in die weiche, bodenlose Substanz.

Ewigkeiten vergingen. Der Boden schien immer noch vom Tosen des gigantischen schwarzen Wasserfalls zu dröhnen. Nach und nach erstickte der Lärm sein Wahrnehmungsvermögen: Er wußte kaum noch, wer er war und wo er sich befand. Von seinem Platz aus konnte er den Gipfel der Düne sehen. Er konnte nicht viel mehr als fünfzig Meter entfernt sein, schätzte er. Wenn er diese kurze Strecke doch nur hinaufkriechen könnte! Aber fünfzig Meter oder zehn, er wußte, es würde unmöglich sein.

Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit völlig auf den unerreichbaren Gipfel, so als ob er sich ihm allein durch die Konzentration nähern könnte. Aber der Gipfel rührte sich nicht, seine Silhouette stand als unbewegliche, gelbe Linie vor dem Blau des Himmels.

Einen Augenblick lang wandte er die Augen ab, um an der scheinbar endlosen Sandfläche des Abhanges hinabzublicken. Und als er sie wieder auf den Gipfel der Düne richtete, stand dort etwas - vier Gestalten waren am Horizont aufgereiht und starrten ihn aus Gesichtern an, die gräßliche Karikaturen menschlicher Antlitze waren.

Nur langsam wurde Lansing klar, wer die vier waren. Es waren die vier Kartenspieler, die sich schon in den beiden Gasthäusern aufgehalten hatten, immer abgesondert von den anderen Gästen. Dort standen sie nun und starrten ihn an. Was wollten die hier? Was mochte sie hergeführt haben? Gab es hier etwas, das sie interessieren konnte? Einen Moment lang dachte er daran, sie um Hilfe zu bitten. Doch gleich darauf gab er den Gedanken wieder auf. Sie würden ihn doch nur ignorieren, und das könnte er nicht ertragen. Er fragte sich, ob die vier tatsächlich dort oben standen. Vielleicht spielte ihm seine Phantasie nur einen Streich. Er schloß die Augen, dann öffnete er sie wieder; die vier waren immer noch da. Lansing sah, daß einer von ihnen etwas in der Hand hielt. Er bemühte sich, den Gegenstand zu erkennen, aber es war ihm unmöglich. Dann hob dieser Kartenspieler den Arm über den Kopf und ließ den Gegenstand durch die Luft wirbeln. In diesem Augenblick erkannte Lansing, was es war: eine Seilrolle. Die Kartenspieler warfen ihm ein Seil zu!

Das Seil flog auf ihn zu, in der Luft wickelte es sich ab. Lansing wußte, daß er nur eine Chance haben würde. Er mußte das Seil beim ersten Versuch erreichen. Denn durch die Bewegung seines Körpers würde der Sand wieder zu rutschen beginnen, und in der Zeit, die man brauchte, um das Seil einzuholen, aufzuwickeln und von neuem zu werfen, würde er sich schon außerhalb seiner Reichweite befinden.

Einen Moment lang hing das Seil in der Luft, es schien sich kaum zu bewegen. Dann war es über ihm, ein perfekter Wurf. Mit einem verzweifelten Satz schoß Lansing vor und erwischte es mit einer Hand. Er drehte seinen Körper in die richtige Lage, um es auch mit der zweiten Hand ergreifen zu können. Während er dies tat, rutschte er weiter den Abhang hinunter. Er glitt sehr schnell. Aber dann hatte er auch schon die zweite Hand am Seil. Ein furchtbarer Stoß durchlief Lansings Körper, als seine Abwärtsfahrt plötzlich gebremst wurde; das Seil hatte sich bis zur vollen Länge abgewickelt. Und nun begann er, sich langsam an dem Strick emporzuziehen. Hand über Hand hangelte er sich in die Höhe. Er hielt den Körper flach über dem Boden, um jedes Risiko zu vermeiden. Irgendwann legte er eine Atempause ein. Er blickte zum Rand des Abhangs hinauf, der Horizont war leer. Die vier Kartenspieler waren verschwunden. Wer hielt dann das Seil? fragte er sich. Lansing hatte eine plötzliche Vision, daß sich das andere Ende des Seiles lösen und er hinab in die Tiefe rasen würde. Vor Angst drehte sich ihm fast der Magen um. Wie ein Wahnsinniger setzte er seine Klettertour fort, sein Atem rasselte, und sein Puls hämmerte wild. Aber darauf achtete er nicht. Er hatte nur einen Gedanken: Er mußte den Gipfel der Düne erreichen, bevor sich das Seil löste. Als er spürte, wie sein Körper über die Kante glitt, gönnte er sich die erste Pause.

Lansing rollte sich auf den Rücken und setzte sich auf. Aber er ließ das Seil nicht los, ehe er sich sicher auf der anderen Seite der Düne wußte. Erst da lockerte er seinen Griff. Er bemerkte, daß der Strick um einen der Steine geschlungen war, die ihn auf dem Hinweg in solches Staunen versetzt hatten, als Jürgens und er den Gipfel erklommen hatten.

Jürgens! dachte er. Jürgens, o Gott. Während der letzten Minuten (waren es wirklich nur Minuten gewesen oder Stunden?) waren alle Gedanken an Jürgens wie weggewischt gewesen. Auf Händen und Knien kroch er zum Gipfel zurück und blickte den langen glatten Abhang hinab. Die Spur, die er hinterlassen hatte, war von dem langsam und ständig rieselnden Sand schon fast zugedeckt. In ein paar Minuten würde es keinen Hinweis auf seinen Absturz mehr geben.

Jürgens' Spur war vollkommen verschwunden. Es ließ sich nicht mehr feststellen, an welcher Stelle er den Abhang hinabgeglitten war. Der Roboter war verschwunden, fort für immer, das war Lansing klar. Fort ins Unbekannte, das ihn an der Grenze zwischen Sand und Schwärze erwartet hatte. Lansing erinnerte sich, daß Jürgens nicht um Hilfe geschrien hatte. Er war seinem Schicksal, wie auch immer es aussehen mochte, still entgegengeeilt. Lansing wußte, der Roboter hatte mit Rücksicht auf ihn so gehandelt. Er wollte ihn, den Menschen Lansing, nicht in den Unfall verstricken.