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»Hier läuft alles großartig«, versicherte Hedge. »Also mach dir keine Sorgen. Wir werden ihn für einen Monat oder so aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit raushalten, bis die Lage sich beruhigt hat. Dein Dad hat jetzt wichtigere Dinge zu tun – sich auszuruhen und mit seiner Tochter zu sprechen, zum Beispiel.«

»Machen Sie es sich da draußen in Hollywood nicht allzu bequem, Gleeson«, sagte Piper.

Hedge schnaubte. »Machst du Witze? Im Vergleich zu den Leuten hier wirkt sogar Aeolus total normal. Ich komme zurück, sobald ich kann, aber zuerst muss dein Dad wieder auf die Beine kommen. Der ist schon in Ordnung. Ach, und übrigens, ich habe auch die andere kleine Angelegenheit erledigt. Der Park Service der Bay Area hat soeben von einem anonymen Gönner einen neuen Hubschrauber bekommen. Und die Pilotin, die uns geholfen hat, bekam ein sehr lukratives Angebot, von nun ab für Mr McLean zu fliegen.«

»Danke, Gleeson«, sagte Piper. »Für alles.«

»Ja, na ja. Ich bin ja nicht absichtlich so umwerfend. Das passiert ganz von selbst. Und wo schon von Aeolus die Rede war, hier ist die neue Assistentin deines Dad.«

Hedge wurde aus dem Blickfeld geschoben und eine hübsche junge Dame lächelte in die Kamera.

»Mellie?« Piper starrte sie ungläubig an, aber sie war es eindeutig: Die Aura, die ihnen bei der Flucht aus der Festung des Aeolus geholfen hatte. »Du arbeitest jetzt für meinen Dad?«

»Ist das nicht großartig?«

»Weiß er, dass du ein … du weißt schon … Windgeist bist?«

»Nicht doch. Aber ich liebe diesen Job. Der ist wie – äh – ein frischer Windhauch.«

Piper musste lachen. »Ich freue mich. Das ist großartig. Aber wo …«

»Sekunde …« Mellie küsste Gleeson auf die Wange. »Jetzt komm, du alter Bock. Und hör auf, den Bildschirm anzuknabbern.«

»Was?«, fragte Hedge. Aber Mellie schob ihn weg und rief: »Mr McLean? Da ist sie!«

Eine Sekunde darauf war Pipers Dad zu sehen.

Er strahlte sie an. »Pipes!«

Er sah großartig aus – wieder wie immer, mit seinen leuchtenden braunen Augen, seinen Bartstoppeln, seinem zuversichtlichen Lächeln und seinen frisch geschnittenen Haaren, wie kurz vorm Dreh. Piper war erleichtert, aber auch ein bisschen traurig. Der Normalzustand war nicht unbedingt das, was sie sich wünschte.

In Gedanken startete sie die Uhr. Bei einem normalen Anruf wie diesem, an einem Werktag, bekam sie die Aufmerksamkeit ihres Dad nur selten für länger als dreißig Sekunden.

»He«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Geht’s dir gut?«

»Herzchen, es tut mir so leid, dass ich dir mit dieser Verschwindegeschichte Kummer gemacht habe. Ich weiß nicht …« Sein Lächeln wurde unsicher, als er versuchte, sich zu erinnern – nach einer Erinnerung griff, die vorhanden sein müsste, es aber nicht war. »Ich weiß nicht genau, was passiert ist, ehrlich nicht. Aber es geht mir gut. Trainer Hedge war ein Geschenk der Götter.«

»Ein Geschenk der Götter«, wiederholte sie. Witzige Wortwahl.

»Er hat mir von deiner neuen Schule erzählt«, sagte Dad. »Tut mir leid, dass die Wüstenschule nicht das Richtige war. Du hattest Recht und Jane eben nicht. Es war idiotisch von mir, auf sie zu hören.«

Noch zehn Sekunden vielleicht. Aber noch immer klang ihr Dad ehrlich, als ob er wirklich ein schlechtes Gewissen hätte.

»Und du kannst dich an gar nichts erinnern?«, fragte sie, ein wenig sehnsüchtig.

»Doch, natürlich«, sagte er.

Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. »Echt?«

»Ich weiß noch, dass ich dich liebe«, sagte er. »Und ich bin stolz auf dich. Gefällt es dir in deiner neuen Schule?«

Piper blinzelte. Sie wollte jetzt nicht weinen. Nach allem, was sie durchgemacht hatte, wäre das lächerlich. »Ja, Dad. Es ist eher wie ein Camp als wie eine Schule, aber … doch, ich glaube, ich werde hier glücklich sein.«

»Ruf mich so oft an, wie du kannst«, sagte er. »Und komm zu Weihnachten nach Hause. Und Pipes …«

Er berührte den Bildschirm, wie um die Hand hindurchzustrecken. »Du bist eine wunderbare junge Frau. Ich sage dir das nicht oft genug. Du erinnerst mich so sehr an deine Mutter. Sie wäre stolz auf dich. Und Opa Tom …«, er kicherte. »Er hat immer gesagt, du würdest mal die mächtigste Stimme in unserer Familie. Eines Tages wirst du mich überstrahlen, weißt du. Sie werden sich an mich als an Piper McLeans Vater erinnern, und das ist das beste Testament, das ich mir vorstellen kann.«

Piper versuchte zu antworten, aber sie hatte Angst zusammenzubrechen. Sie berührte einfach seine Finger auf dem Bildschirm und nickte.

Mellie sagte im Hintergrund etwas und ihr Dad seufzte. »Das Studio ruft. Tut mir leid, Süße.« Und es schien ihn wirklich zu ärgern, dass er aufhören musste.

»Schon gut, Dad«, brachte sie heraus. »Hab dich lieb.«

Er zwinkerte ihr zu. Dann wurde der Bildschirm schwarz.

Fünfundvierzig Sekunden? Vielleicht eine ganze Minute.

Piper lächelte. Eine kleine Verbesserung, und das war ein Fortschritt.

Auf der Wiese stieß sie auf Jason, der lässig auf einer Bank saß und einen Basketball zwischen den Füßen hatte. Er war schweißnass vom Sport, sah aber wunderbar aus in seinem orangefarbenen Trägerhemd und den Shorts. Die Wunden und Schrammen vom Einsatz heilten, was der medizinischen Betreuung durch die Apollo-Hütte zu verdanken war. Seine Arme und Beine waren muskulös und braun – und umwerfend wie immer. Seine kurz geschnittenen blonden Haare fingen das Nachmittagslicht ein und schienen sich in Gold verwandelt zu haben, wie bei Midas.

»Hallo«, sagt er. »Wie war es?«

Sie brauchte eine Sekunde, um diese Frage zu begreifen. »Hmm? Ach ja, gut.«

Sie setzte sich neben ihn und sie sahen zu, wie die Campbewohner hin und her liefen. Einige Demeter-Töchter spielten zwei Apollo-Söhnen einen Streich – sie ließen Gras um deren Knöchel wachsen, während die Jungen nach dem Korb warfen. Am Campladen hängten die Hermes-Kinder ein Plakat auf: FLUGSCHUHE, KAUM BENUTZT, HEUTE 50 % RABATT! Ares-Kinder zogen neuen Stacheldraht um ihre Hütte. Die Hypnos-Hütte schnarchte vor sich hin. Ein ganz normaler Tag im Camp.

Die Aphrodite-Kinder sahen ständig unauffällig zu Piper und Jason herüber. Piper war ziemlich sicher, gesehen zu haben, wie Geld von einer Hand in die andere wanderte, als ob sie Wetten auf einen Kuss abschlössen.

»Hast du geschlafen?«, fragte sie ihn.

Er sah sie an, als ob sie seine Gedanken gelesen hätte. »Nicht viel. Wegen der Träume.«

»Über deine Vergangenheit?«

Er nickte.

Sie drängte ihn nicht. Wenn er reden wollte, dann war ihr das recht, aber sie kannte ihn gut genug, um ihn nicht unter Druck zu setzen. Sie machte sich nicht einmal mehr Sorgen darüber, dass das meiste, was sie über ihn wusste, auf drei Monaten voller falscher Erinnerungen beruhte. Du kannst Möglichkeiten spüren, hatte ihre Mutter gesagt, und Piper war entschlossen, diese Möglichkeiten zur Realität zu machen.

Jason drehte seinen Basketball. »Das ist nicht gut«, sagte er. »Meine Erinnerungen sind nicht gut für – für uns alle.«

Piper war ziemlich sicher, dass er »für uns« hatte sagen wollen, wie in »wir zwei«, und sie fragte sich, ob er sich an ein Mädchen aus seiner Vergangenheit erinnert hatte. Aber sie ließ sich davon nicht entmutigen. Nicht an einem so sonnigen Wintertag, während Jason neben ihr saß.