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»Aber was ist, wenn Ihr nicht die Wahrheit sagt?«, fragte er. »Was ist, wenn Ihr das hier tut, um einen neuen Bürgerkrieg auszulösen?«

Junos Miene war nicht zu durchschauen – war das Belustigung? Verachtung? Zuneigung? Möglicherweise alle drei. So menschlich sie auch wirken mochte, Jason wusste, dass sie das nicht war. Er konnte noch immer dieses blendende Licht sehen – die wahre Gestalt der Göttin, die sich in sein Gehirn eingebrannt hatte. Sie war Juno und Hera. Sie existierte an vielen Orten zugleich. Die Gründe, aus denen sie etwas tat, waren niemals einfach.

»Ich bin die Göttin der Familie«, sagte sie. »Meine Familie ist schon zu lange gespalten.«

»Sie haben uns gespalten, damit wir uns nicht gegenseitig umbringen«, sagte Jason. »Ich finde, das ist ein ziemlich guter Grund.«

»Die Weissagung verlangt, dass wir uns ändern. Die Riesen werden sich erheben. Ein Riese kann nur getötet werden, wenn ein Gott und ein Halbgott sich zusammentun. Und diese Halbgötter müssen die sieben größten ihres Zeitalters sein. Wenn wir gespalten bleiben, können wir nicht gewinnen. Darauf baut Gaia. Du musst die Helden des Olymp vereinen und gemeinsam müsst ihr lossegeln, um den Riesen auf den uralten griechischen Schlachtfeldern gegenüberzutreten. Nur dann werden die Götter sich überreden lassen, euch beizustehen. Es wird der gefährlichste Auftrag, die wichtigste Reise sein, die jemals von Kindern der Götter angetreten wurde.«

Jason schaute zu der leuchtenden Statue seines Vaters hoch.

»Das ist nicht fair«, sagte er. »Ich könnte alles ruinieren.«

»Das könntest du«, sagte Juno zustimmend. »Aber wir Götter brauchen Helden. Das war schon immer so.«

»Sogar Ihr? Ich dachte, Ihr hasst Helden.«

Die Göttin lächelte spöttisch. »Das ist mein Ruf. Aber wenn du die Wahrheit wissen willst, Jason, dann beneide ich die anderen Götter oft um ihre sterblichen Kinder. Ihr Halbgötter könnt zwischen den Welten vermitteln. Ich glaube, das hilft euren göttlichen Eltern – sogar dem verfluchten Jupiter –, die sterbliche Welt besser zu verstehen, als ich das kann.«

Juno lächelte so unglücklich, dass sie Jason fast leidtat, obwohl er so wütend auf sie war.

»Ich bin die Göttin der Ehe«, sagte sie. »Es ist mir nicht gegeben, treulos zu sein. Ich habe nur zwei göttliche Kinder – Ares und Hephaistos –, die beide eine Enttäuschung sind. Ich habe keine sterblichen Helden, die meine Befehle ausführen können, und deshalb bin ich so oft ungnädig, was Halbgötter angeht – Herkules, Aeneas, die ganze Bande. Deshalb habe ich auch den ersten Jason bevorzugt, einen einfachen Sterblichen, der kein göttliches Elternteil hatte, das ihn hätte führen können. Und aus demselben Grund freue ich mich darüber, dass Zeus dich mir anvertraut hat. Du wirst mein Ritter sein, Jason. Du wirst der größte der Helden sein und den Halbgöttern und damit auch dem Olymp die Einheit zurückbringen.«

Ihre Worte trafen ihn wie schwere Sandsäcke. Noch vor zwei Tagen wäre er entsetzt gewesen von der Vorstellung, dass er Halbgötter in eine Große Weissagung führen, in eine Schlacht mit Riesen segeln und die Welt retten sollte.

Er war noch immer außer sich, aber es hatte sich etwas verändert. Er war nicht mehr allein. Er hatte Freunde und ein Zuhause, für das er kämpfen wollte. Er hatte sogar eine göttliche Beschützerin, die über ihn wachte, und das musste doch irgendwie helfen, auch wenn sie ein wenig unzuverlässig wirkte.

Jason musste seine Bestimmung akzeptieren, so wie er es getan hatte, als er Porphyrion mit bloßen Händen gegenübergetreten war. Er kam ihm zwar unmöglich vor und könnte sein Tod sein – aber seine Freunde verließen sich auf ihn.

»Und wenn ich versage?«, fragte er.

»Große Siege verlangen große Risiken«, gab sie zu. »Versage, und es wird ein Blutvergießen geben, wie wir es noch nie gesehen haben. Halbgötter werden sich gegenseitig vernichten. Die Riesen werden den Olymp überrennen. Gaia wird erwachen und die Erde wird alles abschütteln, was wir in fünf Jahrtausenden gebaut haben. Es wird unser aller Ende sein.«

»Super. Einfach super.«

Jemand hämmerte an die Hüttentür.

Juno zog sich die Kapuze wieder über das Gesicht. Dann reichte sie Jason den Gladius in der Scheide. »Nimm das als Ersatz für die Waffe, die du verloren hast. Wir sprechen uns wieder. Ob es dir nun passt oder nicht, Jason, ich bin deine Patronin und deine Verbindung zum Olymp. Wir brauchen einander.«

Die Göttin verschwand, als die Tür sich kreischend öffnete und Piper hereinkam.

»Annabeth und Rachel sind da«, sagte sie. »Chiron hat den Rat einberufen.«

LIV

Leo

Es dauerte einige Minuten, bis alle das verinnerlicht hatten. Dann fragten die anderen Hephaistos-Kinder alle wild durcheinander. Wer waren die anderen vier Halbgötter? Wie lange würde es dauern, das Boot zu bauen? Warum durften nicht alle nach Griechenland segeln?

»Helden!« Chiron stampfte mit dem Huf auf. »Wir kennen noch nicht alle Einzelheiten, aber Leo hat Recht. Er wird eure Hilfe brauchen, um die Argo II zu bauen. Es ist vielleicht das größte Projekt, das Hütte 9 jemals in Angriff genommen hat, noch größer als der Bronzedrache.«

»Wir werden mindestens ein Jahr brauchen«, tippte Nyssa. »Haben wir so viel Zeit?«

»Ihr habt höchstens sechs Monate«, sagte Chiron. »Ihr müsst um die Sommersonnenwende lossegeln, dann ist die Macht der Götter am größten. Außerdem können wir uns auf die Windgötter offenbar nicht verlassen, und die Sommerwinde sind die schwächsten und die, bei denen das Navigieren am leichtesten ist. Ihr könnt es nicht riskieren, später aufzubrechen, sonst kommt ihr nicht mehr rechtzeitig, um die Riesen aufzuhalten. Ihr dürft nicht über Land reisen, ihr könnt nur Luft und See nutzen, deshalb ist dieses Fahrzeug perfekt. Mit Jason als Sohn des Himmelsgottes …«

Er verstummte, aber Leo vermutete, dass Chiron an seinen verschwundenen Schüler dachte, an Percy Jackson, den Sohn des Poseidon. Er würde sich auf dieser Reise sicher auch gut machen.

Jake Mason wandte sich an Leo. »Na ja, eins steht ja wohl fest. Du bist unser neuer Hüttenältester. Das ist die größte Ehre, die der Hütte je zuteil geworden ist. Irgendwelche Einsprüche?«

Keine. Alle anderen aus der Hütte lächelten ihn an und Leo konnte fast spüren, wie der Fluch der Hütte aufgehoben wurde und das allgemeine Gefühl von Hoffnungslosigkeit zerschmolz.

»Dann ist das amtlich«, sagte Jake. »Du bist ernannt.«

Ausnahmsweise war Leo sprachlos. Seit dem Tod seiner Mutter war er immer nur weggelaufen. Jetzt hatte er ein Zuhause und eine Familie gefunden. Er hatte eine Aufgabe. Und so unheimlich die auch war, Leo hatte keine Lust, wieder wegzulaufen – nicht im Geringsten.

»Na«, sagte er endlich. »Wenn ihr mich zum Anführer ernennt, dann müsst ihr noch verrückter sein als ich. Also dann, bauen wir eine sauscharfe Kriegsmaschine.«

LVI

Jason

Die Ratssitzung verlief ganz anders, als Jason es sich vorgestellt hatte. Zum einen wurde sie im Hobbyraum des Hauptgebäudes an einem Pingpong-Tisch abgehalten und ein Satyr servierte Nachos und Limo. Jemand hatte den Kopf von Seymour, dem Leoparden, aus dem Aufenthaltsraum hergebracht und an die Wand gehängt. Ab und zu warf jemand aus dem Rat ihm einen Hundekeks zu.

Jason schaute sich im Zimmer um und versuchte, sich an die Namen der anderen zu erinnern. Zum Glück saßen Leo und Piper neben ihm – es war ihre erste Ratssitzung als Hüttenälteste. Clarisse, die Anführerin der Ares-Hütte, hatte ihre Stiefel auf den Tisch gelegt, aber das schien niemanden zu stören. Clovis aus der Hypnos-Hütte schnarchte in der Ecke, während Butch aus der Iris-Hütte versuchte herauszufinden, wie viele Bleistifte er in Clovis’ Nasenlöchern unterbringen konnte. Travis Stoll von den Hermes-Leuten hielt ein Feuerzeug unter einen Pingpongball, um festzustellen, ob der brannte, und Will Solace aus der Apollo-Hütte wickelte sich zerstreut eine elastische Binde um das Handgelenk und machte sie dann wieder ab. Die Hüttenalteste der Hekate-Hütte, Lou Ellen Soundso, spielte mit Miranda Gardiner von Demeter »Nasenfangen«, nur dass Lou Ellen wirklich auf magische Weise Mirandas Nase abgenommen hatte und Miranda versuchte, sie zurückzubekommen.