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Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und stürzte davon, ehe die anderen sehen konnten, dass sie rot wurde.

Hinter ihr prustete Drew los. »Nicht darum? Habt ihr das gehört, Leute? Die hat doch keine Ahnung.«

Piper schwor sich, niemals in diese Hütte zurückzukehren. Sie blinzelte ihre Tränen weg und rannte über den Rasen, ohne zu wissen, wohin – bis sie den Drachen sah, der vom Himmel herabgefegt kam.

XVI

Piper

»Leo?«, schrie sie.

Und richtig, da war er, er saß auf einer riesigen Todesmaschine aus Bronze und grinste wie ein Wahnsinniger. Noch ehe er landete, wurde im Camp Alarm gegeben. Ein Muschelhorn erscholl. Alle Satyrn kreischten: »Bring mich nicht um!« Das halbe Camp kam in einer Kombination aus Schlafanzügen und Rüstungen angerannt. Der Drache landete mitten auf der Wiese und Leo rief: »Alles in Ordnung! Nicht schießen!«

Zögernd ließen die Bogenschützen ihre Bögen sinken. Die Krieger wichen zurück, hielten aber weiterhin Schwerter und Speere bereit. Sie bildeten einen lockeren Ring um das Metallmonster. Andere Halbgötter versteckten sich hinter ihren Hüttentüren oder lugten aus den Fenstern. Niemand schien sich dem Drachen unbedingt nähern zu wollen.

Piper konnte das gut verstehen. Der Drache war riesig. Er funkelte in der Morgensonne wie eine lebende Skulptur aus Münzen in lauter Kupfer-und Bronzetönen – eine zwanzig Meter lange Schlange mit Stahlkrallen, tödlich scharfen Zähnen und glühenden Rubinaugen. Er hatte Fledermausflügel, die zweimal so lang waren wie er, sich wie metallene Segel entfalteten und bei jedem Flügelschlag klangen wie aus einem Spielautomaten stürzende Münzen.

»Er ist schön«, murmelte Piper. Die anderen Halbgötter starrten sie an, als ob sie an Pipers Verstand zweifelten.

Der Drache warf den Kopf in den Nacken und schickte eine Feuersäule gen Himmel. Die Leute aus dem Camp wichen zurück und hoben ihre Waffen, Leo dagegen ließ sich gelassen vom Rücken des Drachen gleiten. Er hob die Hände, wie um sich zu ergeben, nur hatte er noch immer dieses irre Grinsen im Gesicht.

»Erdlinge, ich komme in friedlicher Absicht!«, brüllte er. Er sah aus, als ob er sich im Lagerfeuer gewälzt hätte. Seine Armeejacke und sein Gesicht waren rußverschmiert, seine Hände waren von Fettflecken bedeckt und er trug einen neuen Werkzeuggürtel um die Taille. Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Locken so mit Öl verschmutzt, dass sie aufragten wie Stachelschweinstacheln, und er stank seltsamerweise nach Tabasco. »Festus will doch nur guten Tag sagen!«

»Dieses Ding ist gefährlich!«, brüllte ein Ares-Mädchen und schwenkte ihren Speer. »Lasst ihn uns umbringen!«

»Aus dem Weg«, befahl jemand.

Zu Pipers Überraschung war es Jason. Er drängte sich durch die Menge, flankiert von Annabeth und diesem Mädchen aus der Hephaistos-Hütte, Nyssa.

Jason starrte den Drachen an und schüttelte verblüfft den Kopf. »Leo, was hast du gemacht?«

»Uns eine Mitfluggelegenheit besorgt«, sagte Leo strahlend. »Du hast gesagt, dann darf ich mitkommen. Also habe ich dir einen erstklassigen metallischen, fliegenden Tunichtgut besorgt. Festus kann uns überall hinbringen.«

»Der – der hat ja Flügel«, stammelte Nyssa. Ihre Kinnlade sah aus, als ob sie von ihrem Gesicht fallen könnte.

»Genau«, sagte Leo. »Ich habe sie gefunden und wieder festgemacht.«

»Aber der hatte nie Flügel. Wo hast du die her?«

Leo zögerte, und Piper wusste, dass er etwas verbarg.

»Aus … aus dem Wald«, sagte er. »Ich habe auch seine Stromkreise repariert, größtenteils jedenfalls, also wird er nicht mehr durchdrehen.«

»Größtenteils?«, fragte Nyssa.

Der Kopf des Drachen zuckte, kippte auf eine Seite und ein Strom einer schwarzen Flüssigkeit – Öl vielleicht, hoffentlich Öl – schoss aus seinem einen Ohr und ergoss sich über Leo.

»Nur ein paar kleine Macken müssen noch behoben werden«, sagte Leo.

»Aber wie hast du das überlebt …?« Nyssa starrte den Drachen noch immer voller Ehrfurcht an. »Ich meine, der Feueratem …«

»Ich bin schnell«, sagte Leo. »Und hatte Glück. Also, darf ich jetzt mitkommen oder nicht?«

Jason kratzte sich den Kopf. »Du hast ihn Festus genannt? Weißt du, dass Festus auf Latein fröhlich bedeutet? Du willst, dass wir auf einem fröhlichen Drachen die Welt retten?«

Der Drache schüttelte sich und schlug mit den Flügeln.

»Das heißt Ja, Bruderherz«, sagte Leo. »Also, ich schlage vor, dass wir aufbrechen, Leute. Ich habe schon Proviant besorgt – äh, im Wald. Und alle diese Leute mit den Waffen machen Festus nervös.«

Jason runzelte die Stirn. »Aber wir haben noch keine Pläne gemacht. Wir können doch nicht einfach …«

»Geht«, sagte Annabeth. Sie war die Einzige, die kein bisschen nervös aussah. Ihr Gesicht war traurig und sehnsüchtig, als ob sie sich an bessere Zeiten erinnert fühlte. »Jason, dir bleiben nur drei Tage bist zur Sonnenwende, und du solltest einen nervösen Drachen niemals warten lassen. Das ist eindeutig ein gutes Omen. Los!«

Jason nickte. Dann lächelte er Piper an. »Bist du so weit, Partner?«

Piper sah die bronzenen Drachenflügel an, die vor dem Himmel leuchteten, und die Krallen, die sie in Fetzen reißen könnten.

»Da kannst du Gift drauf nehmen«, sagte sie.

Der Flug auf dem Drachen kam Piper vor wie die aufregendste Erfahrung ihres Lebens.

Ganz oben war die Luft eisig kalt, aber die Metallhaut des Drachen erzeugte so viel Hitze, dass sie das Gefühl hatten, in einer Schutzblase zu fliegen. Genialer Fall von Sitzheizung! Und die Mulden im Rücken des Drachen waren angelegt wie Hightech-Sättel, deshalb waren sie überaus bequem. Leo zeigte ihnen, wie man die Füße in die Spalten der Rüstung schob, wie in Steigbügel, und wie man die ledernen Sicherheitsgurte benutzte, die geschickt unter den äußeren Platten verborgen waren. Sie saßen hintereinander: Leo vorn, dann Piper, dann Jason, und Piper war sich sehr bewusst, dass Jason gleich hinter ihr war. Sie wünschte, er hielte sich an ihr fest, legte den Arm um ihre Taille, aber leider tat er das nicht.

Leo lenkte den Drachen mit Zügeln über den Himmel, als hätte er das schon sein Leben lang getan. Die Metallflügel funktionierten perfekt, und bald war die Küste von Long Island nur noch eine verschwommene Linie hinter ihnen. Sie jagten über Connecticut hinweg und stiegen zwischen den grauen Winterwolken höher.

Leo drehte sich zu ihnen um und grinste: »Cool, was?«

»Was, wenn wir entdeckt werden?«, fragte Piper.

»Der Nebel«, sagte Jason. »Der verhindert, dass Sterbliche magische Dinge sehen. Wenn sie uns entdecken, halten sie uns vermutlich für ein kleines Flugzeug oder so was.«

Piper sah sich über ihre Schulter um. »Bist du dir da sicher?«

»Nein«, gab er zu. Dann sah Piper, dass er ein Foto in der Hand hielt – das Bild eines dunkelhaarigen Mädchens.

Sie schaute Jason fragend an, aber der errötete nur und steckte das Foto in die Tasche. »Wir kommen gut voran. Vermutlich sind wir heute Abend da.«

Piper hätte gern gewusst, wer das Mädchen auf dem Bild war, aber sie mochte nicht fragen. Wenn Jason es nicht von selbst verriet, dann war das kein gutes Zeichen. War ihm etwas aus seinem früheren Leben eingefallen? War das ein Foto seiner richtigen Freundin?

Aufhören, dachte sie. Du quälst dich nur selbst.

Sie stellte eine harmlosere Frage: »Wohin fliegen wir denn?«

»Zum Gott des Nordwindes«, sagte Jason. »Um ein paar Sturmgeister zu jagen.«

XVII

Leo

Leo war einfach hin und weg.

Die Gesichter der Campbewohner, als er auf dem Drachen angeflogen kam – unbezahlbar. Er hatte geglaubt, seine Hüttengenossen würden allesamt durchdrehen.

Festus war ebenfalls umwerfend gewesen. Er hatte nicht eine einzige Hütte abgefackelt und keinen Satyrn gefressen, auch wenn ein wenig Öl aus seinem Ohr getropft war. Na ja, sehr viel Öl. Leo würde das später untersuchen.

Okay, Leo hatte es nicht mehr geschafft, allen von Bunker 9 oder dem Bauplan des fliegenden Bootes zu erzählen. Er brauchte ohnehin Zeit, um darüber nachzudenken. Er konnte nach seiner Rückkehr mit ihnen darüber reden.