»Weiches Herz?«, murmelte Torque.
»Was war das, du undankbarer Bengel?«
»Nichts, Ma. Ich habe gesagt, du hast ein weiches Herz. Wir dürfen für dich arbeiten, dich füttern, deine Zehennägel feilen …«
»Und dafür solltet ihr dankbar sein!«, brüllte Ma Gasket. »Und jetzt schür das Feuer, Torque. Und Sump, du Idiot, mein Kanister Salsa ist in dem anderen Lagerhaus. Sag ja nicht, du erwartest, dass ich diese Halbgötter ohne Salsa verzehre.«
»Ja, Ma«, sagte Sump. »Ich meine, nein, Ma. Ich meine …«
»Hol ihn!« Ma Gasket griff sich ein LKW-Chassis und knallte es Sump auf den Kopf. Sump ging in die Knie. Leo war sicher, dass der Schlag ihn umgebracht hatte, aber offenbar wurde Sump oft von Lastwagen getroffen. Er schob sich die LKW-Reste vom Kopf, kam schwankend auf die Beine und rannte los, um die Salsa zu holen.
Jetzt ist der Moment, dachte Leo. Solange sie nicht alle da sind.
Er verdrahtete die zweite Maschine und schlich auf eine dritte zu. Als er zwischen zwei Greifarmen hindurchhuschte, sahen die Zyklopen ihn nicht, im Gegensatz zu Piper. Ihr Gesichtsausdruck verwandelte sich von Entsetzen zu Unglauben und sie schnappte nach Luft.
Ma Gasket drehte sich zu ihr um. »Was ist los, Mädel? So empfindlich, dass ich dir was gebrochen habe?«
Zum Glück war Piper eine rasche Denkerin. Sie schaute von Leo weg und sagte: »Ich glaube, meine Rippen, Ma’am. Ich bin innerlich so zerquetscht, dass ich schrecklich schmecken werde.«
Ma Gasket brüllte vor Lachen. »Guter Witz. Der letzte Held, den wir gegessen haben – weißt du noch, Torque? Ein Sohn des Merkur, oder?«
»Ja, Ma«, sagte Torque. »Hat gut geschmeckt. Ein bisschen sehnig.«
»Der hat es auch mit diesem Trick versucht. Hat behauptet, dass er Medikamente nimmt. Aber er hat gut geschmeckt.«
»Hat wie Hammel geschmeckt«, erinnerte sich Torque. »Lila Hemd. Hat Latein gesprochen. Ja, ein bisschen zäh, aber gut.«
Leos Finger erstarrten auf der Kontrollleiste. Offenbar dachte Piper dasselbe wie er, denn sie frage: »Lila Hemd? Latein?«
»War so lecker«, sagte Ma Gasket glücklich. »Die Sache ist die, Mädel, dass wir nicht so dumm sind, wie die meisten denken. Wir fallen auf diese blöden Tricks nicht rein, wir nördlichen Zyklopen.«
Leo zwang sich, weiterzuarbeiten, aber seine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Ein Junge, der Latein sprach, war hier gefangen worden. Und er hatte ein lila Hemd getragen, wie Jason. Er wusste nicht, was das bedeutete, und er musste die Fragen Piper überlassen. Wenn er irgendeine Chance haben wollte, diese Monster zu besiegen, musste er sich beeilen, ehe Sump mit der Salsa zurückkam.
Er schaute zu dem Motorblock hoch, der über dem Lagerfeuer der Zyklopen hing. Er wünschte, er könnte ihn benutzen – der würde eine großartige Waffe abgeben. Aber der Kran, der ihn hielt, stand auf der anderen Seite des Fließbandes. Leo konnte nicht hinüberlaufen, ohne gesehen zu werden, und außerdem lief ihm die Zeit davon.
Der letzte Teil seines Plans war der schwierigste. Er holte Drähte, einen Funkadapter und einen kleinen Schraubenzieher aus dem Werkzeuggürtel und fing an, eine Universalfernbedienung zu bauen. Zum ersten Mal dankte er in Gedanken seinem Dad Hephaistos für den magischen Werkzeuggürtel.
Hol mich hier raus, betete er, dann bist du vielleicht doch nicht so ein Mistkerl.
Piper redete immer weiter und trug dabei ziemlich dick auf. »Ach, von den nördlichen Zyklopen habe ich schon gehört!« Leo ging davon aus, dass das nur Gerede war, aber sie klang sehr überzeugend. »Aber ich wusste ja nicht, dass ihr so groß und klug seid!«
»Schmeichelei hilft dir auch nicht weiter«, sagte Ma Gasket, klang aber erfreut. »Aber es stimmt, du wirst den besten Zyklopen der ganzen Welt als Frühstück dienen.«
»Aber sind Zyklopen denn nicht alle gut?«, fragte Piper. »Ich dachte, ihr macht Waffen für die Götter.«
»Pah. Ich bin sehr gut. Gut im Leuteessen. Gut im Zerschlagen. Und gut darin, Dinge zu bauen, das schon, aber nicht für die Götter. Unsere Vettern, die älteren Zyklopen, die machen das. Die finden sich so toll, bloß weil sie ein paar Tausend Jahre älter sind. Dann gibt es noch unsere südlichen Vettern, die Schafe hüten und auf Inseln leben. Trottel! Aber wir hyperboräischen Zyklopen, die nördliche Sippe, wir sind die besten! Haben in dieser alten Fabrik Monocle Motors gegründet – die feinsten Waffen, Rüstungen, Wagen, SUVs mit geringem Treibstoffverbrauch. Aber trotzdem – bah! Mussten dichtmachen. Mussten die meisten von unserem Stamm entlassen. Der Krieg war zu schnell vorbei. Titanen wurden geschlagen. Taugt nichts. Kein Bedarf mehr an Zyklopenwaffen.«
»Oh nein«, sagte Piper mitfühlend. »Bestimmt habt ihr umwerfende Waffen hergestellt.«
Troque grinste. »Quietschende Kriegshämmer!« Er hob eine lange Stange mit einer akkordeonähnlichen Metalldose an einem Ende hoch. Er haute damit auf den Boden und der Zement bekam Risse, aber es klang, als werde die größte Gummiente der Welt zusammengequetscht.
»Umwerfend«, sagte Piper.
Torque sah zufrieden aus. »Nicht so gut wie die explodierende Axt, aber den hier kann man mehr als einmal benutzen.«
»Kann ich mal sehen?«, fragte Piper. »Wenn du nur kurz meine Hände freimachen könntest …«
Torque trat eifrig vor, aber Ma Gasket sagte: »Blödmann! Sie versucht es wieder mit ihren Tricks. Genug geredet. Bring erst den Jungen um, ehe der von selbst stirbt. Ich habe frisches Fleisch lieber.«
Nein! Leos Finger flogen dahin und verbanden die Drähte für die Fernbedienung miteinander. Nur noch ein paar Minuten.
»He, wartet«, sagte Piper und versuchte, die Aufmerksamkeit der Zyklopen auf sich zu lenken. »He, kann ich nur schnell eine Frage …«
Die Drähte in Leos Hand sprühten Funken. Die Zyklopen erstarrten und drehten sich in seine Richtung. Dann hob Torque einen Lastwagen hoch und warf ihn auf Leo.
Leo rollte sich zur Seite, als der Lastwagen ein paar Maschinen plattmachte. Wenn er eine halbe Sekunde langsamer gewesen wäre, wäre er zerschmettert worden.
Er sprang auf die Füße und Ma Gasket entdeckte ihn. Sie schrie: »Torque, du jämmerliche Karikatur eines Zyklopen, hol ihn dir!«
Torque war zwanzig Meter entfernt. Zehn Meter.
Der erste Greifarm erwachte zum Leben. Eine drei Tonnen schwere gelbe Metallkralle knallte dem Zyklopen so hart in den Rücken, dass er platt auf die Nase fiel. Ehe Torque sich erholen kannte, packte der Greifarm ihn am Bein und riss ihn in die Höhe.
»AHHHHH!« Torque schoss hinauf in die Finsternis. Die Decke war zu dunkel und zu weit oben, so dass Leo nicht genau sehen konnte, was passierte, aber das harte metallische Klirren ließ ihn annehmen, dass der Zyklop eine der Stützstreben getroffen hatte.
Torque fiel nicht mehr auf den Boden zurück. Stattdessen regnete es gelben Staub. Torque hatte sich aufgelöst.
Ma Gasket starrte Leo geschockt an. »Mein Sohn … du … du …«
Wie aufs Stichwort trottete jetzt Sump mit einem Kanister voll Salsa ins Licht des Feuers. »Ma, ich hab die extrawürzige …«
Er konnte den Satz nicht mehr beenden. Leo riss am Hebel der Fernbedienung und der zweite Greifarm knallte gegen Sumps Brust. Der Salsakanister explodierte wie eine Piñata und Sump flog rückwärts voll gegen Leos dritte Maschine. Sump konnte es vielleicht vertragen, mit Lastwagenrahmen verprügelt zu werden, aber Greifarmen, die zehntausend Pfund Schlagkraft hatten, konnte er nichts entgegensetzen. Der dritte Greifarm schlug ihn mit solcher Wucht zu Boden, dass er zu Staub zerstob wie ein geplatzter Mehlsack. Zwei Zyklopen erledigt. Leo kam sich schon fast vor wie Commander Werkzeuggürtel, als Ma Gasket ihren Blick auf ihn richtete. Sie packte den nächstbesten Greifarm und riss ihn mit wütendem Gebrüll aus seiner Verankerung: »Du hast meine Jungs kaputt gemacht! Nur ich darf meine Jungs kaputt machen!«