Leo drückte auf einen Knopf und die beiden anderen Arme wurden lebendig. Ma Gasket fing den ersten und brach ihn in zwei Stücke. Der zweite Arm traf sie am Kopf, aber das schien sie nur noch wütender zu machen. Sie riss den Greifarm ab, schwenkte ihn wie einen Baseballschläger und verfehlte Piper und Jason nur um Haaresbreite. Dann ließ Ma Gasket ihn los – und er schoss auf Leo zu. Der schrie auf und ließ sich zur Seite fallen, als der Greifarm die Maschine neben ihm zerschmetterte.
Leo ging auf, dass man mit einer Fernbedienung und einem Schraubenzieher lieber nicht gegen eine wütende Zyklopenmutter antrat. Die Zukunft von Commander Werkzeuggürtel sah doch nicht so toll aus.
Sie war jetzt an die sieben Meter von ihm entfernt und stand neben dem Feuer, hatte die Fäuste geballt und bleckte die Zähne. Sie sah albern aus mit ihrem Kettenpanzermuumuu und ihren fettigen Zöpfchen – aber angesichts des mörderischen Funkelns in ihrem riesigen roten Auge und der Tatsache, dass sie vier Meter groß war, konnte Leo sich das Lachen verkneifen.
»Noch weitere Tricks, Halbgott?«, fragte Ma Gasket.
Leo schaute auf. Der Motorblock, der an der Kette hing – wenn er den nur hätte frisieren können. Wenn er nur Ma Gasket dazu bringen könnte, einen Schritt nach vorn zu machen. Die Kette an sich … das eine Glied … es war unmöglich, dass Leo es sehen konnte, schon gar nicht von so tief unten, aber seine Sinne verrieten ihm, dass da eine Materialermüdung vorlag.
»Allerdings, ich hab noch Tricks auf Lager.« Leo hob die Fernbedienung. »Noch einen Schritt und ich zerstöre dich durch Feuer!«
Ma Gasket lachte. »Wirklich? Zyklopen sind immun gegen Feuer, du Idiot! Aber wenn du mit Feuer spielen möchtest, dann helfe ich dir gern.«
Sie fegte mit bloßen Händen rot glühende Kohlen zusammen und warf sie auf Leo. Alle landeten zu seinen Füßen.
»Du hast mich verfehlt«, sagte er ungläubig. Ma Gasket grinste und griff zu einer Tonne, die neben dem Lastwagen stand. Leo konnte gerade noch die Aufschrift auf der Seite sehen – KEROSIN –, dann hatte Ma Gasket die Tonne auch schon geworfen. Sie zerbarst vor ihm auf dem Boden und verteilte überall brennbare Flüssigkeit.
Die Kohlen sprühten Funken. Leo schloss die Augen und Piper schrie: »Nein!«
Um ihn herum tobte ein Feuersturm los. Als Leo die Augen öffnete, war er in Flammen gehüllt, die sieben Meter in die Höhe loderten.
Ma Gasket kreischte vor Vergnügen, aber Leo bot dem Feuer keinen guten Treibstoff. Das Kerosin brannte aus und erstarb in kleinen feurigen Flecken auf dem Boden.
Piper schnappte nach Luft. »Leo?«
Ma Gasket machte ein überraschtes Gesicht. »Du lebst noch?« Dann machte sie den entscheidenden Schritt nach vorn, der sie genau an die Stelle brachte, wo Leo sie haben wollte. »Was bist du?«
»Der Sohn des Hephaistos«, sagte Leo. »Und ich habe dir gesagt, dass ich dich mit Feuer vernichten werde.«
Er hob einen Finger und nahm all seine Willenskraft zusammen. Er hatte noch nie etwas so konzentriert und intensiv versucht – und nun ließ er eine Säule aus weiß glühenden Flammen zu der Kette hochjagen, die den Motorblock über dem Kopf der Zyklopin hielt, und zielte auf das Glied, das schwächer als die anderen wirkte.
Die Flammen erstarben. Nichts passierte. Ma Gasket lachte. »Beeindruckender Versuch, Sohn des Hephaistos. Ich habe schon seit vielen Jahrhunderten keinen Feuernutzer mehr gesehen Du wirst eine würzige Vorspeise abgeben.«
Die Kette riss – das eine Glied war bis zu seinem Zerreißpunkt erhitzt worden – und der Motorblock fiel, tödlich und lautlos.
»Glaub ich nicht«, sagte Leo. Ma Gasket hatte nicht einmal die Zeit hochzuschauen.
Wusch! Keine Zyklopen mehr – nur ein Staubhaufen unter einem fünf Tonnen schweren Motorblock.
»Nicht immun gegen Motoren, was?«, sagte Leo. »Pech gehabt.«
Dann sank er auf die Knie und sein Kopf brummte. Nach einigen Minuten merkte er, dass Piper seinen Namen rief.
»Leo? Alles in Ordnung? Kannst du dich bewegen?«
Er kam mühsam auf die Beine. Er hatte noch nie versucht, ein so riesiges Feuer heraufzubeschwören, und war total erschöpft.
Er brauchte lange, um Piper zu befreien. Gemeinsam holten sie den noch immer bewusstlosen Jason herunter. Piper schaffte es, ein wenig Nektar in seinen Mund zu träufeln. Die Beule auf seiner Stirn schien zu schrumpfen und seine Gesichtsfarbe normalisierte sich langsam wieder.
»Ja, er hat einen ziemlichen Dickkopf«, sagte Leo. »Ich glaube, dem ist nichts passiert.«
»Gott sei Dank«, seufzte Piper. Dann sah sie Leo fast ängstlich an. »Wie hast du – das Feuer – hast du schon immer …?«
Leo schaute zu Boden. »Schon immer«, sagte er. »Ich bin eine einzige Bedrohung. Tut mir leid, ich hätte es euch schon früher sagen müssen, aber …«
»Es tut dir leid?«, Piper boxte gegen seinen Arm. Als er aufschaute, grinste sie. »Das war umwerfend, Valdez. Du hast uns das Leben gerettet. Was sollte dir da leidtun?« Leo blinzelte. Er wollte lächeln, aber sein Gefühl der Erleichterung war dahin, als er etwas neben Pipers Fuß sah. Gelber Staub – die Überreste des einen Zyklopen, vielleicht Torques – bewegte sich über den Boden, wie von einem unsichtbaren Wind zusammengeschoben.
»Sie formieren sich wieder«, sagte Leo. »Schau mal.«
Piper trat zurück. »Das kann doch nicht sein. Annabeth hat mir gesagt, dass Monster zerfallen, wenn sie getötet werden. Sie wandern in den Tartarus und müssen lange dort bleiben.«
»Na, dem Staub da hat das niemand erzählt.« Leo sah zu, wie der Staub sich zu einem Haufen auftürmte, sich dann langsam ausbreitete und eine Gestalt mit Armen und Beinen bildete.
»Oh Gott.« Piper erbleichte. »Boreas hat etwas darüber gesagt – dass die Erde Schrecken freisetzt. Wenn Monster nicht mehr im Tartarus bleiben und Seelen nicht mehr im Hades gefangen sind. Was glaubst du, wie viel Zeit uns bleibt?«
Leo dachte an das Gesicht, das sich draußen im Boden gebildet hatte, die Schlafende, die einwandfrei ein Schrecken aus der Erde war.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Aber wir müssen weg hier.«
XXV
Jason
Jason träumte, er sei in Ketten gewickelt und hinge mit dem Kopf nach unten da wie ein Stück Fleisch. Alles tat weh – seine Arme, seine Beine, seine Brust, sein Kopf. Vor allem sein Kopf. Der fühlte sich an wie ein viel zu prall gefüllter Wasserballon.
»Wenn ich tot bin«, murmelte er, »warum tut das dann so weh?«
»Du bist nicht tot, mein Held«, sagte eine Frauenstimme. »Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Komm, sprich mit mir.«
Jasons Gedanken trieben von seinem Körper fort. Er hörte Monster brüllen, hörte die Schreie seiner Freunde, hörte Explosionen, aber all das schien auf einer anderen Ebene der Existenz stattzufinden – und sich immer weiter von ihm zu entfernen.
Er fand sich in einem irdenen Käfig stehend wieder. Verflochtene Baumwurzeln und Steine umgaben ihn. Vor den Gitterstäben konnte er den Boden eines ausgetrockneten Wasserbeckens sehen, am anderen Ende wuchs ein weiterer irdener Käfig und über ihnen ragten die roten Steine eines ausgebrannten Hauses auf.
Neben ihm im Käfig saß eine Frau im Schneidersitz, sie trug schwarze Gewänder und ein Schleier bedeckte ihren Kopf. Sie schob den Schleier zur Seite und entblößte ein Gesicht, das stolz und schön war – aber auch verhärmt durch Leid.
»Hera«, sagte Jason.
»Willkommen in meinem Gefängnis«, sagte die Göttin. »Heute wirst du nicht sterben, Jason. Deine Freunde werden dich retten – für den Moment.«
»Für den Moment?«, fragte er.
Hera zeigte auf die Gitterstäbe. »Es kommen noch schlimmere Prüfungen. Die Erde selbst rührt sich und ist gegen uns.«
»Ihr seid eine Göttin«, sagte Jason. »Warum könnt Ihr nicht einfach fliehen?« Hera lächelte traurig. Ihre Gestalt fing an zu glühen, bis ihr Leuchten den Käfig mit schmerzhaft hellem Licht füllte. Die Luft summte vor Kraft, Moleküle wurden gespalten wie bei einer Atomexplosion. Jason glaubte, dass er sich in Dampf aufgelöst hätte, wenn er wirklich in Fleisch und Blut zugegen gewesen wäre.