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Jason schüttelte verwirrt den Kopf. »Sie ist kein Geist.«

»Nein, sie ist etwas Schlimmeres. Sie ist …«

»Kinder«, die Prinzessin war mit Leo im Schlepptau wieder da. »Wenn ihr wollt, sehen wir uns jetzt das an, weshalb ihr gekommen seid. Das möchtet ihr doch, oder?« Piper unterdrückte einen Schrei. Am liebsten hätte sie ihren Dolch gezogen und die Hexe angegriffen, aber sie ging davon aus, keine großen Chancen zu haben – nicht mitten im Kaufhaus Ihrer Hoheit, während ihre Freunde unter einem Zauber standen. Piper war ja nicht einmal sicher, dass die beiden in einem Kampf auf ihrer Seite sein würden. Sie musste sich einen besseren Plan ausdenken.

Sie fuhren mit dem Fahrstuhl hinab zum Brunnen. Erst jetzt bemerkte Piper zwei riesige bronzene Sonnenuhren – jede so groß wie ein Trampolin –, die in den Marmorboden nördlich und südlich vom Brunnen eingelassen waren. Die überdimensionalen vergoldeten Vogelbauer standen im Osten und Westen und der weiter entfernte enthielt die Sturmgeister. Sie waren so dicht zusammengedrängt und wirbelten herum wie ein so konzentrierter Tornado, dass Piper nicht sagen konnte, wie viele es waren – jedenfalls Dutzende.

»He«, sagte Leo. »Trainer Hedge sieht doch okay aus!«

Sie liefen zum nächstgelegenen Vogelbauer. Der alte Satyr schien in dem Moment zu Stein geworden zu sein, als er in den Himmel über dem Grand Canyon gesaugt worden war. Er war mitten im Gebrüll erstarrt und schwang die Keule über dem Kopf, wie um die Klasse aufzufordern, auf den Boden zu fallen und fünfzig Liegestütze zu machen. Seine lockigen Haare standen in alle Richtungen ab. Wenn Piper sich auf gewisse Details konzentrierte – das orangefarbene Polohemd, den schütteren Kinnbart, die Pfeife um seinen Hals –, konnte sie sich Trainer Hedge als sein gutes altes nerviges Selbst vorstellen. Aber es war schwer, die kurzen Hörner auf seinem Kopf zu ignorieren und die Tatsache, dass er bepelzte Ziegenbeine und Hufe hatte statt Trainingshose und Nikes.

»Ja«, sagte die Prinzessin. »Meine Waren sind immer in gutem Zustand. Über die Sturmgeister und den Satyrn können wir natürlich verhandeln. Eine Pauschallösung. Wenn wir uns einigen können, gebe ich sogar die Phiole mit dem Heiltrank dazu und ihr könnt in Frieden weiterziehen.« Sie sah Piper vielsagend an. »Das ist doch besser, als Unannehmlichkeiten zu verursachen, nicht wahr, meine Liebe?«

Glaub ihr kein Wort, warnte eine Stimme in Pipers Kopf. Wenn sie mit ihrer Vermutung Recht hatte, wer diese Dame war, dann würde hier niemand in Frieden weiterziehen. Ein fairer Handel wäre nicht möglich. Das war nur ein Trick. Aber ihre Freunde sahen sie an, nickten dringlich und signalisierten lautlos: Sag ja! Piper brauchte mehr Zeit zum Nachdenken.

»Wir können verhandeln«, sagte sie.

»Und wie«, rief Leo zustimmend. »Nennen Sie Ihren Preis!«

»Leo!«, fauchte Piper.

Die Prinzessin schmunzelte. »Ich soll meinen Preis nennen? Vielleicht nicht die beste Strategie beim Feilschen, mein Junge, aber du kennst immerhin den Wert einer Sache. Freiheit ist überaus wertvoll. Ihr wollt, dass ich diesen Satyrn freilasse, der meine Sturmwinde angegriffen hat …«

»Die uns angegriffen hatten«, warf Piper dazwischen.

Ihre Hoheit zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, meine Beschützerin bittet mich ab und zu um kleine Gefallen. Die Sturmgeister zu schicken, um euch zu entführen, war einer davon. Ihr könnt mir glauben, es war nicht persönlich gemeint. Und es ist ja auch nichts passiert, schließlich seid ihr am Ende ganz freiwillig hergekommen! Jedenfalls wollt ihr den Satyrn freikaufen und ihr wollt meine Sturmgeister – die übrigens überaus wertvolle Diener sind –, damit ihr sie dem Tyrannen Aeolus ausliefern könnt. Ist nicht gerade fair, oder? Der Preis wird hoch sein.«

Piper konnte sehen, dass ihre Freunde bereit waren, alles herzugeben, alles zu versprechen. Ehe die beiden etwas sagen konnten, spielte sie ihre letzte Karte aus.

»Sie sind Medea«, sagte sie. »Sie haben dem ersten Jason geholfen, das Goldene Vlies zu stehlen. Sie sind eine der übelsten Schurkinnen in der griechischen Mythologie. Jason, Leo – glaubt ihr kein Wort.«

Piper legte alle Überredungskraft, die sie aufbringen konnte, in diese Worte. Sie war durch und durch ehrlich und das schien eine gewisse Wirkung zu haben. Jason trat von der Zauberin zurück.

Leo kratzte sich den Kopf und schaute sich um, als erwache er aus einem Traum.

»Was machen wir hier eigentlich?«

»Jungs!« Die Prinzessin breitete in einer Willkommensgeste die Hände aus. Ihre Diamanten funkelten und ihre lackierten Fingernägel krümmten sich wie Krallen mit blutigen Spitzen. »Es stimmt, ich bin Medea. Aber ich werde immer missverstanden. Ach, Piper, meine Liebe, du hast ja keine Ahnung, wie das Leben damals für Frauen war. Wir hatten keine Macht, keine Druckmittel. Oft durften wir uns nicht einmal unseren Gatten aussuchen. Aber ich war anders. Ich suchte mir mein Schicksal aus, indem ich zur Zauberin wurde. Ist das ein solches Verbrechen? Ich schloss einen Pakt mit Jason: meine Hilfe dabei, das Vlies zu bekommen, gegen seine Liebe. Ein fairer Handel. Er wurde zu einem berühmten Helden! Ohne mich wäre er unbekannt am Ufer von Kolchis gestorben.«

Jason – Pipers Jason – runzelte die Stirn. »Dann … dann sind Sie wirklich vor dreitausend Jahren gestorben? Sie sind aus der Unterwelt zurückgekehrt?«

»Der Tod kann mich nicht mehr festhalten, junger Held«, sagte Medea. »Dank meiner Beschützerin bin ich wieder Fleisch und Blut.«

»Sie haben sich – neu geformt?«, Leo blinzelte. »Wie ein Monster?«

Medea spreizte die Finger und Dampf quoll zischend aus ihren Nägeln, wie Wasser, das auf heißes Eisen spritzt. »Ihr habt keine Ahnung, was gerade vor sich geht, oder, ihr Lieben? Etwas viel Schlimmeres als Monster im Tartarus, die sich rühren. Meine Beschützerin weiß, dass Riesen und Monster nicht ihre besten Diener sind. Ich bin eine Sterbliche. Ich lerne aus meinen Fehlern. Jetzt, wo ich zu den Lebenden zurückgekehrt bin, werde ich mich nicht mehr betrügen lassen. Und hier ist mein Preis für eure Forderungen.«

»Jungs«, sagte Piper. »Der erste Jason hat Medea verlassen, weil sie verrückt und blutrünstig war.«

»Gelogen!«, sagte Medea.

»Auf dem Rückweg von Kolchis landete Jasons Schiff in einem anderen Königreich und Jason war bereit, Medea aufzugeben und die Tochter des Königs zu heiraten.«

»Nachdem ich ihm zwei Kinder geboren hatte!«, sagte Medea. »Dennoch hat er sein Versprechen gebrochen. War das denn richtig, frage ich euch?«

Jason und Leo schüttelten brav den Kopf, aber Piper war noch nicht fertig.

»Es war vielleicht nicht richtig«, sagte sie. »Aber Medeas Rache war das auch nicht. Sie hat ihre eigenen Kinder ermordet, um Jason eins auszuwischen. Sie hat seine neue Frau vergiftet und ist dann geflohen.«

Medea fauchte. »Eine Lüge, um meinen guten Ruf zu ruinieren. Die Leute von Korinth haben meine Kinder ermordet und mich vertrieben – dieser unverschämte Mob. Jason hat keinen Finger gerührt, um mich zu beschützen. Er hat mir alles genommen. Und ja, deshalb habe ich mich in den Palast geschlichen und seine liebliche neue Braut vergiftet. Das war nur fair – ein angemessener Preis.«

»Sie sind wahnsinnig!«, sagte Piper.

»Ich bin das Opfer!«, heulte Medea. »Ich starb mit zerbrochenen Träumen, aber damit ist jetzt Schluss. Ich weiß, dass ich Helden nicht vertrauen kann. Wenn sie Schätze von mir wollen, werde ich einen hohen Preis fordern. Vor allem, wenn der Held den Namen Jason trägt.«

Der Brunnen war leuchtend rot geworden. Piper zog den Dolch, aber ihre Hand zitterte fast zu sehr, um ihn festzuhalten. »Jason, Leo, wir müssen weg hier. Sofort!«

»Ehe wir uns handelseinig geworden sind?«, frage Medea. »Was ist mit eurem Auftrag, Jungs? Und mein Preis ist so gering. Wusstet ihr, dass das hier ein magischer Brunnen ist? Wenn ein Toter hineingeworfen wird – selbst wenn er in Stücke gehackt ist –, dann springt er unversehrt wieder heraus, stärker und mächtiger denn je.«