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»Das ist also in den Zwingern«, sagte Leo kleinlaut.

Die Drachen breiteten die Flügel aus und fauchten. Piper konnte die Hitze ihrer funkelnden Haut spüren. Einer richtete wütende orangefarbene Augen auf sie.

»Schau ihm ja nicht in die Augen!«, warnte Jason. »Das würde dich lähmen.«

»Allerdings!« Medea fuhr gelassen mit der Rolltreppe nach oben, sie lehnte am Geländer und sah sich den Spaß an. »Diese beiden Süßen sind schon lange in meinem Besitz: Sonnendrachen, Geschenke meines Großvaters Helios. Sie haben meinen Wagen gezogen, als ich Korinth verlassen habe, und jetzt werden sie euer Ende sein. Also los.«

Die Drachen schossen vor. Leo und Jason warfen sich ihnen entgegen. Piper war überrascht, wie furchtlos die Jungen sie angriffen – sie arbeiteten wie ein Team, das seit Jahren gemeinsam trainierte hatte.

Medea hatte fast den zweiten Stock erreicht, wo sie die Wahl zwischen allerlei tödlichem Zubehör hätte.

»Oh nein«, knurrte Piper und rannte hinter ihr her.

Als Medea Piper entdeckte, lief sie die Treppe hoch. Dafür, dass sie dreitausend Jahre alt war, war sie ziemlich flink. Piper lief, so schnell sie konnte, und nahm immer drei Stufen auf einmal, konnte Medea aber trotzdem nicht einholen. Medea hielt beim zweiten Stock nicht an. Sie sprang auf die nächste Rolltreppe und rannte immer weiter nach oben.

Die Elixiere, dachte Piper. Natürlich wollte sie zu denen. Sie war berühmt für ihre Elixiere.

Unter sich hörte Piper Kampfgeräusche. Leo stieß schrille Pfiffe aus und Jason brüllte, um die Aufmerksamkeit der Drachen abzulenken. Piper wagte nicht, nach unten zu schauen – nicht, solange sie mit einem Dolch in der Hand rannte. Sie sah schon, wie sie stolperte und sich in die Nase stach. Das wäre eine tolle Heldentat.

Sie entriss einer Schaufensterpuppe mit Rüstung im dritten Stock einen Schild und fuhr weiter nach oben. Sie stellte sich vor, dass Trainer Hedge sie anschrie, wie im Sportunterricht an der Wüstenschule: Bewegung, McLean! Nennst du das etwa Rolltreppensteigen?

Keuchend kam sie im obersten Stock an, aber sie war zu spät: Medea hatte den Tresen mit den Elixieren bereits erreicht.

Die Zauberin packte eine schwanenförmige Phiole – die blaue, die schmerzhaften Tod verursachte – und Piper tat das Einzige, was ihr einfiel – sie schleuderte den Schild.

Medea drehte sich gerade im richtigen Moment triumphierend zu ihr, um von einer fünfzig Pfund schweren metallischen Frisbeescheibe an der Brust getroffen zu werden. Sie taumelte rückwärts, fiel auf den Tresen mit den Elixieren, zerbrach Phiolen und riss Regale um. Als die Zauberin sich aus den Trümmern erhob, war ihr Kleid mit einem Dutzend verschiedenfarbiger Flüssigkeiten bekleckert. Viele der Flecken schwelten und glühten.

»Idiotin!« heulte Medea. »Hast du überhaupt eine Ahnung, was so viele Elixiere anrichten können, wenn man sie mischt?«

»Sie umbringen?«, fragte Piper hoffnungsvoll.

Der Teppichboden um Medeas Füße begann zu dampfen. Medea hustete und ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz – oder täuschte sie das nur vor?

Unten rief Leo: »Jason, Hilfe!«

Piper warf einen raschen Blick übers Geländer und hätte vor Verzweiflung fast aufgeschluchzt. Einer der Drachen presste Leo zu Boden und bleckte die Hauzähne, bereit zum Zuschnappen. Jason war auf der anderen Seite des Raumes, er kämpfte gegen den anderen Drachen und war viel zu weit weg, um Leo zu helfen.

»Du hast uns alle dem Untergang geweiht!«, kreischte Medea. Rauch wälzte sich über den Teppichboden, als der Farbfleck sich ausbreitete, er ließ Funken aufstieben und zündete Kleiderständer an. »Euch bleiben nur noch Sekunden, ehe diese Mischung alles verzehrt und das Gebäude zerstört. Wir haben keine Zeit …«

KRACH! Die bunte Glasdecke zersplitterte zu einem Regen aus knallbunten Scherben und Festus der Bronzedrache ließ sich ins Warenhaus fallen.

Er warf sich in den Kampf und schnappte sich mit jeder Pranke einen Sonnendrachen. Erst jetzt sah Piper so richtig, wie groß und stark ihr metallischer Freund war.

»Ja, guter Junge!«, rief Leo.

Festus stieg auf halbe Höhe des Innenhofs, dann schleuderte er die Sonnendrachen in die Gruben, aus denen sie gekommen waren. Leo rannte zum Brunnen und drückte auf die Marmorplatte, wodurch er die Sonnenuhren schloss. Die Marmorfliesen bebten, als die Drachen sich dagegen warfen, aber für den Moment saßen die Untiere fest.

Medea fluchte in irgendeiner antiken Sprache. Der gesamte vierte Stock brannte. Giftige Gase füllten die Luft. Sogar mit offenem Dach spürte Piper, wie es immer heißer wurde. Sie wich zum Geländer zurück und hielt dabei den Dolch die ganze Zeit auf Medea gerichtet.

»Ich will nicht noch einmal verlassen werden!« Die Zauberin kniete nieder und schnappte sich die rote Heilmixtur, die irgendwie den Absturz überlebt hatte. »Willst du, dass dein Freund seine Erinnerung zurückerlangt? Dann nehmt mich mit!«

Piper schaute sich um. Leo und Jason saßen auf Festus’ Rücken. Der Bronzedrache schlug mit seinen mächtigen Flügeln, schnappte sich die beiden Käfige mit dem Satyrn und den Sturmgeistern und begann den Aufstieg.

Das Gebäude dröhnte. Feuer und Rauch züngelten an den Wänden hoch, ließen die Geländer schmelzen und verwandelten die Luft in Säure. »Ohne mich könnt ihr euren Einsatz niemals überleben!«, jammerte Medea. »Dein kleiner Held wird für immer unwissend bleiben und dein Vater wird sterben. Nehmt mich mit!«

Für einen Herzschlag fühlte Piper sich versucht. Dann sah sie Medeas verschlagenes Lächeln. Die Zauberin war von ihrer Überredungskunst überzeugt, überzeugt davon, dass sie immer einen Handel abschließen könnte, immer entkommen und am Ende den Sieg davontragen würde.

»Heute nicht, Hexe.« Piper sprang von der Galerie. Sie fiel nur für eine Sekunde, dann hatten Leo und Jason sie aufgefangen und zogen sie auf den Drachen.

Sie hörten Medea vor Wut kreischen, als sie durch das zerstörte Dach und über die Innenstadt von Chicago jagten. Dann explodierte das Warenhaus hinter ihnen.

XXIX

Leo

Leo sah sich immer wieder um. Fast rechnete er damit, diese scheußlichen Sonnendrachen vor einem Wagen mit einer kreischenden, magischen und mit Elixieren um sich werfenden Verkäuferin zu sehen, aber sie wurden nicht verfolgt.

Er lenkte den Drachen nach Südwesten. Langsam verschwand der Rauch des brennenden Warenhauses in der Ferne, aber Leo entspannte sich erst, als die Vororte Chicagos verschneiten Feldern wichen und die Sonne langsam unterging.

»Gut gemacht, Festus.« Er streichelte die Metallhaut des Drachen. »Das war fantastisch.«

Der Drache zitterte. In seinem Hals klickte und knallte die Gangschaltung.

Leo runzelte die Stirn. Diese Geräusche gefielen ihm gar nicht. Wenn die Festplatte wieder versagte … Hoffentlich war es ein kleinerer Defekt. Etwas, das er reparieren konnte.

»Ich gebe dir bei der nächsten Landung eine Wartung aus«, versprach Leo. »Du hast dir etwas Motoröl und Tabascosoße ehrlich verdient.«

Festus ließ seine Zähne wirbeln, aber auch das hörte sich geschwächt an. Er behielt ein stetiges Tempo bei und hatte seine riesigen Flügel schräg gestellt, um den Wind zu nutzen, aber er trug eine schwere Last. Zwei Käfige in seinen Krallen und drei Menschen auf dem Rücken – je mehr Leo darüber nachdachte, umso mehr Sorgen machte er sich. Selbst Metalldrachen hatten schließlich Grenzen.

»Leo.« Piper berührte seine Schulter. »Alles in Ordnung bei dir?«

»Ja … gar nicht schlecht für einen Zombie nach der Gehirnwäsche.« Er hoffte, dass er nicht so verlegen aussah, wie er sich fühlte. »Danke, dass du uns vorhin gerettet hast, Schönheitskönigin. Wenn du mich nicht aus diesem Zauber rausgeredet hättest …«

»Da mach dir mal keine Gedanken«, sagte Piper.

Aber Leo machte sich sehr viele Gedanken. Er fand es schrecklich, wie leicht Medea ihn gegen seinen besten Freund aufstacheln konnte. Und diese Gefühle waren nicht aus dem Nirgendwo gekommen – sie speisten sich aus seinem Ärger darüber, dass Jason immer im Mittelpunkt stand und ihn eigentlich gar nicht zu brauchen schien. Manchmal empfand Leo das wirklich so, auch wenn er nicht stolz darauf war.