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Leo schüttelte den Kopf. »Nach all den Fallen draußen? Keine gute Idee.«

Jasons Haut prickelte. Er hasste das Leben als Halbgott. Als er sich umschaute, sah er kein gemütliches Zimmer zum Abhängen, sondern stellte sich tückische Sturmgeister vor, die hinter den Vorhängen auf der Lauer lagen, Drachen unter dem Teppich, einen Kronleuchter aus tödlichen Eissplittern, bereit, sie zu durchbohren.

»Leo hat Recht«, sagte er. »Wir trennen uns nicht noch mal – nicht wie in Detroit.«

»Danke, dass du mich an die Zyklopen erinnerst.« Pipers Stimme bebte. »Genau das habe ich gerade gebraucht.«

»Es wird erst in ein paar Stunden wieder hell«, schätzte Jason. »Zu kalt, um draußen zu warten. Holen wir doch die Käfige rein und schlagen unser Lager in diesem Saal auf. Wir warten auf Tageslicht und dann entscheiden wir, was wir machen.«

Niemand hatte einen besseren Vorschlag, deshalb schoben sie die Käfige mit Trainer Hedge und den Sturmgeistern herein und ließen sich häuslich nieder. Zum Glück fand Leo keine giftigen Wurfkissen oder Elektroschock-Polster auf den Sofas.

Leo schien nicht in der Stimmung zu sein, um wieder Tacos zu machen. Außerdem hatten sie kein Feuer, deshalb gaben sie sich mit einem kalten Imbiss zufrieden.

Beim Essen betrachtete Jason die Metallstatuen an den Wänden. Sie sahen aus wie griechische Götter oder Helden. Vielleicht war das ein gutes Zeichen. Aber vielleicht wurden sie auch als Zielscheiben benutzt. Auf dem Kaffeetisch gab es ein Teeservice und einen Stapel Hochglanzbroschüren, aber Jason konnte kein Wort entziffern. Der Sessel auf der anderen Seite des Tisches sah aus wie ein Thron. Sie versuchten nicht, sich hineinzusetzen.

Die Vogelbauer machten den Saal auch nicht gemütlicher. Die Venti wirbelten in ihrem Gefängnis herum, zischten und fauchten und Jason hatte das unangenehme Gefühl, dass sie ihn beobachteten. Er konnte spüren, wie sehr sie die Kinder des Zeus hassten – der Herr des Himmels hatte Aeolus schließlich befohlen, sie alle einzusperren. Die Venti hatten keinen dringlicheren Wunsch, als Jason in Stücke zu reißen.

Trainer Hedge dagegen war weiterhin mitten im Ruf und mit erhobener Keule erstarrt. Leo machte sich am Käfig zu schaffen, er versuchte mit allerlei Werkzeug, ihn zu öffnen, aber das Schloss schien ihm ziemliche Probleme zu machen. Jason beschloss, Abstand zu halten, für den Fall, dass Hedge plötzlich auftaute und sich in eine Ninja-Ziege verwandelte.

Obwohl er so aufgedreht war, begann Jason einzunicken, sowie sein Magen gefüllt war. Die Sofas waren ein wenig zu behaglich – viel besser als ein Drachenrücken – und er hatte die letzten beiden Wachen übernommen, während seine Freunde geschlafen hatten. Er war vollkommen erschöpft.

Piper hatte sich auf dem anderen Sofa ebenfalls schon zusammengerollt. Jason fragte sich, ob sie wirklich schlief oder nur weitere Fragen nach ihrem Dad vermeiden wollte. Was immer Medea in Chicago damit gemeint haben mochte, dass Piper ihren Dad zurückbekommen würde, wenn sie gehorchte – es hatte nicht gut geklungen. Wenn Piper ihren Dad in Gefahr gebracht hätte, um sie zu retten, dann würde Jason sich noch viel schuldiger fühlen.

Und ihnen lief die Zeit davon. Wenn Jason den Kalender richtig im Kopf hatte, dann war es der frühe Morgen des 20. Dezember. Was bedeutete, dass die Wintersonnenwende nur noch einen Tag entfernt war.

»Schlaf eine Runde«, sagte Leo, der noch immer an dem verschlossenen Käfig herumprobierte. »Du bist an der Reihe.«

Jason holte tief Luft. »Leo, es tut mir leid, was ich da in Chicago geredet habe. Das war nicht wirklich ich. Du nervst gar nicht und du nimmst sehr wohl Dinge ernst – vor allem deine Arbeit. Ich wünschte, ich hätte auch nur die Hälfte deiner Fähigkeiten.«

Leo ließ seinen Schraubenzieher sinken. Er sah zur Decke hoch und schüttelte den Kopf, als wolle er sagen, was soll ich bloß mit diesem Typen machen?

»Ich gebe mir alle Mühe zu nerven«, sagte Leo. »Beleidige ja nicht meine Fähigkeit zu nerven. Und wie soll ich sauer auf dich sein, wenn du dich dauernd entschuldigst? Ich bin ein schnöder Mechaniker. Du bist sozusagen der Prinz des Himmels, der Sohn vom Herrn des Universums. Natürlich muss ich da sauer auf dich sein.«

»Herr des Universums?«

»Klar, du bist doch – peng! Der Blitzmann. Schaut mal, wie schön ich fliegen kann. Ich bin ein Adler!«

»Halt die Klappe, Valdez.«

Leo brachte ein kleines Lächeln zu Stande. »Siehst du. Ich nerve dich eben doch.«

»Entschuldige, dass ich mich entschuldigt habe.«

»Na also.« Leo ging wieder an die Arbeit, aber die Spannung zwischen ihnen war verschwunden. Leo sah noch immer traurig und erschöpft aus – aber nicht mehr ganz so wütend.

»Schlaf jetzt, Jason«, befahl er. »Es wird ein paar Stunden dauern, diesen Ziegenmann zu befreien. Und dann muss ich noch herausfinden, wie ich für die Winde einen kleineren Käfig bauen kann, denn ich werde dieses Vogelbauer nicht nach Kalifornien schleppen.«

»Du hast Festus immerhin repariert, weißt du«, sagte Jason. »Du hast ihm ein neues Ziel gegeben. Ich glaube, dieser Einsatz war der Höhepunkt seines Lebens.«

Jason hatte schon Angst, alles ruiniert und Leo wieder wütend gemacht zu haben, aber Leo seufzte nur.

»Wollen wir’s hoffen«, sagte er. »Und jetzt schlaf, Mann. Ich brauch einen Moment ohne euch organische Lebensformen.«

Jason wusste nicht so ganz, was das heißen sollte, aber er widersprach nicht. Er schloss die Augen zu einem langen, segensreich traumlosen Schlaf.

Er wachte erst auf, als das Geschrei losging.

»AAARGGGHHHH!«

Jason sprang auf die Füße. Er wusste nicht, was schlimmer war – das grelle Sonnenlicht, das jetzt den Saal durchflutete, oder der kreischende Satyr.

»Der Trainer ist aufgewacht«, sagte Leo unnötigerweise. Gleeson Hedge sprang auf seinen pelzigen Beinen herum, schwenkte seine Keule und schrie »Stirb!«, als er das Teerservice zerschlug, die Sofas ramponierte und zum Angriff auf den Thron überging.

»Trainer Hedge!«, rief Jason.

Hedge fuhr keuchend herum. Seine Augen waren so wild, dass Jason einen Angriff fürchtete. Der Satyr trug noch sein oranges Polohemd und die Trillerpfeife, aber seine Hörner waren durch die Locken deutlich zu sehen und sein Stiernacken gehörte einwandfrei einer Ziege. Ob Stiernacken bei einer Ziege das richtige Wort war? Jason verdrängte den Gedanken.

»Du bist der Neue«, sagte Hedge und ließ seine Keule sinken. »Jason.« Er schaute Leo an, dann Piper, die offenbar ebenfalls gerade erst erwacht war. Ihre Haare sahen aus, als hätte ein freundlicher Hamster darin ein Nest gebaut.

»Valdez, McLean«, sagte der Trainer. »Was ist hier los? Wir waren gerade noch im Grand Canyon. Die Anemoi thuellai griffen an und …« Er drehte sich zu dem Käfig der Sturmgeister um und seine Augen kehrten zurück in den Angriffsmodus: »Sterbt!«

»He, Trainer Hedge!« Leo vertrat ihm den Weg, was ganz schön mutig war, auch wenn Hedge fast zwanzig Zentimeter kleiner war. »Ist schon gut. Sie sind eingeschlossen. Wir haben Sie eben aus dem anderen Käfig geholt.«

»Käfig? Käfig? Was ist hier los? Ich bin zwar ein Satyr, aber das heißt noch lange nicht, dass ich dich keine Liegestütze machen lassen kann, Valdez!«

Jason räusperte sich. »Trainer – Gleeson – äh, wie immer wir Sie nennen sollen. Im Grand Canyon haben Sie uns gerettet. Sie waren ungeheuer tapfer.«

»Natürlich war ich das.«

»Dann kam das Bergungskommando und holte uns ins Camp Half-Blood. Wir dachten schon, wir hätten Sie verloren. Dann erfuhren wir, dass die Sturmgeiser Sie mitgenommen hatten, zu ihrer, äh, Kommandantin, Medea.«

»Diese Hexe! Aber Moment, das ist unmöglich. Sie ist sterblich. Sie ist tot.«

»Na ja«, sagte Leo. »Irgendwie ist sie doch nicht mehr tot.«

Hedge nickte und kniff die Augen zusammen. »So. Und dann seid ihr auf eine gefährliche Mission gesandt worden, um mich zu retten. Hervorragend.«