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»O je«, sagte Crystal, »die ist nicht da. Sie ist übers Wochenende weggefahren. Sie kommt erst Montag zurück.«

Wohin sie gefahren war, wußten sie nicht.

Ich hatte eine kleine Liste von Leuten zusammengestellt, die ich sprechen wollte. Mervyn, der mir ihre Adressen heraussuchte, wußte, daß Isobel Bethune noch bei ihrer Schwester in Wales war, und da sie mir am Telefon sagte, sie würde mich gern sehen, fuhr ich am Nachmittag nach Cardiff und fand Paul Bethunes verjüngte Frau in einem hübschen Reihenhaus in der Vorstadt.

Ich hatte sie noch nie glücklich erlebt. Auch sie war eine andere geworden: statt der grauen Sorgenfalten glatte, samtene Pfirsichhaut.

Aber sie war es, die ausrief: »Haben Sie sich verändert! Sie sind älter geworden.«

»Wie das so geht.«

Ihre Schwester war einkaufen gefahren. Ich setzte mich zu Isobel und ließ mir von ihr erzählen, wie Usher Rudd den Seitensprung ihres Mannes entdeckt hatte.

»Usher Rudd hat zwar gewühlt und die Sache Gott weiß wie hochgespielt, aber Paul war doch selber schuld. Männer sind ja solche Rindviecher. Unter Rotz und Tränen hat er mir nachher gebeichtet, er habe sich beim Golfspielen vor einem Unbekannten damit gebrüstet - damit gebrüstet! -, daß er fremdgeht und seine Frau nichts davon ahnt. Kicher, kicher. Ist das zu glauben? Und dann entpuppte sich dieser Unbekannte als der komische Vogel, der immer um die Nagles herumgeisterte. Der mit Dennis Golf spielte.«

»Wyvern heißt er.«

»Ja, das weiß ich inzwischen. Als Dennis starb, wollte dieser Wyvern dafür sorgen, daß Orinda das Mandat bekommt, deshalb hat er sich übers Golfspiel an Paul herangemacht, um zu sehen, wo er verwundbar war ... Ich haßte Usher Rudd, aber erst nach dem Wahlsieg Ihres Vaters ist Paul zusammengeklappt und hat mir erzählt, wie das alles gelaufen ist.« Sie seufzte. »Damals war ich fix und fertig, aber jetzt läßt es mich kalt, ist das nicht seltsam?«

»Wie geht’s Ihren Söhnen?«

Sie lachte. »Die sind zur Armee gegangen. Da sind sie auch am besten aufgehoben. Manchmal schicken sie eine Ansichtskarte. Sie sind der einzige, der damals gut zu mir gewesen ist.«

Ich verabschiedete mich mit einem Kuß auf die Pfirsichwange von ihr und fuhr müde nach Hoopwestern zurück, zu Pollys Haus in den Wäldern, wo ich vorgegarte Krabben aus der Tiefkühltruhe aß und übernachtete.

Am Samstag morgen fuhr ich zur Polizei und fragte nach Kriminalkommissar Joe Duke, dessen Mutter den Schulbus fuhr.

Joe Duke erschien mit fragender Miene.

»George Juliards Sohn? Sie sehen älter aus.«

Joe Duke war noch Kriminalkommissar, aber seine Mutter fuhr nicht mehr den Schulbus. »Sie züchtet jetzt Kaninchen«, sagte er. Er führte mich in einen kahlen kleinen Vernehmungsraum mit der Erklärung, er sei der leitende Beamte vom Dienst und könne die Wache nicht verlassen.

Nachdenklich wiederholte er meine Frage: »Ob sich bei dem Feuer, in dem Sie hätten umkommen können, der Verdacht auf Brandstiftung bestätigt hat? Das ist fünf Jahre her.«

»Sogar länger. Aber Sie haben doch sicher Akten«, sagte ich.

»Dazu brauche ich keine Akten. Die meisten nächtlichen Brände gehen auf Zigaretten oder Kurzschlüsse zurück, aber Sie haben ja nicht geraucht, und die Leitungen dort waren neu verlegt. Bleibt das hier unter uns?«

»Unbedingt.«

Joe, ein engagierter Polizist in den Dreißigern, hatte ein großflächiges Gesicht, sprach mit Dorseter Akzent und wußte menschliche Schwächen realistisch einzuschätzen. »Amy hat manchmal Landstreicher in dem Raum überm Trödelladen schlafen lassen, nach ihrer Aussage aber nicht in der betreffenden Nacht, obwohl das die amtliche und auch naheliegende Theorie von der Brandursache ist. Ein Obdachloser soll im Parterre Kerzen angezündet, sie umgeschmissen haben und davongelaufen sein. Blödsinn eigentlich. Der Brand ging aber nach Ansicht der Feuerwehr von dem Trödelladen aus, und da

war die Hintertür nicht verriegelt, und beide Läden hatten damals Wände und Trennwände aus trockenem altem Holz, nicht wie jetzt, wo alles aus Stein und Beton ist und vor Rauchmeldern strotzt. Jedenfalls nehme ich an, Sie kennen auch die Theorie, wonach der überdrehte Leonard Kitchens das Feuer gelegt hat, um Ihren Vater zu vertreiben und Orinda Nagle den Weg ins Parlament zu ebnen.«

»Habe ich gehört. Was halten Sie davon?«

»Kommt ja jetzt nicht mehr drauf an, oder?«

»Trotzdem .«

»Ich glaube, er war’s. Ich habe ihn selbst befragt. Wir hatten bloß nicht die Spur eines Beweises.«

»Und das Gewehr in der Dachrinne vom Schlafenden Drachen?«

»Keiner weiß, wer es dahin getan hat.«

»Leonard Kitchens?«

»Er schwört, daß er es nicht war. Und er ist schwer und ungelenk. Man muß ziemlich wendig sein, um ein Gewehr da raufzukriegen.«

»Konnten Sie feststellen, woher die Waffe kam?«

»Nein«, sagte er. »Die gibt’s überall. Ein seit ewigen Zeiten beliebtes Sportgewehr. Heute braucht man dafür einen Waffenschein und hält sie unter Verschluß, aber früher ... und wenn sie gestohlen war ...« Er zuckte die Achseln. »Es ist ja nicht so, daß damit jemand getötet wurde.«

»Wie wird Mordversuch bestraft?« fragte ich.

»Sie meinen, ein vorsätzlicher Versuch, der fehlgeschlagen ist?«

»Mhm.«

»Genau wie Mord.«

»Zehn Pfund Aufgewicht?«

»Zehn Jahre.«

Von der Polizei aus fuhr ich zur Ringstraße und hielt auf dem Hof von Basil Rudds Reparaturwerkstatt. Ich ging die Treppe hinauf zu seinem verglasten Büro, von dem aus er die ganze geräumige Werkstatt überblickte, in der an diesem Sonntagmorgen jedoch wenig los war.

»Tut mir leid«, sagte er, ohne aufzuschauen. »Samstags schließen wir um zwölf. Ich kann Ihnen erst wieder am Montag helfen.«

Er war seinem Cousin immer noch unangenehm ähnlich: rothaarig, sommersprossig, streitlustig.

»Sie sollen nicht mein Auto reparieren«, sagte ich. »Ich suche Usher Rudd.«

Es war, als hätte ich ihn mit einer Nadel gepiekst. Er blickte auf und sagte: »Wer sind Sie? Was wollen Sie von ihm?«

Ich sagte ihm, wer und was. Ich fragte ihn, ob er sich an den Range Rover mit der fehlenden Ablaßschraube entsinne, doch seine Erinnerung daran war dunkel. Ganz gegenwärtig aber war ihm, wie sehr die Schande eines Sohnes dessen Vater politisch schaden konnte. Er hatte die Shout!, unweigerlich in der Mitte aufgeschlagen, auf seinem Schreibtisch.

»Das bin ich«, sagte ich und wies auf das Foto des Rennreiters. »Ihr Cousin lügt. Die Gazette hat ihn wegen Verlogenheit gefeuert, und wenn ich kann, will ich dafür sorgen, daß er wegen unehrenhaften Verhaltens endgültig den Beruf wechseln muß - daß ihn der Presseverband ausschließt oder wie immer das im Zeitungsjargon heißt. Wo ist er also?«

Basil Rudd sah mich hilflos an. »Wie soll ich das wissen?«

»Suchen Sie ihn«, sagte ich mit Nachdruck. »Sie sind ein Rudd. Irgend jemand vom Rudd-Clan wird wissen, wo sein berüchtigtster Vertreter zu finden ist.«

»Er hat uns nichts als Ärger eingebrockt .«

»Suchen Sie ihn«, sagte ich, »und Ihr Ärger hat vielleicht ein Ende.«

Er griff zum Telefon und meinte: »Das kann aber dauern. Und es kostet Sie Geld.«

»Ich erstatte Ihnen die Telefonkosten«, sagte ich. »Wenn Sie ihn finden, hinterlassen Sie bitte eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter im Wahlkampfbüro meines Vaters. Hier ist die Nummer.« Ich gab ihm eine Karte. »Verlieren Sie keine Zeit. Es eilt.«

Als nächstes fuhr ich zum Schlafenden Drachen, um mit dem Direktor zu sprechen. Zum Zeitpunkt der Nachwahl hatte er das Hotel eben erst übernommen, aber vielleicht erinnerte er sich gerade deshalb noch gut des Abends, an dem auf dem Marktplatz ein Schuß gefallen war. Es ehre ihn sehr, sagte er, daß mein Vater ihm angeboten habe, einander beim Vornamen zu nennen.