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»Ruf du den Himmel an, wir auf Erden haben für dich keine Zeit!« war die Antwort des wilden Normann. »Hollah, Anselm! Sorge dafür, daß es nicht an Pech und siedendem Öl fehlt, wir wollen den frechen Verrätern weidlich die Schädel salben. Sorge auch dafür, daß die Armbrustschützen Bolzen genug haben. Laß mein Banner mit dem Stierkopf wehen, die Schurken sollen bald inne werden, mit wem sie es zu tun haben.«

»Aber, edler Herr,« rief wieder der Mönch dazwischen, bemüht, sich Gehör zu verschaffen, »bedenkt, daß ich ein Gelübde des Gehorsams getan habe und laßt mich den Auftrag meines Herrn ausrichten.«

»Weg mit diesem faselnden Dummkopf!« rief Reginald. »Sperrt ihn in die Kapelle, dort mag er seine Rosenkränze herunterplappern, bis der Krakehl vorüber ist. Die Heiligen von Torquilstone werden sich wundern, wenn sie wiedermal ein paar Aves und Paternosters zu hören kriegen: die Ehre ist ihnen, glaube ich, nicht mehr wiederfahren, seit sie in Stein gehauen worden sind.«

»Lästert die Heiligen nicht!« rief de Bracy. »Bis wir die Schurken zersprengt haben, werden wir heute ihre Hilfe brauchen.«

»Ich halte nicht viel von ihrer Hilfe,« antwortete Front-de-Boeuf. »Höchstens müßten wir sie von den Zinnen herab den Belagerern auf die Köpfe werfen, da ist zum Beispiel ein riesiger St. Christoph, mit dem könnten wir allein eine ganze Kompagnie zermalmen.«

Inzwischen hatte der Templer mit mehr Besonnenheit als der rohe Front-de-Boeuf und sein leichtfertiger Gefährte den Veranstaltungen der Belagerer zugeschaut. »Bei der Treue meines Ordens!« rief er. »Diese Kerle gehen mit einer Planmäßigkeit und Kriegskenntnis vor, daß man gar nicht begreifen kann, wie sie nur dazu kommen. Seht nur, wie gewandt sie jede Deckung ausnutzen, die ihnen Bäume oder Sträucher bieten. Die Bolzen unserer Armbrüste erreichen sie nicht. Ein Banner oder Wappenschild kann ich nicht entdecken, und doch möchte ich meine goldene Kette dransetzen, daß sie ein edler Ritter oder ein kriegskundiger Edelmann anführt.«

»Ich hab's!« rief de Bracy. »Dort weht der Helmbusch eines Ritters, und eine Rüstung blinkt. Seht Ihr den Riesen im schwarzen Panzer? Er führt den vordersten Trupp der schurkischen Yeomen an. Beim heiligen Dionys! Ich glaube gar, das ist derselbe, den wir den schwarzen Faulpelz nannten und der Euch, Front-de-Boeuf, in den Schranken zu Ashby aus dem Sattel geworfen hat.«

»Um so besser für mich!« sagte Reginald. »Da kann er mir hier gleich Revanche geben. Ein schofler Kerl muß es sein, daß er sich nicht zu dem Preise bekannte, den ihn der Zufall erbeuten ließ. Wo Ritter und Edle ihre Feinde suchen, da hätte ich ihn gewiß nimmermehr gefunden, so bin ich nur froh, daß er sich jetzt unter diesen gemeinen Yeomen zeigt.«

Die Bewegungen des Feindes wurden jetzt so drohend, daß jedes weitere Gespräch unmöglich wurde. Jeder Ritter ging an seinen Posten und stellte sich an die Spitze seiner paar Männlein. Die geringe Anzahl reichte nicht aus, die Mauern in ihrer ganzen Ausdehnung zu besetzen, dennoch erwarteten sie mit ruhiger Entschlossenheit den Sturmangriff.

Fünfundzwanzigstes Kapitel

An dieser Stelle muß unsere Erzählung wieder zurückgreifen, um den Leser nachträglich über einen andern Teil der Ereignisse zu unterrichten. Als Ivanhoe zu Boden sank und von aller Welt verlassen schien, hatte Rebekka ihren Vater durch Bitten dazu bewogen, daß er den jungen tapfern Krieger aus den Schranken tragen und in das Haus bringen ließ, das sie zurzeit in der Vorstadt von Ashby bewohnten.

»Es tut auch mir so weh,« hatte Isaak gesagt, »sein junges Blut auf die Erde fließen zu sehen, als wenn mir goldene Byzantiner aus dem Beutel fielen. Du bist bewandert in der Heilkunst und kennst die Kräuter und ihre Kraft und weißt Elixiere zu brauen. Tu denn, was dich dein Herz heißt. Du bist ein gutes Mädchen, ein Segen, eine Krone, ein Freudengesang für mich und das Volk meiner Väter.« Bei ihrer barmherzigen Handlung war aber Rebekka den Blicken des Brian de Bois-Guilbert ausgesetzt, der zweimal an ihr vorüberritt und das kühne feurige Auge auf die schöne Jüdin richtete. Welche Folgen diese Bewunderung ihrer Reize hatte, wissen wir bereits. Rebekka brachte indessen den Verwundeten ohne Säumen nach ihrer derzeitigen Wohnung. Sie untersuchte selbst seine Wunden und legte den Verband an. Die schöne Rebekka war in allen Wissenschaften ihres Volkes unterrichtet, die ihr fähiger und energischer Geist annahm, sichtete und ausbaute. Ihre Kenntnisse in der Medizin und Wundheilkunst verdankte sie der Tochter eines der berühmtesten jüdischen Ärzte, einer schon alten Jüdin, die Rebekka wie ihre Tochter liebte. Diese Jüdin war als ein Opfer des damals noch verbreiteten Fanatismus gefallen, aber ihre Geheimnisse hatte sie durch ihre talentvolle Schülerin gerettet. Rebekka, die sich ebensosehr durch Wissenschaft wie durch Schönheit auszeichnete, genoß allgemeine Achtung und Liebe bei ihrem Volke. Man erblickte in ihr eine jener hochbegabten Frauen, von denen die heilige Schrift erzählt. Ihr Vater selber ließ dem Mädchen in seiner grenzenlosen Verehrung ihrer Gaben und seiner Liebe zu ihr mehr Freiheit, als ihrem Geschlecht sonst gewährt wird. Er gab auch soviel auf ihre Meinung, daß er sich in den meisten Fällen nach ihrem Urteil richtete.

Als Ivanhoe in Isaaks Wohnung anlangte, war er noch immer im Zustand der Bewußtlosigkeit, aber Rebekka wußte die geeigneten Heilmittel anzuwenden und versicherte ihrem Vater, daß kein Fieber eintreten werde und daß, wenn der Balsam ihrer Lehrmeisterin noch seine alte Kraft habe, für das Leben ihres Gastes nichts zu fürchten sei. Schon am folgenden Tage könne er nach York geschafft werden. Es war schon spät abends, als Wilfried von Ivanhoe die Besinnung wieder erlangte. Er erwachte aus einem unruhigen Schlummer mit den unklaren, verwirrten Empfindungen, die ein solcher Zustand gewöhnlich im Gefolge hat. Eine Zeitlang war ihm die Erinnerung an all das, was seiner Ohnmacht in den Schranken vorangegangen war, völlig entfallen. Ebensowenig vermochte er sich die Vorfälle des letzten Tages zu vergegenwärtigen. Die Empfindung, daß er verwundet sei und Schmerzen hätte, mischte sich mit dem Gefühl der Schwäche und Erschöpfung und mit der wirren Erinnerung an ausgeteilte und erhaltene Lanzenstöße, an Streitrosse, die gegeneinander prallten, an Sieger und Besiegte, Waffengeklirr, Trompetenschmettern und all das Getöse eines wütenden Kampfes. Er versuchte die Vorhänge seines Bettes zurückzuschlagen, und es gelang ihm, obgleich ihn seine Wunden heftig schmerzten. Zu seiner größten Verwunderung sah er sich in einem reich ausgestatteten Zimmer, dessen Einrichtung orientalisch war, so daß ihm zumute war, als sei er während seines Schlafes nach Palästina versetzt worden. Und in dieser Einbildung fühlte er sich noch bestärkt, als sich eine Tapetentür öffnete und eine weibliche Gestalt in einem prächtigen morgenländischen Gewande hereintrat, der ein schwarzer Diener folgte.

Der verwundete Ritter wollte die schöne Erscheinung anreden, aber sie gebot ihm Schweigen, indem sie ihre zierlichen Finger auf ihre purpurroten Lippen legte, der Diener trat an ihn heran und deckte seine Seite auf, worauf die schöne Jüdin sich selber davon überzeugte, daß der Verband richtig liege und die Wunde in gutem Zustande sei. Sie tat dies mit anmutiger Würde und züchtiger Einfalt und gab dem alten Diener in hebräischer Sprache einige Anweisungen und dieser, der schon in vielen Fällen ihr Gehilfe gewesen war, kam ihren Weisungen rasch und schweigend nach. Ivanhoe tat keine Fragen, sondern ließ alles ruhig mit sich geschehen, und erst als der zärtliche Arzt seines Amtes gewaltet hatte, vermochte er nicht länger seine Neugierde zu unterdrücken.

»Holde Maid,« begann er in arabischer Sprache, die er im Morgenlande erlernt hatte. »Ich bitte dich, holde Maid, deine Güte –« Aber die schöne Ärztin unterbrach ihn und auf dem Antlitz, dessen gewöhnlicher Ausdruck sanfte Schwermut war, zeigte sich ein Lächeln. »Ich bin aus England, Herr Ritter, und spreche Englisch, wenn auch meine Kleidung und mein Volk aus fremdem Lande sind.«