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»Holdes Edelfräulein,« begann der Ritter von Ivanhoe abermals, aber wieder unterbrach ihn Rebekka rasch. »Nennt mich nicht edel, Herr Ritter. Es ist erforderlich, daß Ihr sogleich erfahrt, wer Eure Pflegerin ist. Es ist eine Jüdin, die Tochter des armen Isaaks von York, den Ihr vor kurzem so gütig und milde behandelt habt. Ihm und den Seinen kommt es wohl zu, Euch Hilfe zu leisten in Euerm jetzigen Zustande.«

Wer weiß, ob die schöne Rowena die Gedanken gebilligt hätte, mit denen bisher der ihr ergebene Ritter die edle Gestalt, das schöne Angesicht und die strahlenden Augen der reizenden Rebekka angeschaut hatte. Lange seidene Wimpern beschatteten den Glanz dieser Prachtgestirne. Aber Ivanhoe war ein zu guter Katholik, um diese Gefühle auch noch zu hegen, nachdem er erfahren hatte, daß sie eine Jüdin war. Das hatte Rebekka von vornherein gewußt, und darum hatte sie sich so beeilt, ihm Namen und Abstammung ihres Vaters zu nennen.

Die weise und schöne Tochter Isaaks war nicht völlig frei von weiblicher Schwäche. Im Innern seufzte sie leise, als sich der Blick ehrfürchtiger Bewunderung und stiller Zärtlichkeit, mit dem Ivanhoe seine unbekannte Wohltäterin betrachtet hatte, plötzlich in Kälte, Zurückhaltung und abgemessene Förmlichkeit verwandelte, die keine stärkere Gefühlsäußerung verrieten, als den spärlichen Dank, mit dem Dienste gelohnt werden, die jemand von einer Person niedrigeren Standes unerwarteterweise empfangen hat. Wohl hatte auch in seinem vorigen Benehmen Ivanhoe kein anderes Gefühl ausgedrückt als die übliche Huldigung, die die Jugend der Schönheit darbringt, aber es war doch kränkend für die arme Rebekka, daß sie ein einziges Wort wie mit einem Zauberschlage in eine entwürdigte Klasse versetzte, der man, ohne seine eigene Ehre zu schädigen, nicht die gleichen Ehren erzeigen durfte. Aber Rebekka rechnete es in ihrer Edelmütigkeit Ivanhoe nicht zum Mangel an, daß er die Vorurteile seiner Zeit und seiner Religion teilte. Obgleich es sie tief schmerzte, daß er sie nun als Mitglied eines verworfenen Geschlechtes ansah, mit den man nur im Falle äußerster Not Gemeinschaft pflegen dürfe, wenn man sich nicht selber entehren wollte, fuhr sie dennoch fort, ihn mit größter Sorgsamkeit und Geduld zu pflegen. Sie teilte ihm mit, daß sie morgen nach York reisen müßten. Ihr Vater habe sich entschlossen, Ivanhoe mitzunehmen und ihn in seinem Hause zu lassen, bis er völlig genesen sei. Damit war Ivanhoe gar nicht einverstanden, indem er vorgab, er wolle seinen Wohltätern nicht länger zur Last fallen.

»Wohnt nicht in Ashby oder in der Nähe irgend ein sächsischer Franklin, oder nur ein wohlhabender Bauer, der es auf sich nehmen könnte, einen verwundeten Ritter zu pflegen, bis er seine Rüstung zu tragen vermag? – Ist hier kein Kloster, das von Sachsen gestiftet ist, und das ihn aufnehmen könnte?«

»Freilich,« sagte Rebekka, »wäre die schlechteste Herberge ein schicklicherer Aufenthalt für Euch, als die Wohnung eines Juden. Aber wenn Ihr den Arzt nicht wechseln wollt, Herr Ritter, so müßt Ihr schon hier bleiben. Unser Volk ist, wie Ihr wohl wißt, bewandert in der Kunst, Wunden zu heilen, wenngleich wir selber nie solche schlagen, und besonders in unserer Familie sind Geheimnisse noch aus der Zeit Salomos aufbewahrt. Kein Nazarener – verzeiht mir bitte – kein christlicher Wundarzt innerhalb der vier Seen Britanniens ist imstande, Euch in einer kürzeren Zeit als vier Wochen soweit wieder zu heilen, daß Ihr Euern Panzer wieder tragen könnt.«

»Und in welcher Zeit könnt Ihr es?« fragte Ivanhoe ungeduldig.

»Wenn Ihr geduldig und fügsam seid, in acht Tagen.«

»Bei der heiligen Jungfrau!« sagte Wilfried. »Es ist jetzt nicht an der Zeit, daß ein Ritter zu Bette liegt, und wenn Ihr Euer Versprechen haltet, Mädchen, so will ich Euch bezahlen mit einem Helm voll Kronen, und sollte ich sie sonstwo hernehmen.«

»Ich werde mein Versprechen erfüllen,« erwiderte Rebekka, »aber statt des Silbers, das Ihr mir versprecht, gewährt mir eine andere Bitte.«

»Wenn es in meiner Macht liegt und wenn es etwas ist, was ein echter christlicher Ritter einem Mädchen aus Euerm Volke gewähren kann, so will ich dankbar und gern tun, was Ihr von mir fordert.«

»Nun so will ich Euch nur bitten, in Zukunft daran zu glauben, daß ein Jude einem Christen Hilfe leisten kann, ohne auf einen andern Lohn zu rechnen als den Segen des himmlischen Vaters, der Juden wie Heiden geschaffen hat.«

»Daran zu zweifeln hieße sündigen, Mädchen,« erwiderte Ivanhoe. »Ohne fernere Fragen oder Bedenken vertraue ich mich Eurer Kunst an. Ich verlasse mich darauf, daß ich in acht Tagen wieder die Rüstung anlegen kann. Jetzt aber, meine gütige Wundärztin, will ich ein wenig nach der Welt draußen fragen. Nach dem alten Cedric und seinen Angehörigen – nach der liebenswürdigen Lady –« Er stockte, als dürfe er den Namen der Lady Rowena in diesem Hause nicht nennen –: »Von ihr,« fuhr er fort, »die die Königin des Turniers war.«

»Und die Ihr, Herr Ritter, dazu ernannt habt,« setzte Rebekka hinzu, »eine Wahl, die ebenso hohe Bewunderung erregte als Eure Tapferkeit.« Soviel Blut Ivanhoe auch verloren hatte, so röteten sich doch seine Wangen, als er inne ward, daß er gerade durch seinen unbeholfenen Versuch, sein Interesse an Rowena zu verbergen, verraten hatte, wie sehr es ihn danach verlangte, von ihr zu hören. »Weniger von ihr wollte ich sprechen als vielmehr vom Prinzen Johann,« fuhr er fort, »auch hätte ich gern von meinem treuen Knappen gehört. Warum pflegt er mich nicht?«

»In meiner Eigenschaft als Wundarzt muß ich Euch Schweigen gebieten,« sagte die Jüdin; »aber ich will Euch erzählen, was Ihr zu wissen begehrt. Prinz Johann hat das Turnier plötzlich abgebrochen und ist mit seinen Edelherrn, Rittern und Geistlichen nach York geritten, nachdem er von denen, die als die Reichsten im Lande gelten, durch rechtmäßige oder gemeine Mittel soviel Geld zusammengebracht hat, als irgend anging. Wie es heißt, trachtet er nach der Krone seines Bruders.«

»Aber es wird noch mancher Pfeil fliegen, diese Krone zu verteidigen,« rief Ivanhoe, indem er sich auf seinem Lager aufrichtete, »wenigstens solange es noch einen braven Untertan in England gibt. Ich selber will für Richards Krone mit den tapfersten seiner Feinde kämpfen – ja mit zweien auf einmal!«

»Damit Ihr dazu imstande sein möget,« sagte Rebekka und legte ihm die Hand auf die Schulter, »müßt Ihr Euch jetzt, wie ich es Euch verordnet habe, ruhig verhalten.«

»Ihr habt recht, Mädchen,« stimmte Ivanhoe bei, »so ruhig, wie es bei diesen unruhigen Zeiten nur möglich ist. Doch jetzt erzählt mir von dem edeln Cedric und seinem Hause.«

»Sein Haushofmeister ist eben dagewesen, um von meinem Vater das Geld für die Wolle von Cedrics Herden zu holen. Von ihm habe ich gehört, daß Cedric und Athelstane das Haus des Prinzen in höchster Mißstimmung verlassen haben und jetzt auf dem Heimwege seien.«

»Ist auch eine Dame mit beim Bankett gewesen?«

»Lady Rowena,« antwortete die Jüdin, des Ritters Frage bestimmter beantwortend, als sie gestellt war, »hat nicht an dem Feste des Prinzen teilgenommen und befindet sich jetzt, wie der Haushofmeister gesagt hat, mit ihrem Vormunde Cedric auf dem Wege nach Rotherwood. Euer treuer Knappe Gurth –«

»Wie? Sein Name ist Euch bekannt!« rief der Ritter. »Doch freilich!« setzte er rasch hinzu, »Ihr müßt ihn ja wohl kennen, denn durch Eure Hand und, wie ich glaube, aus Euern eignen Mitteln, hat er ja gestern hundert Zechinen bekommen.«

»Schweigt davon!« versetzte Rebekka und errötete tief. »Ich sehe wohl, die Zunge verrät leicht, was das Herz geheim halten möchte.«

»Saget mir nur noch, wie es dem armen Gurth ergangen ist.«

»Es macht mir Schmerz, Herr Ritter, daß ich Euch sagen muß, er wird auf Befehl Cedrics als Gefangener behandelt. Doch,« setzte sie rascher hinzu, als sie sah, wie sehr diese Nachricht Wilfried nahe ging, »der Haushofmeister Oswald hat mir versichert, wenn Gurth nicht aufs neue den Zorn Cedrics herausfordere, so werde ihm als einem treuen Sklaven gewiß verziehen werden, zumal er ja nur aus Liebe zu Cedrics Sohne gefehlt habe. Auch hat er noch gesagt, er selber und seine Gefährten, vor allem Wamba, wären entschlossen, dem armen Gurth zur Flucht zu verhelfen, wenn Cedrics Groll gegen ihn nicht nachlassen wollte.«