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»Gebe Gott, daß sie ihr Vorhaben ausführen!« sagte Ivanhoe. »Wie es scheint, muß ich jedem Unglück bringen, der mir Liebe erzeigt. Mein König hat mich geehrt und ausgezeichnet, und die Hand seines Bruders, der ihm zu Dienst verpflichtet ist, greift nach seiner Krone. Meine Zuneigung hat der Schönsten ihres Geschlechtes Verdrießlichkeiten und Kummer verursacht, und nun straft mein Vater in seinem Jähzorn den armen Leibeigenen, weil er mir Liebe und Treue erwiesen hat. – Ihr seht, Mädchen, was für ein zum Unglück vorbestimmtes Wesen Ihr pflegt, zieht Eure Hand von mir, ehe das Mißgeschick, das wie ein Spürhund meinen Fersen folgt, auch Euch trifft.«

»Nicht doch!« sagte Rebekka. »Bei Eurer Schwäche und Euerm Herzeleid, Herr Ritter, sind Euch die Wege des Himmels nicht ersichtlich. Ihr werdet Euerm Vaterlande zu einer Zeit erhalten, da es starker Arme und treuer Herzen bedarf, und Ihr habt den Übermut Eurer Feinde und der Feinde Euers Königs zu einer Zeit gedemütigt, da er am höchsten geschwollen war. Nnd nun seht Ihr, daß Gott Euch selbst aus deren Mitte, die das Land am tiefsten verachtet, eine Hilfe und einen Arzt sendet. Seid deshalb guten Mutes und hegt den festen Glauben, daß Ihr zu etwas Hohem bestimmt seid, wie es Euer Arm für Euer Volk verrichten soll. – Lebt jetzt wohl, und wenn Ihr die Arznei eingenommen habt, die ich Euch durch Ruben senden werde, dann versuchet zu ruhen, daß Ihr ohne Schaden die Anstrengungen der Reise ertragen könnt, die wir morgen machen wollen.«

Am andern Morgen wurde Ivanhoe, der nach gesundem Schlaf und der niederschlagenden Arzenei gestärkt und von allem Fieber frei war, in die Sänfte gebracht, in der er auch aus den Schranken von Ashby getragen worden war. In einem Punkte aber, obgleich sonst alle mögliche Rücksicht und Sorgfalt beobachtet wurde, damit der Verwundete bequem reiste, vermochte Rebekka trotz all ihren Bitten nicht genügende Nachsicht mit dem Zustand ihres Kranken zu erwirken. Isaak, den stets die Besorgnis verfolgte, er könnte beraubt werden, da er ja auch wußte, daß er eine gute Beute war für jeden normannischen Baron wie für die sächsischen Geächteten – Isaak reiste zu einem hohen Preise und machte daher kürzere Rast und längere Touren. Infolgedessen überholte er Cedric und Athelstane. Aber der Balsam Rebekkas war so vortrefflich, daß Ivanhoes Gesundheit unter der übereilten Reise nicht im geringsten litt. In anderer Hinsicht war die Eile des Juden von mißlichen Folgen. Sein beständiges Drängen führte bald zu Streit zwischen ihm und den Leuten, die er zu seiner Bedeckung gedungen hatte. Das waren Sachsen, die ihrem Volkscharakter entsprechend gern gut lebten und, wie ihnen die Normannen vorwarfen, faul und gefräßig waren. Sie wollten sich nun an dem reichen Juden mästen und waren sehr mißvergnügt, daß er sie immer wieder antrieb. Sie stellten ihm auch vor, daß ihre Pferde einer so großen Anstrengung nicht gewachsen wären. Schließlich kam es zwischen Isaak und seiner Geleitschaft zu heftigem Streit wegen des Maßes Wein und Bier, das ihnen zu jeder Mahlzeit zugesagt war. Als nun obendrein die Furcht vor einem drohenden Überfall losbrach, verließen die gemieteten Begleiter kurzerhand den Juden.

In dieser hilflosen Lage fanden Cedric und seine Begleiter den Juden mit seiner Tochter und dem verwundeten Ritter, und fielen kurz darauf allesamt in die Hände de Bracys und seiner Spießgesellen. Die Sänfte wurde zuerst wenig beachtet und vielleicht wäre sie zurückgeblieben, wenn de Bracy nicht voller Neugier hineingesehen hätte, denn er glaubte, da Rowena verschleiert geblieben war, sie wäre darin. Sein Erstaunen war groß, als er einen Verwundeten darin erblickte, der sich in den Händen sächsischer Geächteter wähnte und daher sogleich sich als Wilfried von Ivanhoe zu erkennen gab.

So leichtsinnig und ausschweifend de Bracy auch war, so hatte er doch einen so hohen Begriff von ritterlicher Ehre, daß er nicht daran dachte, den Ritter in seiner Hilflosigkeit zu beleidigen, noch ihn an Front-de-Boeuf zu verraten, der sich wohl kein Gewissen daraus gemacht hätte, den Mann, der ihm die Baronie Ivanhoe streitig machte, unter allen Umständen aus dem Wege zu räumen. Andererseits ging aber sein Großmut auch nicht soweit, daß er den Geliebten Rowenas, für den er den Ritter nach den Ereignissen des Turniers halten mußte, befreit hätte. Ein Mittelweg zwischen Gut und Böse war das einzige, was er fand, und er befahl zweien seiner Knappen, dicht bei der Sänfte zu bleiben und jeden davon zurückzuweisen. In Torquilstone hatten sie alle genug für sich selber zu tun, und de Bracys Knappen brachten den verwundeten Ritter in ein entlegenes Gemach, wo er zuerst nur mit der alten Urfried zusammen war, dann aber wieder unter die Pflege der Rebekka kam.

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Als Rebekka wieder am Lager Ivanhoes saß, war sie verwundert über die verzückte und selige Stimmung, in der sie sich fühlte, während alles um sie her in Gefahr und Verzweiflung schwebte. Als sie ihm den Puls fühlte und fragte, wie er sich befinde, lag in der Berührung ihrer Hand und im Ton ihrer Stimme eine innigere Anteilnahme, als sie hatte zum Ausdruck bringen wollen. Ihre Hand zitterte und ihre Hand bebte, und nur Ivanhoes kalte Frage: »Seid Ihr es, freundliches Mädchen?« brachte sie wieder zu sich und erinnerte sie daran, daß sie nie auf eine Erwiderung der Gefühle, die sie empfand, hoffen durfte. Sie seufzte kaum vernehmlich. Fragen, die sie nun an den Ritter richtete, sprach sie wieder im Tone ruhiger Freundschaft. Ivanhoe antwortete ihr rasch, er fühle sich wohl und besser, als er selber es erwartet hatte. »Dank Eurer kunstreichen Hilfe, teure Rebekka,« setzte er hinzu.

»Teure Rebekka nennt er mich,« dachte sie bei sich selber, »aber er sagt es so kalt und gleichgültig. Sein Streitroß und sein Jagdhund sind ihm lieber als die verachtete Jüdin.«

»Mehr quält Sorge mein Gemüt, freundliches Mädchen, als Schmerz meinen Leib,« fuhr Ivanhoe fort. »Ich habe erfahren, daß ich ein Gefangener bin, und wenn ich die rauhe starke Stimme richtig erkannt habe, die oft durch diese Hallen donnerte, so bin ich im Schlosse des Front-de-Boeuf. Wenn das der Fall ist, wie soll das enden und wie kann ich meinen Vater und Rowena schützen?«

»Von dem Juden und seiner Tochter spricht er nicht,« sagte Rebekka zu sich selber, »es ist eine gerechte Strafe für mich, daß ich meine Gedanken an ihn hing.« Dann eilte sie fort und kehrte mit den spärlichen Nachrichten wieder, die sie hatte einziehen können. Sie konnte ihm nur erzählen, daß das Schloß belagert werde, von wem wisse sie aber nicht.

Sie hatten nicht lange Zeit, so ungestört miteinander zu sprechen, denn bald wurde der Lärm im Schlosse stärker. Der schwere, eilige Schritt der Bewaffneten hallte durch die Gänge und Gemächer und die engen gewundenen Treppen. Es klang herüber, wie die Ritter ihre Krieger ermunterten und Befehle erteilten oder Verteidigungsmaßregeln anordneten, und oft genug verhallten ihre Worte im Waffengetöse. So furchtbar diese Laute auch waren, und so entsetzlich das, was sie verkündeten, so lag doch eine Erhabenheit darin, die selbst in diesen Augenblicken des Grausens Rebekkas starke Seele ergriff. Das Blut wich aus ihrer Wange, aber ihr Auge leuchtete. Furcht und Schauer der Erhabenheit erfüllten sie, während sie halb zu sich, halb zu ihrem Gefährten sagte: »Der Köcher klirrt – Speer und Schild erglänzt – der Ruf der Führer und Reisigen schallt laut.«

Ivanhoe glühte vor Ungeduld, daß er zur Untätigkeit verurteilt war, und vor Verlangen, sich in den Kampf zu stürzen. »Könnte ich mich nur bis an das Fenster da schleppen, daß ich zusehen könnte,« sagte er, »hier liege ich nun ohne Kraft und ohne Waffen.«